Nach der Spaltung

Das deutsche HP-Management stellt sich den Fragen

10.11.2015 von Heinrich Vaske
Hewlett-Packard Enterprise (HPE) ist seit dem ersten November 2015 ein eigenständiges Unternehmen - losgelöst von der PC- und Druckersparte, die nun als HP Inc. firmiert. Das deutsche HPE-Management hat sich den Fragen der Journalisten gestellt.
  • Heiko Meyer konnte trotz aufwändiger Konzernspaltung in Urlaub gehen
  • Angelika Gifford hält die Public Cloud nicht für kriegsentscheidend
  • Michael Eberhardt will mehr Automatisierung ins Servicegeschäft bringen

"Es war wahrscheinlich eine der größten und komplexesten Firmenaufspaltungen, die es jemals gegeben hat", bilanzierte Heiko Meyer, Vorsitzender der HPE-Geschäftsführung in Deutschland und zudem verantwortlich für den umsatzstärksten Unternehmensbereich, die "Enterprise Group Deutschland". HPE setzt hier mit Servern, Cloud-Infrastruktur und -Software sowie Netzwerk- und Speichertechnik weltweit 27,8 Milliarden Dollar um - rund die Hälfte des gesamten Umsatzes. (Siehe auch: HP ist seit heute zweimal auf dem Börsenzettel)

Das HPE-Management (v.l.n.r.) : Michael Eberhardt, Geschäftsführungsmitglied und Vice President Enterprise Services; Ulrich Seibold, Geschäftsbereichsleiter Indirekter Vertrieb; Angelika Gifford, Mitglied der Geschäftsführung und Vice President Software; Heiko Meyer, Vorsitzender der Geschäftsführung und Vice President der Enterprise Group

Am 6. Oktober 2014 sei die Spaltungsabsicht angekündigt worden, so der HPE-Chef, bereits zum 1. August diesen Jahres sei HP soweit gewesen: nur 299 Tage Umbauarbeiten, wie der Geschäftsführer vorrechnete, weniger als die globale Organisation, die 391 Tage brauchte. Es habe sich um eine echte "Zellteilung" gehandelt, sagte Meyer - eine steuernde Holding, die über allem thront, habe es nicht gegeben. Umso stolzer sei man bei HP auf den reibungslosen Verlauf. Nicht einmal seinen zweiwöchigen Urlaub, den Meyer traditionell in den ersten beiden Augustwochen nimmt, habe er unterbrechen müssen.

Jede Menge Anpassungsaufwand

Dabei habe HP beispielsweise 2400 Anwendungen anpassen - teilweise klonen - müssen, weil sie von beiden Unternehmensbereichen genutzt wurden. 74.000 Schnittstellen hätten die Entwickler zudem angefasst. Außerdem gab und gibt es jede Menge organisatorische Neuerungen: "Wo es früher einen Ansprechpartner für den Kunden gab, gibt es heute manchmal zwei", sagte der Deutschland-Chef. Nicht zu sprechen kam Meyer auf den Personalabbau, der HP derzeit noch weltweit beschäftigt.

Meyer machte deutlich, dass es sich bei der Aufspaltung des Konzerns um einen Aspekt "einer langfristigen Transformation" des Konzerns handele. So sei HP unter der Führung von Meg Whitman schon seit 2012 dabei, sich "kontinuierlich zu erneuern". Dazu gehörten der Ausbau des Forschungs- und Entwicklungsbereichs, die Neuausrichtung des Produkt- und Serviceangebots, veränderte Vertriebsmethoden und Ausbildungsplattformen sowie der Aufbau einer integrierten Plattform für Channel-Partner. Über diese "Unison"-Plattform arbeitet HP heute mit seinen Partnern zusammen. Herzstück ist ein "Instant-Pricing-Tool", das Partnern über alle Geschäftsbereiche hinweg Preisanfragen in kurzer Zeit beantwortet.

HP hofft auf The Machine und Cloud 28+

Heiko Meyer (links) zusammen mit Jochen Erlach, dem Chef der für PCs und Printer zuständigen Hewlett-Packard GmbH

Gleichzeitig habe man wichtige Wetten auf die Zukunft abgeschlossen, beispielsweise mit der neuen Rechnerarchitektur "The Machine", bei der Daten in einem hoch performanten Speicher mit Memristor-Technik gelagert und bearbeitet werden sollen. Eine solche Wette sei auch die Cloud-Strategie, die HP mit "Cloud 28+" verfolgt. Dabei bündelt HP Cloud-Angebote verschiedener Provider und stellt sie europäischen Kunden rechtssicher zur Verfügung. Wie das im Detail aussehen soll, dürfte einer der Schwerpunkte auf der diesjährigen Hausmesse Discover sein, die am 1. und 2. Dezember in London stattfinden wird.

Ausstieg aus der Public Cloud

HP hatte erst im Oktober angekündigt, man werde den Plan, ein mit Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft Azure vergleichbares Public-Cloud-Angebot zu entwickeln, nicht weiter verfolgen. Die "HP Helion Public Cloud" werde Ende Januar 2016 abgeschaltet. Stattdessen wolle man sich in Richtung eines partnerorientierten Public-Cloud-Modells bewegen, wie HPs Cloud-Stratege Bill Hilf Mitte Oktober in einem Blog-Post ankündigte.

Die Geschichte von Hewlett-Packard
Die Story von Hewlett-Packard
Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht.
1939: In der Garage fing alles an
In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien.
Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ...
... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln.
1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik
1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.)
1959: Produktion in Deutschland
Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben.
1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft
Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf.
1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers
1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein.
1972: Der Taschenrechner hält Einzug
Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65.
1977: Miniaturisierung mit dem HP-01
n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender.
1980: Der erste Personal Computer HP 85
Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000.
1988: Die fetten Druckerjahre kommen
Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C.
1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland
Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt.
1998: Jordana - der erste PDA
Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant.
2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq
Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start.
2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut
Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns.
2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd
Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation.
2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten
Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar.
2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com
Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter.
2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder
Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar.
2013: Das PC-Geschäft bricht ein
Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt.
2014: Die Aufspaltung kommt
Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services.
2015: Neues Enterprise-Logo
Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.

HP hatte mit seinen seit 2011 betriebenen Public-Cloud-Bemühungen kein glückliches Händchen. Recht gut läuft hingegen die "Helion OpenStack Distribution", die Unternehmen für ihre Private- und Hybrid-Cloud-Projekte nutzen. Glenn O’Donnell, Analyst bei Forrester Research, kommentierte HPs Ausstieg aus dem Public-Cloud-Markt gegenüber der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation "Infoworld" mit den Worten: "Sie haben verstanden, dass sie in der hochskalierenden Public-Cloud-Welt nicht mithalten können. Hier gibt es längst eine Marktbereinigung, und die Starken werden immer stärker."

Private Cloud ist für HP der bessere Markt

Unmissverständlich äußerte sich auch die deutsche HP-Managerin Angelika Gifford, die hierzulande das Softwaregeschäft von HP verantwortet. "Wir wollen nicht mit den großen Public-Cloud-Anbietern Head to Head gehen", sagte Gifford, HPs Stärke sei das Private-Cloud-Business. Dort sehe man sich weltweit als die Nummer eins. Mit Bezug auf eine Studie von Bain & Company sagte Gifford, dass die "traditionelle IT" heute wie in drei Jahren immer noch den mit großem Abstand umfangreichsten Teil der Infrastruktur ausmachen werde, auch wenn sie - auf hohem Niveau - langsamer wachse als Public- und Private-Cloud-Umgebungen. HPs Unternehmenskunden würden vielleicht fünf Prozent ihrer Workloads in die Public Cloud verlagern, nicht mehr. Ohnehin habe HP das Public-Cloud-Projekt nur in den USA verfolgt, in Europa sei das nie ein Thema gewesen. Hier vertraue man auf das Partnerschaftsmodell Cloud 28+.

Schwerpunkte von HP, der "sechstgrößten Software-Company weltweit", wie Gifford sagte, seien künftig vier Bereiche:

Für die vier "Go-to-markets" gilt laut Gifford, dass der Fokus künftig jeweils auf vertikalen Märkten liegen soll. Dazu werde man das Partnernetzwerk teilweise neu aufstellen. Es gehe jetzt nicht mehr darum, Server- und Storage-Einheiten in Betrieb zu nehmen, man wolle auf Augenhöhe mit den Fachbereichen reden und ihnen die passenden Lösungen anbieten.

Branchenfokus wird wichtiger

Ins gleiche Horn stieß Michael Eberhardt, wie Gifford Mitglied der HPE-Geschäftsführung und zudem verantwortlich für die Enterprise Services. HPE werde auch hier die Ausrichtung auf die Branchen intensivieren, und das weltweit. Zudem wolle man die "Megatrends" Industrialisierung und Automatisierung von Services stärker aufnehmen. "Wir brauchen ein Lösungsportfolio, das wir bei anderen Kunden wieder nutzen können", so der Servicechef. HPE-Servicemitarbeiter müssten aus einem solchen Fundus schöpfen können und so in möglichst kurzer Zeit passgenaue, "vom Kunden her kommende" Angebote zusammenstellen können.

Eberhardt sagte, HPE werde Systemhauspartner in neuer Weise an sich binden und ihnen flexibel bestimmte Teile der Wertschöpfungskette überlassen. So versetze man sich in die Lage, schneller Services erbringen zu können. Über die acht Global Delivery Centers und weitere Regional Delivery Centers könne HPE dafür die nötigen Ressourcen bereitstellen.