Die Metamorphose von etablierten zu digitalen Geschäftsmodellen konfrontiert viele Verantwortliche mit der Kluft zwischen Strategie und Umsetzung. Die digitale Transformation lässt wenig Raum für die Formulierung neuer Strategien und mehrjähriger Umsetzungsprogramme. Vielmehr liegt der Fokus auf Geschwindigkeit in der Orchestrierung von Agilität, Kundenzentrierung und Technologie. Selbst wenn sich ein Unternehmen bereits auf dem digitalen Pfad bewegt, besteht permanent die Gefahr, dass die falschen Produkte oder zumindest weniger wertvolle für die Kunden oder den Markt entwickelt werden. Ein effektiver Prozess im Portfoliomanagement, der dynamisch Änderungen zu jedem Zeitpunkt zulässt und den Business-Wert in den Vordergrund stellt, hat deshalb großen Einfluss auf Erfolg und Geschwindigkeit der digitalen Transformation.
Für die Neuausrichtung des Portfoliomanagements auf die Digitalisierung sind folgende sechs Prinzipien entscheidend:
• Konzentrieren Sie sich auf "Outcome".
• Priorisieren Sie das Veränderungsportfolio nach Business-Wert.
• Balancieren Sie strategische Investitionen, Geschäftsziele und Betriebsfähigkeit aus.
• Zerlegen Sie große, langlaufende Projekte konsequent in Kurzläufer.
• Reduzieren Sie den Work in Progress: Stop starting and start finishing!
• Verlagern Sie die Diskussion von Portfoliopriorisierung auf Staffing.
Auf Ergebnisse konzentrieren
Die erste große Veränderung im Portfoliomanagement ist die konsequente Ausrichtung auf die Bereitstellung von Ergebnissen (Outcome) im Sinne von Produktfunktionalitäten für das Geschäft und die Kunden. Oft arbeiten Projekte viel zu lange an Funktionalitäten, die das Geschäft nicht signifikant weiterbringen oder vom Kunden noch nicht einmal wahrgenommen werden. Einer solchen Entwicklung gilt es entgegenzuwirken.
Bei Investition in eine Produktentwicklung sollte also permanent sichergestellt sein, dass alle beteiligten Stakeholder diese auch konsequent unterstützen. Dazu ist oft eine Abstimmung einer gemeinsamen Vision als Treiber des Erfolgs die erste Aktion nach einer Investitionsentscheidung. Des Weiteren installieren immer mehr Unternehmen einen Outcome Owner, der die Wertgenerierung von Ergebnissen verantwortet und nachhält, neben einem Product Owner, der für Inhalte steht.
So stellen sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Fragen: Ist es das Ziel, eine neue Lieferplattform zu entwickeln, um Systeme zu konsolidieren und damit IT-Kosten zu senken? Oder geht es primär um Wachstum in einem neuen Kundensegment? Eine hinreichend präzise Definition der gewünschten Ergebnisse bietet die Möglichkeit der Prüfung, ob die Veränderung einen Wertbeitrag für das Geschäft oder die Kunden liefert. Und das nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ sowohl während der Entwicklung als auch danach.
Um zu verfolgen, ob eine Plattformkonsolidierung tatsächlich stattgefunden hat, ist es besser, das realisierte Kostenpotenzial tatsächlich auch zu messen oder zu verfolgen. Wenn Investitionen nicht den erwarteten Wert liefern, dann sollte die weitere Entwicklung auch konsequent beendet werden. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. In Projektportfolien vieler Unternehmen finden sich leider viel zu viele tote Pferde, die noch weiter geritten werden.
Veränderungsportfolio nach Business-Wert priorisieren
Sobald über das gewünschte Ergebnis oder den Wert einer Veränderung Klarheit erzielt wurde, lassen sich diese priorisieren. Denn meist stehen der Vielzahl an Veränderungswünschen beschränkte Ressourcen gegenüber.
Die Fokussierung auf den Business-Wert macht die Diskussion unabhängiger von politischen Einflüssen, die in vielen Unternehmen das Veränderungsgeschäft oft mitbestimmt. Wenn zum Beispiel zehn Möglichkeiten bestehen, nachhaltig Kosten zu senken, ist es sinnvoll, sich erst einmal auf diejenigen mit dem höchsten Wert zu konzentrieren.
Dabei gilt es sich jedoch zu vergewissern, dass Äpfel nicht mit Birnen verglichen werden. Wenn Kosteneinsparungsmöglichkeiten und neue Wachstumschancen gegeneinander abgewogen werden, gewinnen meist kurzfristige Gewinne gegen langfristige Investitionen - oft zum Schaden des Unternehmens. In der Praxis bedeutet dies, dass Priorisierungskriterien sowohl qualitative als auch quantitative Einflussfaktoren einschließen sollten. Dies stellt sicher, dass nicht durch Überbetonung des Profits ein Innovationsstau entsteht.
Investitionen, Geschäftsziele und Betriebsfähigkeit ausbalancieren
Investitionen sollten sowohl an einer stetigen Wertsteigerung als auch an einer First-Come-First-Serve-Logik ausgerichtet sein. Allerdings sollte das IT- oder Technologiebudget nicht komplett für Ad-hoc-Änderungen ausgegeben werden. Stattdessen ist mit den Geschäftsbereichen ein gemeinsames Verständnis darüber zu erzielen, welche strategischen Investitionen besonders werthaltig sind, welche Geschäftsziele verfolgt werden und welche Kosten für die Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit erforderlich sind.
Dies verhindert, dass mehr Geld in etwas investiert wird als es überhaupt wert ist. Wer kennt nicht den Fall der Abbildung der letzten Kleinstfunktionalität - oft aus Nettigkeit gegenüber den Fachbereichen, der allerdings überhaupt kein Business-Wert gegenübersteht. Und es schützt davor, dass wichtige, zukünftige Investitionen verhindert werden, aufgrund der lauten und dringenden Forderungen der unmittelbaren geschäftlichen Anforderungen.
Langlaufende Projekte in Kurzläufer zerlegen
In einer wettbewerbsorientierten Wirtschaftslandschaft ist es enorm wichtig, auf Veränderungen flexibel reagieren und sich rasch in eine neue Richtung bewegen zu können. Diese Art von Flexibilität kann zum Beispiel durch die Verwendung von agilen Verfahren erreicht werden, die es Teams ermöglichen, ihre Arbeit in einer iterativen Weise zu erledigen. Am Ende eines jeden Sprints, der oft wenige Wochen dauert, oder Iteration steht ein Ergebnis in Form eines Inkrements, das eigenständig für sich einen Business-Nutzen liefert. Auf Neudeutsch heißt das dann Minimum Viable Product, also ein Produkt mit minimaler Funktionalität, das dem Geschäft dennoch einen Nutzen bietet.
Anstatt also in mehrjährige Projekte zu investieren und dafür das Budget fest zuzuteilen, gilt es die "Supertanker" in kleinere Liefereinheiten aufzubrechen. Der Effekt ist, dass die Risiken von Fehlentwicklungen aufgrund der kürzeren Zeitspanne deutlich reduziert werden. Weiterhin lassen sich Planungen und Vorhersagen für die nächsten Wochen und Monate mit einer höheren Präzision anstellen als für die nächsten Jahre. Wer kann schon absehen, was zwischenzeitlich auf Märkten passiert oder welche Produkte Wettbewerber auf den Markt bringen werden?
Jetzt werden manche sagen, dass ein Zerschneiden oft unmöglich ist. Fakt ist, dass es sicher nicht in 100 Prozent der Fälle geht. Doch wenn 90 Prozent funktionieren, dann ist oft schon ein großer Fortschritt erreicht. Denn die Erfahrung lehrt, dass der Bau von Supertankern weder zeit- noch kostentechnisch gut beherrschbar ist. Wer kennt nicht das Beispiel des Berliner Flughafens? Das alte Prinzip "Teile und herrsche" findet auch in der digitalen Transformation seine Entsprechung.
Work in Progress reduzieren
Oft ist es viel einfacher, ein neues Projekt zu beginnen, als ein laufendes abzuschließen oder sogar eines zu unterbrechen. Der Start eines neuen Projekts zeigt schließlich schon einmal Initiative, insbesondere auf Management-Ebene. "Wir haben ja schon mal damit angefangen" - damit können nervöse Fachbereichsverantwortlich erst einmal beruhigt werden, wenn es mal wieder nicht schnell genug gehen kann. So beginnt ein Teufelskreis, der in einer Art "Verstopfung" des Portfolios endet. Der parallele Beginn vieler Projekte und gegebenenfalls noch die Verteilung der gleichen Ressourcen auf mehrere Projekte sorgen dafür, dass aufgrund von Multitasking und Kontext-Switching für lange Zeit kein Ergebnis (Outcome) mehr erzielt wird. Das System beschäftigt sich quasi mit sich selbst.
Eine der besten Möglichkeiten, um die Arbeit im Gang zu halten und die Lieferung der Ergebnisse zu beschleunigen, besteht deshalb darin, ein funktionsübergreifendes Team auf ein einziges Outcome zu fokussieren und es ohne Ablenkung daran arbeiten zu lassen. Sobald dieses Team seinen Outcome erzielt hat, nimmt es sich entlang der Priorität das nächste vor. Das entspricht im Kern der Kanban-Philosophie.
Die Konzentration der Arbeit auf ein Team macht klar, dass ein Portfolio an der Lieferkapazität ausgerichtet werden muss. Die Engpässe entscheiden dann den Durchsatz. Wenn zehn Teams verfügbar sind, können nur zehn Projekte parallel abgearbeitet werden. Wenn die zehn Teams 50 Projekte bearbeiten, verändern sich die erforderliche Zeit und das Budget nicht linear, sondern exponentiell. Deshalb gilt: Wenn ein Unternehmen ein anderes Vorhaben starten will, müssen die Verantwortlichen warten, bis ein Team ein Projekt beendet hat, oder ein Projekt stoppen. Viele Betriebe haben aber noch nie ein Projekt unterbrochen - insofern ist das eine ganz neue Erfahrung.
Ein darauf ausgerichtetes Portfolio-Management-Verfahren ermöglicht es, sich schnell an Veränderungen anzupassen und durch regelmäßige (Re-)Priorisierung dynamisch zu reagieren. Diese Arbeitsweise ist weitaus flexibler und effizienter als die Aufrechterhaltung einer hochkomplexen, geplanten Folge von Projekten.
Diskussion von Portfoliopriorisierung auf Staffing verlagern
Viele Unternehmen setzen viel Zeit und Energie ein, um ihr Priorisierungsverfahren zu optimieren. Sie verkennen dabei, dass der Zweck nur darin besteht, eine Reihenfolge zwischen Veränderungsvorhaben herzustellen. Sicher gelingt dies anhand von nachvollziehbaren Kriterien in transparenterer Weise besser, als wenn ein Gremium über die Reihenfolge befindet. Am Ende bleibt es jedoch eine Reihenfolge, die von oben nach unten entsprechend der verfügbaren Ressourcen abgearbeitet wird. Meist wird dann doch festgestellt, dass alles in der einen oder anderen Form angegangen werden muss. Anstatt sich also weiter auf die Priorisierung zu stürzen, ist die Optimierung des Ressourcenmanagements und des Staffings sinnvoller.
Der Anspruch im veränderten Portfoliomanagement besteht in einer 100-prozentigen Bereitstellung von Teams. Um parallel den Anspruch einer hohen Geschwindigkeit zu bedienen, müssen auch Teams vorgehalten werden können. Dies hat den Verzicht auf eine 100-prozentige Auslastung zur Konsequenz. Zusätzlich sollte der Pool, aus dem gestafft, wird möglichst groß sein und zentral gesteuert werden, damit man die Auslastung im Auge hat und gegebenenfalls im Zusammenspiel mit der Portfolioplanung neue Projekte anschieben kann. Heißt im Klartext, dass es neben der Rolle des Portfoliomanagers auch den guten alten Einsatzplaner im Sinne von Ressourcenmanager oder Staffing-Manager geben muss. Eine Aufgabe, die heute überwiegend von Führungskräften im mittleren Management wahrgenommen wird. Dies schreit danach, dass die hierfür erforderlichen Governance-Regelungen aufgesetzt oder angepasst werden müssen.
Konsequenzen
Viele Unternehmen besitzen bereits ein Portfoliomanagement zur Planung und Steuerung von Veränderungsvorhaben. Wenn Ihre Organisation jedoch zu geringe oder zu langsame Ergebnisse in der digitalen Transformation generiert, ist die Zeit des Nachdenkens über Veränderungen im Portfoliomanagement reif. Auch hier steckt die Herausforderung nicht in der Konzeption, sondern vielmehr in der Umsetzung der Prinzipien ins Handeln und ins tägliche Doing. Dies erfordert per se eine Veränderung in Governance, Strukturen, Prozessen und Tools und sollte im Sinne "Walk what you talk" den geschilderten Prinzipien genügen.
Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen eine Anpassung des Portfoliomanagements von innen heraus nicht leisten können und externe Unterstützung diesen Veränderungsprozess signifikant beschleunigen kann. Im Zuge der Digitalisierung ist eine solche Investition oft mehr als gerechtfertigt, denn es geht um das gelebte Business/IT-Alignment. Aus Business-Sicht wird die Frage beantwortet, ob in die richtigen Dinge investiert wird. Aus IT-Sicht wird die Frage adressiert, ob operativ die richtigen Lösungen gebaut werden. Die Beantwortung dieser beiden wesentlichen Fragen rechtfertigt die Investition in ein agileres Portfoliomanagement. (pg)