Content-Management: Wege zum Erfolg

19.09.2005 von Jürgen Rentergent
Web-Content-Management ist inzwischen fester Bestandteil von Enterprise-Content-Management- Plattformen. Spezialisierte Produkte sind jedoch oft die bessere Wahl.

Lösungen für das Enterprise-Content-Management (ECM) basieren auf einer Kombination bewährter Produkte. Zu den wichtigsten Bausteinen einer ECM-Plattform zählen die elektronische Archivierung (Imaging), Computer Output to Laser Disk (COLD), Workflow/Business-Process-Management (BPM), elektronisches Dokumenten-Management (EDM/DMS), Web-Content-Management (WCM), elektronisches Formular-Management (E-Forms) und Collaboration. Jede dieser Kategorie ist für sich genommen bereits seit mehreren Jahren am Markt etabliert.

Hier lesen Sie ...

  • wie WCM-Funktionen im ECM-Kontext positioniert sind;

  • wie sich ECM und WCM bezüglich der Projektrahmenbedingungen unterscheiden;

  • warum eine ECM-Strategie den Einsatz einer effizienten WCM-Lösung verhindern kann;

  • welche Kriterien für einen integrierten ECM-Ansatz sprechen und

  • wann spezialisierte WCM-Produkte besser geeignet sind.

US-amerikanische Anbieter wie Interwoven und Vignette ge- hörten Ende der 90er Jahre zu den ersten Herstellern, die die Marktlücke WCM erkannten und Lösungen anboten, die eine einfache Content-Erstellung und -Veröffentlichung mittels Vorlagen (Templates) erlaubten. Dadurch wurde es jedem autorisierten Mitarbeiter möglich, ohne große technische Vorkenntnisse, Informationen für Interessenten, Kunden oder Geschäftspartner via Web zu veröffentlichen. Der Engpass des Web-Masters konnte so beseitigt werden. Mittlerweile gibt es weltweit mehrere hundert WCM-Produkte für sehr unterschiedliche Einsatzbereiche.

Ausweitung des Kerngeschäfts

Als vor wenigen Jahren führende DMS-Anbieter begannen, sich als ECM-Anbieter neu zu positionieren, erkannten diese, dass eine Ausweitung des Kerngeschäfts auf den Bereich WCM große Synergieeffekte und wichtige Alleinstellungsmerkmale bringen würden. Im Rahmen ihrer neuen ECM-Produktstrategie versuchten die Anbieter möglichst rasch, geeignete WCM-Funktionen in eine einheitliche Systemarchitektur zu integrieren, um so eine Lösung aus einer Hand anbieten zu können. Die meisten Hersteller akquirierten dazu Fremdprodukte, die dann schrittweise in die vorhandenen Architekturen eingebunden wurden. Beispiele dafür sind: Aptrix (jetzt IBM), eGrail (jetzt Filenet), Gauss (jetzt Open Text), Obtree (jetzt Ixos) und kürzlich Red Dot (jetzt Hummingbird). Nicht alle Anbieter haben diesen Integrationsprozess bereits vollständig abgeschlossen.

Abkehr vonInformationsinseln

Nicht zuletzt durch das Mantra der ECM-Anbieter hat sich inzwischen bei Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung die Meinung etabliert, dass ein Enterprise-Content-Management der Schlüssel zur Erfüllung von rechtlichen Vorschriften, zu höherer Produktivität in den Kernprozessen und zu Kostensenkung bei Entwicklung und Betrieb von Content-Management-Lösungen ist.

Pro und Kontra Für die Verwendung einer im ECM-System integrierten WCM-Komponente sprechen: Ein hoher Bedarf an Content-Integration zwischen Website und Unternehmensprozessen; gemeinsame Datenhaltung beziehungsweise vorgefertigte Schnittstellen ersparen die aufwändige Ankopplung einer fremden WCM-Lösung; Dokumente der Website müssen revisionssicher gespeichert werden; große Dokumentenmengen müssen langfristig archiviert werden; Dokumente erfordern einen komplexen Erstellungs- und Freigabeprozess, der sich sinnvoll nur mit den Collaboration- und Workflow-Funktionen des ECM-Systems aufsetzen lässt. Gegen die Verwendung einer im ECM-System integrierten WCM-Komponente spricht, wenn: es keine signifikante Content-Integration zwischen dem internen ECM und den Dokumenten der Website gibt; die Projekte zu aufwändig werden, weil WCM-Funktionen in den ECM-Gesamtrahmen eingepasst werden müssen - Einzellösungen sind hier schneller und preiswerter umzusetzen; die vorhandene WCM-Komponente sich unter Umständen nicht für die unternehmensspezifischen Anforderungen eignet; die Komplexität des ECM-Systems und die typischerweise langfristigen ECM-Planungsstrategien (Beispiel Archivierung) der im WCM-Projekt geforderten Dynamik und Flexibilität widersprechen; Spezialanforderungen wie Content Syndication, mehrsprachiger Content oder Personalisierung sich mit dem ECM-System nicht umsetzen lassen.

Die griffigen Argumente für die unternehmensweite Nutzung von Content, eine einheitliche Dokumentenspeicherung und eine Standardisierung auf wenige Anbieter und Produkte erscheinen auf Anhieb einleuchtend. Die Abkehr von Informationsinseln hin zu einer integrierten Datenhaltung bringt Vorteile bei der Suche und Weiterverwendung von Content. Die Standardisierung in Bezug auf Architekturen, Technologien und Schnittstellen für alle Content-Management-Projekte im Unternehmen senkt die die Kosten für Training, Lizenzen und Softwarepflege.

Getrieben durch die Vielfalt an Archivierungs- und DMS-Lösungen im Hause und die damit verbundenen Betriebs-, Integrations- und Migrationskosten haben zahlreiche Großunternehmen in den letzten Jahren eine individuelle ECM-Strategie erarbeitet.

Das Prinzip dabei: Die Anbieteranzahl soll minimiert werden. Nur noch große ECM-Hersteller wie Documentum, Filenet, IBM und Open Text mit ihrem jeweils umfassenden Produktportfolio können den neuen Anforderungen genügen. Dann scheint es auch nahe liegend, die WCM-Komponente des ausgewählten ECM-Lieferanten als Hausstandard zu etablieren. Bei näherer Betrachtung der Konsequenzen einer solchen, auf den ersten Blick logischen Entscheidung, werden jedoch Einschränkungen und Nachteile deutlich.

Sollen lediglich neue Informationen im Internet veröffentlicht werden, ohne dass umfangreiche Erstellungs- oder Integrationsanforderungen an den Content bestehen, so stellen Anwender häufig überrascht fest, dass bei einem integrierten ECM-Ansatz selbst kleine Projekte einen relativ hohen Aufwand für Konzeption, Planung und Umsetzung erfordern.

ECM-Projekte immer aufwändig

Das liegt zum einen daran, dass jede neue Funktionalität in den ECM-Gesamtrahmen eingepasst werden muss. So müssen alle typischen Archiv- und DMS-Themen wie Erfassungs- und Verwaltungsfunktionen am Client, Dokumentenformate, Aufbau der Indexstruktur, Zugriffsrechte, Recherche- und Suchfunktionen genau durchdacht und geplant werden.Damit soll gewährleistet sein, dass eine neue Teillösung reibungslos mit allen anderen Funktionen der ECM-Lösung zusammen arbeiten kann. Hinzu kommt, dass rechtliche und regulatorische Anforderungen - neudeutsch auch als "Compliance" bezeichnet - in das WCM-Projekt hineingetragen werden, obwohl dazu in vielen Fällen gar kein konkreter Anlass besteht.

Die komplexe Architektur von ECM-Systemen ist ein weiterer Grund, weshalb ihr Einsatz deutlich aufwändiger ist als der von spezialisierten WCM-Produkten. Typische ECM-Lösungen umfassen meist mehrere Server mit jeweils spezifischen Diensten. Durch dieses, für unternehmenskritische Anforderungen auch hochverfügbar ausgelegte Systemkonzept, werden ein gutes Antwortzeitverhalten und eine gute Skalierbarkeit bei wachsenden Anforderungen erreicht. Eingriffe in eine solche, auf hohe Betriebssicherheit ausgelegte Produktivumgebung, binden zwangsläufig mehr Personal, als das bei einer allein stehenden WCM-Lösung der Fall ist.

Frage nach der Eignung

Hinzu kommt, dass sich die im Rahmen einer ECM-Strategie verwendete WCM-Komponente nicht für alle Einsatzzwecke gleichermaßen gut eignet. Die Programme unterscheiden sich konzeptionell und funktional in Bereichen wie Rechte- und Rollensystem, Template-Verwaltung, Verwaltung von mehrsprachigem Content, Freigabeprozesse, User Interface für Autoren und Web-Entwickler, Suchfunktionen, unterstützte Web-Techniken und -Standards, Performance, Übersichtlichkeit und Einarbeitungszeit.

Insbesondere das verfügbare Know-how der Web-Designer und Web-Entwickler ist kritisch: So wird ein Anwender, der bislang HTML-basierende Seiten veröffentlicht und die Formatierung über Cascading Stylesheets (CSS) gesteuert hat, sich schwer tun, ein ECM-Konzept zu adaptieren, dass ausschließlich auf XML und entsprechenden XSLT-Transformationen beruht. Legt man sich im Rahmen einer ECM-Strategie auf einen Anbieter und damit auf ein WCM-Produkt fest, so hat man unter Umständen einen extrem hohen Projektaufwand zu betreiben, um dieses Programm tatsächlich in allen relevanten Anwendungsbereichen erfolgreich zum Einsatz zu bringen.

Unterschiedliche Strategien

Schließlich sollte noch ein spezieller projektbezogener Aspekt berücksichtigt werden, denn die ECM-Anforderungen klaffen besonders im Hinblick auf ihre Archiv- und WCM-Aufgabenstellung oft weit auseinander. Während eine Archivanwendung sorgfältig und im Detail langfristig geplant wird (zum Beispiel Dokumentenformate) und man dabei stark von konservativen Planungsansätzen ausgeht, ist im WCM-Projekt wesentlich mehr Dynamik und Flexibilität gefragt. Aufgaben müssen in relativ kurzer Zeit bewerkstelligt werden, dabei werden ständig neue Konzepte, Standards und Tools eingesetzt. Website-Verantwortliche empfinden allzu strikte Regelungen als absolut kontraproduktiv.

Integrationsarbeiten vermeiden

Trotz dieser gravierenden Nachteile gibt es in bestimmten Situationen gute Gründe, ein integriertes Konzept zu bevorzugen. Für die Wahl eines solchen Ansatzes spricht beispielsweise, wenn ein hoher Bedarf an Content-Integration zwischen der Website und den internen Unternehmensprozessen besteht. Durch die gemeinsame Datenhaltung oder zumindest aufgrund von Schnittstellen zwischen ECM- und WCM-Repository entfällt dann ein signifikanter Integrationsaufwand, den man bei einer fremden WCM-Lösung leisten müsste. Hier kann man prinzipiell zwei Fälle unterscheiden:

- Die Website soll Inhalte an andere Unternehmensprozesse liefern. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Bestelldaten einer E-Commerce-Lösung in der Auftragsabwicklung benötigt werden.

- Im umgekehrten Fall werden der Website Dokumente aus anderen Unternehmensprozessen zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Ein praktisches Beispiel hier ist ein in einem Workflow-Prozess erstelltes und freigegebenes Datenblatt zu einem Produkt, das auf der Website in den Produktkatalog des Herstellers eingebunden werden soll.

Auf die Dokumente kommt es an

Für ein in ECM integriertes WCM-Konzept spricht auch, wenn die Dokumente der Website revisionssicher gespeichert werden müssen, das heißt, dass ein Nachweis der Unverändertheit, Vollständigkeit und Authentizität der gespeicherten Informationen gefordert ist. Ebenso, wenn große Dokumentenmengen zur langfristigen Archivierung anfallen. Schließlich sollte man sich für den integrierten Ansatz entscheiden, wenn Dokumente komplexe Erstellungs- und Freigabeprozesse durchlaufen, die sich durch weite Teile des Unternehmens ziehen. Hier sind Collaboration- oder Workflow-Funktionen gefordert, die WCM-Produkte typischerweise nicht bieten.

Umgekehrt lassen sich die Indikatoren für den Einsatz spezieller WCM-Produkte folgendermaßen beschreiben: Es sollten nur wenige Anforderungen bezüglich der Content-Integration existieren, und jeglicher Einfluss auf die bestehende ECM-Lösung sollte vermieden werden. Dediziertes WCM ist auch dann angesagt, wenn Spezialanforderungen wie Content Syndication, mehrsprachiger Content, Personalisierung etc. vorliegen, die sich mit den ECM-Produkten nicht umsetzen lassen. Weitere Aspekte sind sehr kurze Projektrealisierungszeiten und hohe Anforderungen bezüglich einer Flexibilität bei der Wahl der Formate, Werkzeuge und Web-Technologien.

Analyse des Mehrwerts

Bei der Wahl des integrierten WCM/ECM-Ansatzes ist also entscheidend, dass man die Frage nach dem Mehrwert einer integrierten gegenüber einer spezialisierten Lösung schlüssig beantworten kann.

Was die Projektierung anbetrifft, so liegt es auf der Hand, dass Einzellösungen auf Basis geeigneter WCM-Produkte schneller und preiswerter umzusetzen sind als ein integriertes ECM-Konzept. Deshalb stellt sich auch bei Großunternehmen in der Praxis immer die Frage nach dem konkreten Nutzen einer integrierten ECM-Lösung. Zu klären ist, ob die Synergieeffekte groß genug sind, um den höheren Aufwand zu kompensieren.

In der Regel lohnt es sich nicht, eine integrierte ECM/WCM-Lösung einzuführen, wenn keine signifikante Content-Integration zwischen dem internen ECM und den Dokumenten auf der Unternehmens-Website erforderlich ist. Die Einschränkungen einer ECM-Lösung im Hinblick auf WCM-Funktionen sowie die Mehrkosten sprechen dann dafür, das Projekt mit einem dedizierten WCM-Produkt aufzusetzen und gegebenenfalls geeignete Schnittstellen zum ECM vorzusehen.

In diesem Kontext hat sich in der Praxis eine so genannte "Publishing"-Vorgehensweise bewährt. Hier werden die Vorteile von beiden Konzepten miteinander verbunden. Web-Publishing-Funktionen ermöglichen es, relevante Dokumente aus einer ECM-Lösung in eine Web- site zu integrieren. Dazu werden die von der ECM-Lösung verwalteten Dokumente zeit- oder regelgesteuert in eine zuvor festgelegte Verzeichnisstruktur auf dem Web-Server exportiert. Oft werden im gleichen Schritt automatische Formatkonvertierungen nach PDF oder HTML vorgenommen. Durch die WCM-Software erfolgt die Einbindung dieser Dokumente in die Website.

Vom ECM können neben dem Dateinamen weitere Metadaten in einer separaten Indexdatei mitgeliefert werden, die dann zur Laufzeit via Script ausgelesen werden. ECM-Anbieter unterstützen diese Vorgehensweise mit "Publishing-Tools", die auf der Basis von FTP oder WebDAV arbeiten. Der Vorteil dieses Konzepts liegt in seiner Einfachheit und Betriebssicherheit, eine Beeinträchtigung der ECM-Lösung unter Last- und Sicherheitsaspekten ist prinzipbedingt ausgeschlossen.