Das größte Miß-Management der EDV-Geschichte: Riesenpleite mit Italiens Steuercomputer

29.08.1975

Von Jobst Knigge, Rom Exklusiv für CW

ROM - Der frühere Olivetti-Chef Bruno Visentini, seit November 1974 italienischer Finanzminister, führt einen aussichtslosen Kampf gegen das Heer von Steuersündern in seinem Land. Erst streikten die Steuerbeamten mehr als drei Monate lang und jetzt erwies sich auch die letzte Wunderwaffe als ein Fehischlag. Der zentrale Steuercomputer, als ein Wunderwerk der Technik angekündigt, der seinesgleichen in Europa sucht, spuckte so viele Fehlberechnungen aus, daß Visentini sich am 18. August gezwungen sah, den Rechner stillzulegen.

2000 Terminals und 5000 Beamte

Mit großen Hoffnungen war das System mit dem Namen Atena (Anagrafe Tributaria Elettronica Nazionale), der an den der griechischen Göttin der Weisheit erinnert, 1971 in Auftrag gegeben worden. Von der IBM wurde der Zentralrechner (2 x 370/168) für Rom und von Olivetti die rund 2000 Terminals für die lokalen Finanzämter im ganzen Land gemietet. Außerdem wurden 109 Zwischenstationen eingerichtet. 5000 Beamte wurden mit dem Riesenprojekt betraut. Jeder Italiener sollte eine Steuernummer erhalten und sein Einkommen, Besitzstand und Steuerklasse sollten verschlüsselt werden.

Doch im System war der Wurm.

Es stellte sich heraus, daß der Code für zwei Personen gleich sein konnte. Als Beispiel nannte der Minister: "rssgtn 40 r 25 f 205". Das konnte einerseits Rissone Agostino geb. 25. 10. 1940 in Mailand, andererseits Rossi Gaetano mit dem gleichen Geburtstag und -ort bedeuten. Durch die knapp 1000 Terminals, die schon in Betrieb waren, kamen nur sporadische und lückenhafte Informationen. Es fehlte überall an EDV-Spezialisten. Außerdem hatten sich gerade im vergangenen Jahr rund 4000 Führungsbeamte des Steuerwesens vorzeitig pensionieren lassen, um eine Prämie zu kassieren.

Während die Hardware kaum Fehler aufwies, scheiterte das Projekt an der Software und der Unfähigkeit der Beamten. Bereits im vergangenen April ernannte Visentini eine Sonderkommission, die die Aufgaben und Funktionen der Atena neu festsetzen sollte.

Neuer Versuch 1978?

Alles, was bis dahin getan war, war also mit anderen Worten vollkommen nutzlos gewesen. Jetzt sind die Mietverträge mit den Computerfirmen und für die Leitungen erst einmal gekündigt. Resigniert hofft der Minister, daß man bis 1978 einen neuen Versuch starten könne. Andere rechnen jedoch mit einer weit längeren Unterbrechung. In der Zwischenzeit können die Steuersünder weiter ruhig schlafen.