Der Markt für Systemhäuser

Computacenter und Bechtle vorne

08.10.2010 von Ronald Wiltscheck
Auch 2009 kehrte in der Systemhausszene keine Ruhe ein - im Gegenteil. Dennoch blieben die "alten Großen" auch die neuen.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der TDMi-Gruppe vor gut einem Jahr war sicher die herausragende Nachricht in der deutschen Systemhausszene. So taucht die letztjährige Nummer drei im diesjährigen Ranking der größten Systemhäuser in Deutschland nicht mehr auf. Mittlerweile wurden alle TDMi-Bestandteile anderen Systemhäusern zugeschlagen: Computacenter hat sich Becom geschnappt, Arxes landete bei Datagroup und Comparex bei Allgeier. Inforsacom agiert ab sofort wieder eigenständig und belegt im aktuellen Ranking der größten Systemhäuser den 13. Rang.

Die Unternehmen mit den bisher schon 'größten Fußabdrücken' blieben auch im Jahr 2010 die umsatzstärksten am Markt. (Bildquelle: Route66Photography - Fotolia.com)
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Ganz vorne blieb alles beim Alten, das heißt, Computacenter führt weiterhin die Liste der größten konzernunabhängigen Systemhäuser Deutschlands an, gefolgt von Bechtle. Beide Riesen mussten 2009 Federn lassen: Computacenter erzielte hierzulande um 2,4 Prozent geringere Erlöse, Bechtle musste einen Umsatzrückgang von 1,8 Prozent verkraften. Dafür kann aber Computacenter Deutschland in der diesjährigen Bilanz mit weit höheren Erlösen rechnen, denn 2010 werden die Umsätze der übernommenen TDMi-Tochter Becom mit berücksichtigt. 2005, im letzten Jahr ihrer Selbstständigkeit, hatte Becom knapp 150 Millionen Euro erlöst. Außerdem steht Computacenter schon heute finanziell sehr gesund da: 2009 haben die Kerpener einen operativen Gewinn von 22 Millionen Euro erwirtschaftet, das sind 21,9 Prozent mehr als 2008.

TOP 10 Der Markt für Systemhäuser im indirekten Vertrieb 2009 in Deutschland (nach Umsatz)

Unternehmen, Sitz

Umsatz in Millionen Euro

1. Computacenter AG & Co. oHG

1.056,0

2. Bechtle AG

921,6

3. Cancom IT Systeme AG

386,1

4. PC-Ware Information Technologies AG, Leipzig *

317,0

5. Allgeier Holding AG

237,0

6. Fritz & Macziol Software und Computervertrieb GmbH

200,0

7. Profi Engineering Systems AG

149,0

8. ADA-Das SystemHaus GmbH

145,0

9. Dimension Data Germany AG & Co. KG

120,0

10. Controlware GmbH

113,0

Die T-Systems fehlt hier, weil sie (siehe Text) nur mit einem Teilbereich aufgeführt wurde, dessen Umsatz sie nicht nennt. (Quelle: Firmenauskünfte)

Das Vorsteuerergebnis bei der Bechtle AG betrug europaweit 43,7 Millionen Euro, nach 61,5 Millionen Euro 2008. Angesichts der Krise, vor allem im Maschinenbausegment und in der Elektroindustrie, wo Bechtle traditionell viele Kunden betreut, ist das ein respektables Ergebnis.

Nicht überall Rückgänge

Nicht mit Umsatz- und Gewinnrückgängen hatte dagegen die neue Nummer drei unter den Top-Systemhäusern, Cancom, zu kämpfen. Die Einnahmen stiegen um fast ein Fünftel. Bereits ein Jahr davor hatte der ehemalige Apple-Reseller seinen Umsatz um 21,9 Prozent steigern können. Noch stärker, nämlich um 29,6 Prozent auf sieben Millionen Euro, legte 2009 das Betriebsergebnis (EBIT) der gesamten Cancom-Gruppe zu.

Bei der Berechnung der inländischen Umsätze im Vorjahr hat Cancom die Erlöse des Ende 2009 übernommenen Systemhauses Bürotex noch gar nicht berücksichtigt. Und das waren beileibe keine Peanuts: 2008 hat Bürotex 42,5 Millionen Euro umgesetzt, hinzu kommen noch die Erlöse der im April 2009 von Bürotex übernommenen SCC GmbH, 2008 waren das immerhin 36 Millionen Euro. Insoweit dürfte Cancom auch noch 2010 einen guten Sprung nach vorne machen.

Reißleine gezogen, Geschäft aufgegeben, MItarbeiter entlassen

Die von Cancom überholte PC-Ware AG hat damit kaum Chancen, wieder in die Top drei der deutschen Systemhäuser aufzusteigen. 2007 waren die Leipziger dort zum letzten Mal gelistet. Nach der Übernahme der PC-Ware AG durch die österreichische Raiffeisen Ende 2008 kam es in dem ostdeutschen Systemhaus zu gravierenden Veränderungen. Im Juni 2009 musste der Firmengründer und langjährige CEO, Knut Löschke, PC-Ware verlassen. Ganz offen kommunizierte das Systemhaus, dass es zwischen dem neuen Eigner und der alten Führung von PC-Ware "unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des Unternehmens" gab.

Im November 2009 kam es für PC-Ware noch dicker: Das Systemhaus zog die Reißleine und gab von einem Tag auf den anderen das komplette Handelsgeschäft mit Hardware auf. Insgesamt 170 Mitarbeitern in Deutschland wurde gekündigt. Dies führte dazu, dass sich PC-Wares Gesamtumsätze 2009 gegenüber 2008 um 7,2 Prozent verringerten. Zum ersten Mal hat PC-Ware die Umsatzzahlen für Deutschland nicht explizit kommuniziert, so dass wir gezwungen waren, die inländischen Erlöse der Leipziger zu schätzen. Ausgehend von dem 7,2-prozentigen Umsatzrückgang in allen Ländern dürfte die PC-Ware AG 2009 hierzulande etwa 317 Millionen Euro erlöst haben. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, dass sich PC-Wares europaweiter Gewinn vor Steuern 2009 auf magere 200.000 Euro belief; 2008 waren es noch über zwölf Millionen Euro.

Immerhin ist das zweite Quartal des Kalenderjahres 2010 für das Leipziger Systemhaus recht erfolgreich verlaufen: Ein Umsatzplus von 4,7 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal 2009 und ein Vorsteuergewinn von 3,1 Millionen Euro nach einem Minusergebnis im Vorjahreszeitraum kennzeichnen die Monate April bis Juni 2010.

Newcomer unter den Top Five

Auf dem fünften Rang der aktuellen Liste der größten Systemhäuser Deutschlands findet sich ein Neuling. Die Allgeier Holding AG tauchte bisher nicht in diesem Ranking auf. Mit der Übernahme der insolventen TDMi-Tochter Comparex in Deutschland hat sich das nun grundlegend geändert. "Pro forma" betrug der 2009er-Jahresumsatz der Allgeier Holding 2009 rund 250 Millionen Euro, im Inland waren es Unternehmensangaben zufolge 237 Millionen Euro. Die Bilanzzahlen nach dem IFRS-Abrechnungungsverfahren lagen leicht darunter: 223 Millionen Gesamtumsatz 2009.

Mit 200 Millionen Euro inländischem Jahresumsatz 2009 hat sich Fritz & Macziol knapp dahinter positioniert. Damit bekräftigten die Ulmer ihren schon seit Jahren andauernden Expansionskurs. Erst vor vier Jahren hat Fritz & Macziol die 100-Millionen-Euro-Umsatzgrenze überschritten.

Hinter den sechs führenden Systemhäusern tut sich eine große Lücke auf. Mit einem Rückstand von über 50 Millionen Euro belegt die Profi AG den siebten Rang - mit einem gegenüber dem Vorjahr fast unveränderten Jahresumsatz. Verantwortlich dafür sind die Neuorientierung der Darmstädter als "lösungsorientierter Anbieter" und eine damit einhergehende Abwendung "vom reinen Hardwareverkauf", wie Vorstand Michael Lackner gegenüber der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation betonte.

Während viele Systemhäuser ihre Zahlen und Geschäftsstrategien offen präsentieren, zeigt sich ADA - Das Systemhaus eher öffentlichkeitsscheu. Seit dem Management-Buyout durch den derzeitigen Geschäftsführer Karl Peter Büscher ist aus der Unternehmenszentrale in Willich nichts mehr zu vernehmen. Immerhin war im elektronischen Bundesanzeiger nachzulesen, dass ADA im Jahr 2008 genau 155,2 Millionen Euro umgesetzt hat - nach 148,8 Millionen Euro 2007. Daraus eine steigende Tendenz für das Jahr 2009 abzuleiten verbietet sich aber, da Branchengerüchten zufolge im Vorjahr ein großer Auftrag für ADA ausgelaufen war. Demnach dürften sich die Umsätze dieses Systemhauses 2009 etwa auf dem Niveau von 2007 befinden.

Während die Erlöse der neuen und alten Nummer neun, Dimension Data, zumindest in Deutschland weitgehend stabil blieben, konnte Controlware auf Rang zehn um fast zehn Prozent zulegen. Hinter der neu ins Ranking aufgenommenen SVA GmbH findet sich auf dem zwölften Platz ein alter Bekannter. Zwar gibt Insight die Umsatzzahlen für Deutschland nicht mehr explizit bekannt, sondern nur noch die Erlöse in Emea (Europa, Nahost und Afrika), doch dem elektronischen Bundesanzeiger ist zu entnehmen, dass das früher unter dem Namen Software Spectrum bekannte Systemhaus 2008 im Deutschland knapp 100 Millionen Euro umgesetzt hat. Ausgehend von einem Umsatzrückgang um 7,4 Prozent im Emea-Raum liegen die geschätzten Erlöse von Insight Deutschland 2009 bei knapp über 90 Millionen Euro. Damit rangiert das Systemhaus aus Ismaning bei München nur knapp vor Inforsacom.

Beachtenswerter Umsatzanstieg

Dieser letzte eigenständig agierende Bestandteil des zerschlagenen TDMi-Konglomerats hat es 2009 immerhin auf einen Jahresumsatz von genau 90 Millionen Euro gebracht. Aufgrund eines beträchtlichen Rückgangs der Erlöse um 13,7 Prozent fiel Ratiodata um zwei Ränge zurück. Ihren 15. Platz konnte hingegen die Datagroup halten - dank eines beachtenswerten Umsatzanstiegs um ein Achtel. Damit haben die Württemberger die Franken von MR Datentechnik überholt.

Zum ersten Mal nicht verbessern konnte sich hingegen dieses Jahr die ACP GmbH. Der deutsche Ableger des österreichischen Systemhauses hatte aber auch 2009 keine spektakulären Akquisitionen zu vermelden. Bleibt das so, dürfte ACPs 2007 verkündetes Ziel, 2010 unter die zehn größten Systemhäuser Deutschlands vorzustoßen, nicht mehr zu realisieren sein. Einen tiefen Absturz von Rang elf auf 20 musste die Comline AG aus Hamburg hinnehmen. Die Konzentration auf das SAP- und Dienstleistungsgeschäft war offenbar mit Umsatzeinbußen in Höhe von 14,6 Prozent verbunden.

Leichte Erlösrückgänge in Höhe von minus 6,4 Prozent musste auch Datalog verkraften, deshalb fielen die Münchner um drei Plätze zurück. Gerade noch unter die Top-25-Systemhäuser Deutschlands schaffte es Pan Dacom - nach einem Umsatzminus von über elf Prozent. Zum ersten Mal unter den großen 25 ist dagegen Hönigsberg & Düvel gelistet - dank eines Anstiegs der Erlöse um stolze 16 Prozent. Nicht mehr dabei ist Bürotex, da von Cancom übernommen. Auch Bissinger, Concat, Damovo sowie Raber & Märcker haben es nicht mehr unter die 25 größten Systemhäuser Deutschlands geschafft.

Europas Top Ten

Erweitert man den Blick auf Europa, ist wie in den drei Vorjahren T-Systems das größte Systemhaus. Die Telekom-Tochter steht dabei nur mit ihren "Computing- und Desktop-Services" im Wettbewerb. Das ist das Geschäftsfeld, auf dem sich die Bonner mit den anderen Systemhäusern messen müssen. Für die anderen Segmente "Systems Integration" und "Telecommunications" gilt das nicht. Übrigens, im ersten Halbjahr 2010 durfte sich T-Systems wieder über steigende Erlöse freuen.

Europas Nummer zwei unter den Systemhäusern, Computacenter, musste 2009 kräftige Umsatzabschläge hinnehmen. Auf Basis des Pfund-Euro-Umrechnungskurses vom 31. Dezember 2009 fiel der Umsatz der Computacenter-Gruppe um 12,7 Prozent. Beim Vergleich der Erlöse 2008 und 2009 in Britischen Pfund belief sich der Rückgang lediglich auf 2,2 Prozent. Als Ursache für die Einbußen gibt Computacenter die Entscheidung an, sich in Großbritannien komplett aus dem Distributionsgeschäft zurückzuziehen. Immerhin stieg dafür der Gewinn der Gruppe in Europa gegenüber 2008 um 25,8 Prozent auf 54,2 Millionen Pfund an.

Das drittgrößte Systemhaus Europas blieb Dimension Data - und das trotz eines Umsatzrückgangs um 14,4 Prozent auf Euro-Basis (Umrechnungskurs vom 31. Dezember 2010). Mittlerweile ein Bestandteil des japanischen Telekommunikationskonzerns NTT (Nippon Telegraph and Telephone Corporation), bilanziert Dimension Data in US-Dollar. In dieser Währung gab es im Vergleich zu 2008 ein Erlösminus von knapp zwölf Prozent.

Phänomenaler Umsatzzuwachs

International hatte Bechtle Umsatzeinbußen von 3,6 Prozent zu verkraften; damit konnten die Schwaben den vierten Rang im Top-Ten-Ranking Europas halten. Die neue Nummer fünf in Europa ist PC-Ware, und das trotz eines Erlösrückgangs der Gruppe um 7,2 Prozent. Aber die Leipziger setzten Emea-weit 1,2 Millionen Euro mehr um als Europas letztjährige Nummer fünf Insight um. 2009 hatten die Ismaniger noch knapp (700.000 Euro mehr Umsatz als PC-Ware) die Nase vorn.

TOP 10 Die zehn größten international tätigen Systemhäuser mit starker Präsenz in Deutschland (nach Umsatz)

Unternehmen, Sitz

Umsatz in Millionen Euro

1. T-Systems, Bonn

3.835,0

2. Computacenter, Hatfield, Großbritannien

2.815,0

3. Dimension Data, Johannesburg, Südafrika

2.757,9

4. Bechtle AG, Neckarsulm

1.379,3

5. PC-Ware AG, Leipzig

826,2

6. Insight Technology Solutions, Ismaning

825,0

7. Cancom AG, Jettingen-Scheppach

422,5

8. ACP Holding, Wien

335,0

9. Allgeier Holding AG, München

250,0

10. Fritz & Macziol, Ulm

220,0

Die Umsatzanteile beinhalten die in Deutschland erwirtschafteten Geschäftsergebnisse. (Quelle: Firmenauskünfte)

Gleich zwei Plätze gut machen konnte dagegen Cancom - dank eines phänomenalen Umsatzsprungs um 19,3 Prozent. Damit überholten die Bayern sowohl die österreichische ACP-Gruppe als auch das insolvente (und nicht mehr gelistete) TDMi-Konsortium. Dafür kam nun Allgeier neu in das Ranking der zehn größten europäischen Systemhäuser mit starker Präsenz in Deutschland. Fritz & Macziol blieb da nur Rang zehn - und das trotz eines europaweiten Umsatzanstiegs um zehn Prozent.