CRM und BI: Gemeinsam stark

21.08.2001 von Daniela Hoffmann
MÜNCHEN (CW-EXTRA) - Business-Intelligence (BI) soll Customer-Relationship-Management- (CRM-) Lösungen aufwerten und vorhandene Daten in Wissen über den Kunden umwandeln.

Spätestens seit die Meta Group im letzten Jahr den Begriff vom "CRM-Ökosystem" mit den Feldern operative, analytische und kollaborative Anwendungen geprägt hat, spricht man von einem Funktionsmangel bei den klassischen CRM-Lösungen. Sie deckten zwar mit operativen Systemen zum Beispiel für die Sales Force Automation das Kampagnen-Management oder die Kontaktpflege kundenbezogener Prozesse ab, wiesen aber Lücken auf, wenn es um die Auswertung und Analyse der Informationen gehe, heißt es. Laut Meta Group beruht der analytische Part auf der Einrichtung von Data Warehouses, in denen kundenrelevante Daten aus

Front- und Back-Office-Systemen zusammen finden.

Laut Rüdiger Spies, Director Consulting & Principal bei der Meta Group, ergänzen sich BI und CRM: "Die traditionellen CRM-Ansätze basieren in der Regel nicht auf Data Warehouses, sondern auf Data Marts. Dadurch kann eine analytische Lücke entstehen, wenn nicht andere Systeme eingebunden werden." Ein Data Warehouse betrachtet er deshalb als Grundvoraussetzung für erfolgreiches Kundenbeziehungs-Management.

Business-Intelligence-Lösungen lassen sich zwar auch auf der Basis von operativen Systemen oder Data Marts implementieren, darunter leidet jedoch die Performance der Anwendungen. Als Stand der Technik gelten Data Warehouses, die sich in fachbezogene Data Marts untergliedern lassen.

In der Praxis sehe es häufig so aus, dass die Anwender verschiedene Einzelanwendungen für analytische Aufgaben im Einsatz hätten: "Wenn alle Produkte über XML-Schnittstellen verfügen, ist der Integrationsaufwand aber in der Regel vertretbar", so Spieß. Auch wenn viele Anwender lieber homogene Systeme hätten, kein Anbieter decke alle Bereiche ab, und beim Kampf um den Kunden zähle vor allem die Schnelligkeit.

Data Warehouses gehören jedoch nicht in erster Linie zur Domäne von CRM-Spezialisten, sondern sind eher das Standbein von Business-Intelligence-Herstellern. Sie haben daher auch eine günstige Ausgangsbasis für die Entwicklung von analytischen Applikationen im CRM-Umfeld. Die dritte, kollaborative Seite des CRM-Ökosystems steckt bei den meisten Unternehmen in der Praxis bisher noch in den Kinderschuhen, wird tendenziell aber auch von den BI-Herstellern übernommen. Dazu zählen die Integration der verschiedenen Kommunikationstechniken (E-Mail, SMS, Fax, Web-Formulare etc.) und die Einbindung von Kunden und Partnern in den Informationsfluss.

Lücken im analytischen Bereich

Zunächst hatten die Unternehmen mit dem Entwurf von CRM-Strategien und dem Aufbau operativer Systeme alle Hände voll zu tun. Nach dem ersten Kraftakt wird jetzt langsam der Bedarf an Analyse-Tools deutlich. Das Datensammeln macht schließlich nur dann Sinn, wenn sich die Informationen auch nutzbringend auswerten lassen: "Man kann von den Anwendern nicht erwarten, dass sie die neuen CRM-Systeme fleißig mit Daten füttern, ohne etwas dafür zurückzubekommen", meint Gilles Lunzenfichter, Marketing Director der Business Objects Deutschland GmbH. Seiner Ansicht nach steht und fällt erfolgreiches CRM mit der Möglichkeit, den Usern Ad-hoc-Anfragen und individuelle Auswertungen aus den vorhandenen Daten zu ermöglichen.

Die im analytischen Bereich entstandene Lücke erklärt sich vor allem dadurch, dass Unternehmensberater nach ersten gescheiterten Großprojekten empfahlen, die komplexe CRM-Technik in Teilschritten anzugehen. Experten halten umfassende Kunden-Management-Projekte für weitaus komplexer und zeitaufwändiger als eine ERP-Einführung, der man bisher das höchste Umsturz- und Chaospotenzial zuschrieb. Über die Reorganisation von Prozessen hinaus geht es hier um eine Neuausrichtung des betreffenden Unternehmens - weg vom Produkt und hin zum Kunden. Nicht zuletzt spielt die analytische Seite eine Rolle, wenn es darum geht, den Return on Investment (ROI) einer CRM-Lösung zu messen. Erst im April dieses Jahres haben die Marktforscher von IDC festgestellt, dass europäische Unternehmen Schwierigkeiten damit haben, den Nutzen solcher Systeme zu ermitteln. Der Grund: Die meisten Anwender hatten den analytischen CRM-Part

übersehen, so die IDC-Studie.

Nach Meinung von Angelika Güc, Marketing-Chefin bei Applix, wächst in den Unternehmen nun der Bedarf nach Auswertungssoftware. Aber obwohl dieser Trend erkennbar sei, werde kombiniertes CRM und BI bisher noch selten eingesetzt.

Anbieter aus beiden Bereichen sind sich mittlerweile darüber im Klaren, dass der Markt der analytischen CRM-Anwendungen groß ist. Andererseits ähnelt die Situation zurzeit dem frühen CRM-Markt, um den sich laut Marktforscher ERP-Hersteller und Spezialanbieter balgen sollten. Weil jede der Seiten etwas zu bieten hatte, das die andere nicht selbst in akzeptabler Zeit und mit angemessenem Aufwand zustande bringen konnte, verfiel man vorwiegend auf Kooperationen.

Ähnliches dürfte sich auch beim Run auf das Potenzial des analytischen CRM abspielen, denn kein Hersteller vermag beide Welten gleichermaßen gut abzudecken: BI-Anbieter können kein umfassendes operatives System aus dem Hut zaubern, und die CRM-Hersteller tun sich mit komplexer Technologie wie OLAP (Online Analytical Processing für mehrdimensionale Datenanalysen) schwer.

Hersteller machen sich fit

Siebel hat sich als einer der ersten CRM-Anbieter die Idee von operativen und analytischen Anwendungen aus einer Hand zu Eigen gemacht und die OLAP-Software von Business Objects mit Siebel "E-Business Analytics" übernommen. Daneben hat der CRM-Spezialist eine Kooperation mit dem BI-Anbieter Hyperion vereinbart. Geplant ist die Verknüpfung des "Essbase OLAP Server" mit den Siebel E-Business-Anwendungen. Auch Analyse-Pakete für das elektronische CRM von Hyperion sollen den Siebel-Anwendern zur Verfügung stehen, darunter Produkte zur Website- und Call-Center-Auswertung.

Beim amerikanischen Hersteller Applix liegen die Dinge anders, denn er hat von Haus aus sowohl die operative CRM-Suite "I-Enterprise" als auch das BI-System "ITM1" im Angebot. Bisher liefen die zwei Produktlinien getrennt nebeneinander. Die jetzt begonnene Verbindung der beiden Systeme soll bis Ende des Jahres vollzogen sein.

Den Versuch, alle CRM-Bereiche abzudecken, unternimmt auch die Software "Microstrategy". Obwohl die Nasdaq zu ihren Anwendern gehört, hatte der gleichnamige BI-Anbieter mit einem Kurseinbruch um gut drei Viertel unter seinesgleichen am meisten unter der Aktientalfahrt zu leiden. Hoffnungen, durch die Kooperation mit dem hierzulande wenig bekannten E-CRM-Anbieter Xchange im operativen Bereich groß zu werden, macht sich Dominik Hertzog, Marketing Manager Deutschland, gegenwärtig nicht.

Mehr Aussichten bieten dem Unternehmen Partnerschaften mit IBM (Websphere), Compaq (Zero Latency), J. D. Edwards und Brokat, welche die Anwendungen von Microstrategy als analytisches Backend für ihre Produkte einsetzen. Hertzog führt diese Kooperation vor allem auf die offenen Schnittstellen des OLAP-Tools zurück, die eine Integration mit anderen Anwendungen vereinfachten.

Zum Rundumschlag hat auch Peoplesoft ausgeholt. Dieser Hersteller bietet jetzt zu seiner operativen Vantive-Software die Applikations-Suite "CRM Analytics" an. Die neuen Tools sollen unter anderem bei der Bewertung von Marketing-Kampagnen, Verkaufsaktivitäten und dem Kundenservice helfen.

Der in North Carolina beheimatete Hersteller SAS Institute setzt seinen Schwerpunkt auf das Kampagnen-Management. Erst Ende März hatte SAS nach einer mehrjährigen Partnerschaft die Übernahme von Intrinsic bekannt gegeben. Data-Warehouse- und Data-Mining-Anwendungen von SAS sollen den analytischen, die Marketing-Automation-Software von Intrinsic den operativen Bereich abdecken. Darüber hinaus bietet das Unternehmen vordefinierte "Knowledge"-Lösungen zum Thema Customer-Relationship-Management an, bei denen die Auswertung der Web-Aktivitäten im Vordergrund steht. Auch die BI-Spezialisten Cognos und NCR haben den lukrativen CRM-Markt im Auge und sind mit Lösungen für bestimmte Aufgabenbereiche präsent.

Neben den Herstellern analytischer Anwendungen setzen zudem Branchengrößen wie IBM, Oracle und SAP auf die Anziehungskraft der Datenauswertung. Zu den IBM-Lösungen gehören unter anderem "Decisionedge" für das Relationship-Marketing und die Text-Mining-Software "Customer Relationship Intelligence" (CRI), mit der sich Informationen auch aus unstrukturierten Kundendaten gewinnen lassen sollen. Oracle will seine "9i"-Datenbank künftig mit BI-Anwendungen für Data Mining und OLAP verzahnen. In der zweiten Jahreshälfte soll das System auf den Markt kommen, das dazu dient, Anwendern über ein Portal Zugriff auf sämtliche Daten in ERP- und CRM-Anwendungen zu eröffnen. SAP kocht mit "Mysap Business Intelligence" und "Customer Relationship Analytics" sein BI-Süppchen für die hauseigenen CRM-Produkte.

Das Einsatzspektrum von BI-Anwendungen im CRM-Bereich ist vielfältig. Der Getränkehersteller Apollinaris & Schweppes beispielsweise nutzt seine Cognos-Lösung, um die Verkaufsergebnisse der einzelnen Getränkemarken zu verfolgen und mit allgemeinen Marktzahlen zu vergleichen.

Mit einer Applix-Anwendung spricht der bei Kindern wohlbekannte Stofftierhersteller Steiff seine Sammler-Kunden-Clubs gezielt durch Marketing-Aktionen an.

Internet-Broker Consors schickt seinen Kunden auf Wunsch Benachrichtigungen via SMS oder E-Mail, wenn sich ihre Aktien kritisch entwickeln oder ein Kauflimit erreicht ist. Hinter dieser Kommunikation steckt ein System von Microstrategy.

NCR Teradata sorgt mit BI sogar für den Datenschutz. Über den Privacy Protector können Anwender festlegen, welche Datenbankfelder für Abfragen tabu sind. Der "Relationship-Technology"-Anbieter unterstützt seine User aber auch beim ereignisgesteuerten Database-Marketing. Dabei lösen vordefinierte Ereignisse bestimmte Aktionen aus: Beispielsweise könnte eine Bank ihren Kundinnen ein Angebot über Sparfonds für die Ausbildung ihres Kindes zusenden, wenn sie Mutter werden.

Woher die Bank diese Information bekommt? In den Kontotransaktionen ist deutlich nachvollziehbar, wenn ein Gehalt über drei Monate nicht vom Arbeitgeber, sondern von der Krankenkasse überwiesen wird. Nicht alle Möglichkeiten der BI lassen sich allerdings für die Jagd auf den Kunden einsetzen: Sobald Verbraucher Grund haben, sich um den Schutz ihrer Daten zu sorgen, ist die mühsam gepflegte Beziehung gefährdet.

Ein weiterer beliebter BI-Bereich ist das Demand-Chain-Management. Damit sollen Kundenvorlieben und Markttrends so umgesetzt werden, dass Wünsche von Konsumenten schon in die Produktentwicklung einfließen. Die hierfür relevanten Informationen können an allen Stellen anfallen, an denen eine Interaktion mit dem Kunden stattfindet, also im Call Center ebenso wie in Marketing, Vertrieb und Service. Als nützliches Betätigungsfeld bietet sich zudem das Customer Value Management an. Es soll konkretes Wissen darüber liefern, welche Kunden den größten Wert haben, damit sich das Unternehmen ihnen zuwenden kann.

Dass die so genannten Analytic Applications im Kommen sind, zeigt eine IDC-Untersuchung. Der Markt für Analyse-Software soll demnach von zwei Milliarden Dollar in 1999 auf sechs Milliarden in 2004 anwachsen, eine jährliche Steigerung um rund 28 Prozent. Ein gutes Drittel davon entfällt laut den Marktbeobachtern auf Anwendungen für den CRM-Bereich.