Heineken transformiert

Das Braugeheimnis für bessere Connectivity

28.02.2023 von Doug Drinkwater
Ing Yan Ong, Global CIO von Heineken, hat Großes vor. Er will seinen Arbeitgeber zum bestvernetzten Braukonzern der Welt machen.
Heineken will zum bestvernetzten Braukonzern der Welt werden. Das bedeutet für den CIO jede Menge Arbeit.
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Dass das niederländische Brauereiunternehmen Heineken nach 159 Jahren noch existiert, verdankt es nicht zuletzt einem steten Innovationsstrom. Dabei schrieb das Unternehmen auch selbst Geschichte und war zum Beispiel das erste seiner Art, das eigene Labore zur Qualitätskontrolle einführte und auch das erste, das nach dem Ende der Prohibition in den USA im Jahr 1933 dort offiziell Bier verkaufen durfte. Inzwischen steht das im Jahr 1864 vom Unternehmer Adriaan Heineken gegründete Unternehmen als Synonym für holländisches Bier - dessen Markenzeichen die grüne Flasche mit dem roten Stern auf dem Kronkorken ist. Allerdings gehören inzwischen über 300 Marken zum Konzern, die in mehr als 190 Ländern verkauft werden.

Doch auch an Heineken gehen die aktuellen Entwicklungen nicht vorbei: Die erwartete Rezession, steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie Supply-Chain-Engpässe beschäftigen auch den niederländischen Brauereikonzern. Zudem sieht sich Heineken (insbesondere was jüngere Zielgruppen angeht) mit wachsender Konkurrenz durch Mikrobrauereien, steigenden Marktpreisen und einer neuen Einstellung bezüglich Alkoholkonsum generell konfrontiert.

Um trotz dieser Herausforderungen weiterhin relevant zu bleiben, hat Global CIO Ing Yan Ong seinem Arbeitgeber eine Digital Journey verordnet, die im Wesentlichen aus drei Schritten besteht:

Heinekens Konnektivitätsehrgeiz

In der Vergangenheit hat sich Heineken insbesondere dadurch ausgezeichnet, starke Beziehungen zu Verbrauchern, Kunden, Lieferanten und nicht zuletzt Mitarbeitern aufzubauen. Doch die Entscheider des Konzerns sind sich darüber bewusst, dass diese Beziehungen sich an den Schnittstellen von physischer und digitaler Experience verändern.

Deswegen hat das Unternehmen bereits Anfang 2021 seine "EverGreen"-Strategie auf den Weg gebracht. Diese zielt darauf ab, das Unternehmen zukunftssicher zu machen und soll es befähigen, sich an die Marktdynamik anzupassen und gestärkt aus der Pandemie hervorzugehen. Dabei besteht eine Priorität darin, die Stakeholder-Beziehungen von Heineken digital zu transformieren - also zum "best-connected brewer" zu werden. "Dazu müssen wir die Beziehungen zu unseren Kunden, Verbrauchern, Lieferanten und Mitarbeitern im Rahmen eines vollständig digitalen Kontextes stärken", erklärt CIO Ing Yan, der an den Chief Digital Officer berichtet und vor seiner Tätigkeit als CIO als Senior Director for Global Information Services für Heineken tätig war.

In der Vergangenheit führte der Weg des Unternehmens zum Verbraucher über Außendienstmitarbeiter, die von Bar zu Bar gingen und Bestellungen mit Hilfe papierbasierter Formulare aufnahmen. Digitale Technologien haben diesen Prozess optimiert, ermöglichen Online- und prädiktive Bestellungen und gewähren den Gastronomen Einblicke darüber, welche Getränke bei den Kunden besonders beliebt sind - oder was andere Lokale bestellen.

Heineken betrachtet sein Digital Business als eigenständigen Geschäftszweig und will in den kommenden drei Jahren mindestens zehn Milliarden Euro über digitale Kanäle umsetzen. Im dritten Quartal 2022 erzielte das Unternehmen einen Digitalumsatz von 4,3 Milliarden Euro - mehr als zweieinhalb Mal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Laut dem CIO sind es im Wesentlichen Plattformen von SAP, Salesforce und Microsoft, die dieses Wachstum antreiben. Allerdings nutzt der Konzern auch selbst neue Technologien, um bessere Insights zu gewinnen:

"Es ist eine fundamentale Verlagerung von einer eher traditionellen Art und Weise der Geschäftsanbahnung hin zu einer gesteuerten Konversation mit den Kunden, was wiederum den Verkäufern hilft. Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie erfolgreich sind - denn das wirkt sich auch auf unseren Erfolg aus."

Megaprojekt Digitaler Backbone

Für eine digitale und technologische Funktion wie die des CIO ist die Unternehmensgröße von Heineken Chance und Herausforderung zugleich: Er ist mit allem betraut - von der Unterstützung bei der Entwicklung intelligenter Kühlschränke über die Kooperation mit dem Robotik-Team bis hin zur ERP- und Anwendungsmodernisierung in 85 operativen Gesellschaften.

Dabei ist Agilität für Ing Yan zu einem entscheidenden Faktor geworden - sowohl top-down als auch bottom-up: "In strategischer Hinsicht stimme ich mich mit dem Vorstand über die Einführung neuer, digitaler Strategien ab und arbeite eng mit dem CDO zusammen, der auch Teil des Boards ist." Zudem legt man im Konzern zunehmend Wert auf die Optimierung der Team-Performance: Der Konzern hat sich für flexibles Arbeiten in Teams entschieden, agile Methoden übernommen und zwei Produktteams für mehr als 80 Experimente eingeführt, in denen die Mitarbeiter Scrum und agile Arbeitsweisen erlernen können.

Das nächste große Vorhaben von Heineken besteht nun in einer ERP-Harmonisierung, die eine Gelegenheit bietet, die fragmentierte IT-Landschaft zusammenzuführen. Das neue digitale Rückgrat des niederländischen Brauerei-Riesen besteht aus einem schlanken SAP S/4HANA Core mit einer Reihe Cloud-basierter Business-Plattformen, die die bestehenden ERPs in 80 operativen Gesellschaften von Heineken ersetzen sollen. "Dieser Backbone befähigt unsere operativen Gesellschaften, nahtlose Kundenerlebnisse zu bieten, effiziente End-to-End-Prozesse voranzutreiben und eine marktübergreifende Skalierbarkeit sicherzustellen. Das wird es uns ermöglichen, den Wert der Daten innerhalb und zwischen den operativen Unternehmen zu maximieren", ist sich CIO Ing Yan sicher.

Die Entwurfs- und Aufbauphase wurde im Jahr 2022 abgeschlossen - im Jahr 2023 soll der digitale Backbone in ausgewählten Unternehmen getestet werden. Ab 2024 soll dann die Einführung anlaufen - mit dem ehrgeizigen Ziel, den Rollout in 85 Märkten bis 2030 komplett abgeschlossen zu haben.

"Ein enormer Kraftakt"

Neben Technologie und Management muss das Wachstum von Heineken jedoch auch von neuen Skills und einem Wandel der Unternehmenskultur gestützt werden. Um die Mitarbeiter auf der Digital Journey des Konzerns abzuholen, hat Heineken (unter anderem) die Lernplattform "Digifit" eingeführt.

"Das hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, den Kollegen die neue Ausrichtung von Heineken zu vermitteln", resümiert Ing Yan und fügt hinzu: "Im Jahr 2022 wurden 28.000 Schulungsmodule absolviert, die thematisch von grundlegenden Prinzipien der Digitalisierung bis hin zu komplexeren Themen reichten. "Wir führen auch Sessions mit den oberen und regionalen Managementteams durch, um ihnen zu vermitteln, wie sich die Welt verändern wird. Ich glaube, das hilft auch dabei, Support für die IT zu gewinnen."

Für die Zukunft sieht der CIO für Heineken im Wesentlichen die Herausforderung, einen Balanceakt zu meistern: "Einerseits müssen wir das digitale Backbone implementieren und erhebliche Integrations- und Orchestrierungsarbeiten bewältigen. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen mit einem komplizierten Arbeitsmarkt konfrontiert. Erstgenanntes zum Laufen zu bringen ist eine Sache - es dann aber in unsere operativen Unternehmen zu implementieren, die Arbeitsweisen, Aufgaben und Rollen zu verändern - das wird ein enormer Kraftakt." (fm)