Mutter aller Hoffnungsträger

Das iPad im Landeanflug auf Deutschland

26.05.2010
Freitag ist endlich Schluss mit der Vorfreude. Dann kommt das Apple iPad auch hierzulande in den Handel. Und es wird sich zeigen, wessen Hoffnungen in das Gerät berechtigt waren.
Das iPad von Apple - zwischen Hoffen und Bangen.
Foto: jeweilige Hersteller

Selten hat ein Stück Technik so viele Hoffnungen auf sich vereint wie Apples Tablet-Computer iPad. Die Print-Verleger erhoffen sich eine Plattform für elektronische Zeitungsausgaben, mit denen sich möglicherweise eine neue Zukunft in Zeiten sinkender Auflagen aufbauen lässt. Die Buch-Branche, die Angst hat, wie die Kollegen der Musikindustrie vom Internet zerrieben zu werden, will das iPad als Lesegerät etablieren. Die Film- und Fernsehproduzenten bauen auf einen neuen Absatzweg für ihre Kinostreifen und Serien. Und manche Technikexperten sehen in dem Gerät, das mit den Fingern über einen berührungsempfindlichen Bildschirm mit bedient wird, gar den Wegweiser für die Zukunft der Computertechnik.

Das Wirtschaftsmagazin "Economist" fing die Stimmung ein, als es Apple-Chef Steve Jobs im Messias-Gewand mit einem iPad in der Hand auf sein Cover brachte. Von diesem Freitag an kann man sich in Deutschland selbst überzeugen, was an dem Hype um das "magische und revolutionäre Gerät" (Apple) dran ist: Die ersten Versionen des iPad kommen auch hierzulande in den Handel.

Der internationale Start hat sich um rund einen Monat verschoben - weil die Nachfrage in den USA so hoch war, sagt Apple. Immerhin wurden in den vier Wochen seit der Markteinführung Anfang April eine Million iPads verkauft.

Riesen-iPhone

Mit dem iPad wagt sich Apple auf ein Feld, auf dem schon einige gescheitert sind. So hatte Microsoft-Gründer Bill Gates vor knapp zehn Jahren versucht, mit einem Tablet-Computer zu punkten. Doch die tragbaren Touchscreen-PCs blieben ein Nischenprodukt etwa für Lagerarbeiter, die neue Lieferungen abhaken. Auch kleinere Versionen wurden vor einigen Jahren zum Ladenhüter: Zu schwer, zu schwachbrüstig, zu kurze Akkulaufzeit.

Macht Apple mit seinem "Riesen-iPhone" alles besser? Konzernchef Jobs ließ schon vor der Vorstellung des Geräts im Januar durchsickern, das iPad sei das Wichtigste, woran er jemals gearbeitet habe. Herausgekommen ist ein typisches Apple-Produkt: Elegantes Design, einfache Bedienung, hoher Preis. Zwischen 499 und 799 Euro kostet der Eintritt in die iPad-Welt. Für um die 300 Euro bekommt man jedoch schon ein Mini-Notebook mit Tastatur und allen vom PC bekannten Anschlüssen.

Apple-Innovationen
iMac (1998)
Als das erste große überarbeitete Apple-Produkt stellt der iMac mit seinen grellen Farben, durchsichtigem Monitor und Tastatur den Anfang der Zeitachse dar. Obwohl der iMac den Windows-basierten PC nicht überholen konnte, hat der iMac dennoch jede Menge erwünschter Veränderungen innerhalb der Computer-Industrie wie etwa die Abschaffung des Floppy-Disk-Laufwerks sowie USB-Anschlüsse ausgelöst. Noch wichtiger: der iMac hat den Wendepunkt für Apple eingeleitet, das nunmehr anfing sich darauf konzentrieren, sämtliche Energien auf Innovationen zu verwenden.
iPod (2001)
Mit dem iPod hat Apple seinen Ruf als die Comeback-Firma schlechthin fest in dieser Dekade verankert. Die erste Version spielte rund 1000 digitale Lieder ab und hat sogar Zufallswiedergabelisten unterstützt. Je ausgereifter der iPod jedoch wurde, desto mehr Geld hat Apple seinen Kunden abgeknöpft. Die letzte Variante des iPod Classic spielt für seinen Preis allerdings 40.000 Lieder ab, abgelegt auf einer Festplatte mit einem Gesamtspeicher von 160 GByte.
Xserve (2002)
Mit dieser Technologie hat Apple das erste Mal den Abstecher in das Unternehmens-Segment unternommen. Als Steve Jobs vor acht Jahren den Xserve vorgestellt hat, zielte er allerdings eher auf kleine und mittelständische Unternehmen ab als auf Großunternehmen. Zudem zeigt der Xserve, dass Apple nicht nur ein Endverbraucherunternehmen ist, sondern eine Marke, die sich aggressiv über den IT-Markt ausdehnen will.
MacBook Pro, MacBook, MacPro (2006)
Die wichtigste Änderung bei diesen Geräten war sicherlich der Umstieg von IBM- auf Intel-Prozessoren. Das MacBook Pro ist das erste Produkte, das auf die Intel-Architektur umgestellt wurde, ein 15-Zoll-Laptop der einen Intel Core Duo Prozessor beinhaltet und bis zu 1 GByte Arbeitsspeicher schluckt. Einige Monate später hat Apple das erste MacBook vorgestellt, dessen Spezifikationen denen des MacBook Pros ähneln. Allerdings fiel es mit 13-Zoll etwas kleiner aus. Zu guter Letzt hat Apple das Trio mit dem MacPro vervollständigt, Apples erster Desktop-Computer mit Intel-Architektur.
iPhone, iPod Touch (2007)
An das Jahr 2007 werden sich noch lange viele User erinnern, denn es gilt als das Jahr, in dem Apple den Handy-Markt mit dem iPhone auf den Kopf gestellt. Apple's äußerst beliebtes iPhone wurde zum Prototypen für alle modernen Touchscreen-Smartphones und hat seitens der Nutzer hohe Anerkennung für die einfache Handhabung seines Betriebssystems und im täglichen Gebrauch erhalten. Der iPod Touch, der nahezu wie das iPhone aussieht, jedoch keine Telefonfunktion besitzt, wurde im gleichen Jahr herausgebracht.
MacBook Air (2008)
Das MacBook Air gilt nicht gerade als revolutionäre Innovation wie etwa das iPhone oder der iPod, doch dient es als neues und schickes Produkt, mit dem Apple während der Entwicklung des iPads angeben konnte. Der große Aufmacher des MacBook Air war die Kampagne als Apples dünnstes und leichtestes Laptop. Das MacBook Air ist knapp 2 Zentimeter dünn und wiegt 1,36 Kilogramm.
iPad (2010)
Der Höhepunkt des letzten Jahres war zweifellos das Tablet iPad, ein Touchscreen-Computer, der knapp 25 Zentimeter in der Diagonale misst und somit in die Geräte-Kategorie zwischen Laptop und Smartphone fällt. Entscheiden Sie sich für diese zusätzliche Highspeed-Internet-Verbindungen, müssen Sie allerdings noch mit Provider-Gebühren rechnen; selbstverständlich ist das Gerät auch mit WLAN-Antenne ohne mobile Highspeed-Internet-Verbindung verfügbar.

Doch wie die ersten zwei Monate zeigen, sind überall auf der Welt Millionen Menschen bereit, mehr zu bezahlen, um das iPad in der Hand zu halten. Neben der erprobten Marketingmacht von Apple dürfte das vor allem einen Grund haben: Das iPad mutet wie das perfekte Gerät für den digitalen Medienkonsum an. Es wiegt rund 700 Gramm, der von Apple entworfene Prozessor ist rasend schnell und die Batterie hält lange genug, dass der Nutzer nicht ständig nach einer Steckdose Ausschau halten muss.

Konkurrenz in Lauerstellung

Vor allem die Medienbranche ist vom iPad-Virus infiziert. Die Verlage arbeiten unter Hochdruck an Programmen, mit denen sie Texte, Bilder und Videos miteinander verwoben elegant präsentieren können. In Deutschland wollen unter anderem der "Spiegel" und die "Welt" auf dem iPad dabei sein. Die Buchbranche freut sich auf Apples Online-Shop iBook, weil sie in ihm für digitale Bücher zum Teil höhere Preise durchsetzen konnte als beim Konkurrenten Amazon. Allerdings fehlen zum Marktstart des iPad noch die aktuellen Buchtitel aus Deutschland.

Doch in die Euphorie mischen sich auch Zweifel. Wie geht es weiter, wenn der erste Hype nachlässt? Was passiert, wenn die Menschen doch nicht für die aufbereiteten Inhalte der Medienbranche bezahlen wollen? Wie gut werden die Wettbewerber sein? Denn viele konkurrierende Tablets stehen schon in den Startlöchern. Kaum ein Branchenbeobachter zweifelt daran, dass in absehbarer Zeit auch der Internet-Riese Google mit seiner Marktmacht in den Markt vorpreschen wird. Die deutsche Firma Neofonie, die mit ihrem "WeTab" vor allem einheimische Verleger gewinnen will, wirkt dagegen wie ein Zwerg. Das Gerät kommt zudem frühestens im September auf den Markt.

Die Branchen-Analysten von Morgan Stanley rechnen für 2011 mit einem Absatz von 9 bis 12 Millionen iPads. Insgesamt dürften dann weltweit mehr als 200 Millionen mobile Computer verkauft werden. Es wäre zwar immer noch ein recht niedriger Marktanteil, aber immerhin eine ausreichende Nutzerbasis für ein profitables Geschäft. Und Apple kann sich einen langen Atem leisten: Der US-Konzern sitzt auf einem Geldberg von mehr als 30 Milliarden Dollar. (Andrej Sokolow, dpa/ajf)