Die Abrissfahrzeuge seien schon unterwegs, um die ersten misslungenen Sharepoint-Projekte beiseite zu räumen, berichtet Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer des in München beheimateten Dienstleisters Beck et al. Services. Der Grund liege aber weniger in etwaigen Mängeln des Microsoft-Produkts, sondern in der einseitigen Herangehensweise der Anwenderunternehmen. Die Möglichkeit zur Verbesserung der internen und externen Zusammenarbeit, kurz Collaboration, sei ein strategisches Thema, kein vordergründig technisches. Wer diesen Aspekt bei der Projektplanung und -umsetzung vernachlässige, werde seine Ziele kaum erreichen.
Beck et al. ist der Auftraggeber einer Studie, die er den renommierten Marktforschungsunternehmen Berlecon Research und Pierre Audoin Consultants (PAC) anvertraut hat. Seine Absichten definiert der IT-Serviceanbieter folgendermaßen: Zum einen wollte er Aufmerksamkeit für das Thema Collaboration erzeugen, zum anderen Argumente für IT-Verantwortliche liefern, die vorhaben, sich intensiv damit zu beschäftigen. Last, but not least war ihm daran gelegen, herauszufinden, was in den Unternehmen State of the Art ist und was die CIOs wirklich interessiert. "Wir wollten ein Gegengewicht zu den zahlreichen Umfragen bilden, die nur zu Marketing-Zwecken veröffentlicht werden", sagt Lautenbacher.
Tatsächlich erscheint die Umfrage sorgfältig geplant und umgesetzt: PAC und Berlecon befragten zwischen Februar und April dieses Jahres 100 IT-Verantworliche aus Unternehmen, die hierzulande mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen. "Das ist die Größenordnung, die uns interessiert", so Lautenbacher. Statt der üblichen Internet-Fragebögen arrangierten die Marktforscher Telefon-Interviews. Auf diese Weise ließ sich sicherstellen, dass die Daten tatsächlich von IT-Entscheidern stammen. Mit einigen Teilnehmern führten PAC und Berlecon zusätzliche Vertiefungsgespräche. Die Erkenntnisse daraus sind in die Studie eingeflossen.
Die Ergebnisse der Umfrage lassen sich in zehn Kernthesen zusammenfassen:
Die Botschaft ist angekommen
Die IT- und Business-Entscheider haben die Wichtigkeit des Themas Collaboration erkannt. Vier von fünf der befragten Unternehmen haben vor, in den kommenden zwei Jahren Geld dafür auszugeben - viele nicht zum ersten Mal, sondern um vorhandene Systeme zu ersetzten oder zu erweitern. Fast jeder zweite Befragte denkt daran, den Dokumentenaustausch im Web zu vereinfachen. Auch Video- und Web-Konferenzen stehen auf der Agenda: Zwei Drittel der Umfragteilnehmer wollen hier investieren. Und ein Drittel plant, Enterprise-2.0-Anwendungen auf- oder auszubauen, um die Zusammenarbeit zu fördern.
Kostenvorteile sind abgeschöpft
Die formulierten Ziele nehmen sich durchaus strategisch aus. An der Spitze rangieren die Vernetzung der Mitarbeiter über Standortgrenzen hinweg sowie die Möglichkeit, Teamarbeit zu fördern und die Produktivität zu steigern. Kosten sparen oder das E-Mail-Aufkommen reduzieren sind nachgeordnet. Dazu Latenbacher: "Die Quick Wins, sprich: Kostenvorteile, wurden mit Hilfe von Video- und Web-Konferenzen bereits abgeschöpft." Jetzt werde das Thema Collaboration auf eine Ebene gehoben, "wo die IT tatsächlich ein Business-Enabler ist".
Das bislang Erreichte ist zu wenig
Offenbar sind viele Unternehmen mit den bisherigen Ergebnissen ihrer Collaboration-Bemühungen nicht zufrieden. Wie der Autor der Studie, Andreas Stiehler, herausstellt, stufen zwei Drittel der Befragten das Ziel "effizientere Nutzung vorhandener Tools und Anwendungen" als wichtig oder sogar sehr wichtig ein. Das lasse sich allerdings auch so interpretieren, dass die Anwender zu der Erkenntnis gelangt seien, die Implementierung neuer Tools allein reiche nicht aus, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
Collaboration ist kein IT-Projekt
Trotzdem überwiegt immer noch das Tool-Denken. Wie die Urheber der Studie betonen, wird das strategische Thema Zusammenarbeit in Rahmen der Projektplanung und -umsetzung häufig auf die Einführung eines Softwarewerkzeugs reduziert, also auf ein klassisches IT-Projekt mit 1000 Team-Sites, hinter denen sich der eigentliche Wert so lange versteckt, bis er in Vergessenheit gerät, so Beck-et-al.-Geschäftsführer Lautenbacher.
Sein Rat an die IT: Nicht gleich alles über einen Kamm scheren und bis ins Detail kontrollieren wollen, sondern erst einmal "Grassroot Development" versuchen. Für die Unternehmen sei es besser, unterschiedliche Tools auszuprobieren, bevor sie sich auf eine Plattform festlegen. Irgendwann werde dann von selbst ein IT-Projekt daraus.
User-Bedürfnisse kommen zu kurz
Was die Anwender wollen, wird zu wenig berücksichtigt. Neben der Binsenweisheit von der notwendigen Unterstützung durch das Topmanagement ist die Akzeptanz der Endanwender das wichtigste Kriterium für den Erfolg eines Collaboration-Vorhabens. "Ist das Werkzeug zu kompliziert, büchsen die Leute aus und nutzen doch wieder Skype oder etwas anderes, das sie kennen", hat Lautenbacher festgestellt. Insofern erstaunt es, dass der Punkt "Bedarfsermittlung bei den Endanwendern" in der Bewertung von Umsetzungsmaßnahmen höchstens eine Nebenrolle spielt.
Wer zu viel will, scheitert
Falsch verstandene Collaboration kann auch zum "Flaschenhals" für die Innovationsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens und sogar zur Effizienzbremse werden, so die Studie. "Wenn ein Mitarbeiter erst 25 Routinen durchlaufen muss, bevor er ein Dokument ordentlich ablegen kann, schickt er doch lieber ein E-Mail", erläutert Lautenbacher. Zudem habe die angestrebte Transparenz den Nachteil, dass auch etwaige Unsicherheiten im Umgang mit dem Tool sichtbar würden: "Und keiner will sich als unfähig outen." So verkehren sich gute Ansätze schnell ins Gegenteil.
Integrierte Pakete sind Mogelpackungen
Die Tools sind häufig komplex und schlecht integriert - sogar in Komplettpaketen, wie Lautenbacher anmerkt. Der Studie zufolge nutzen zwei Fünftel der Anwender integrierte Collaboration-Angebote; zwei Drittel davon haben sich für Microsoft entschieden, jeweils 13 Prozent für IBM (Notes) oder Cisco.
Studienautor Stiehler empfiehlt diese Option gegenüber dem aus seiner Sicht aufwendigeren Best-of-Breed-Ansatz. Lautenbacher hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Schnittstellen der Pakete von der Stange keineswegs so reibungslos funktionieren, wie es die Hersteller versprechen. Auch deshalb empfiehlt er, sich bei der Tool-Auswahl Zeit zu lassen und erst einmal Erfahrungen mit weniger kostspieligen Produkten zu sammeln: "Und wenn es dann eben Sharepoint oder Ähnliches sein soll, muss man deren Möglichkeiten auch voll ausschöpfen."
Andere IT-Systeme sind kaum gekoppelt
Außerdem hapert es vielfach noch am Zusammenspiel von Collaboration- und anderen IT-Komponenten. In den meisten Unternehmen existieren derzeit zwei Welten nebeneinander: hier die "produktiven" Anwendungen, dort die Collaboration-Systeme. Nur 42 Prozent der Studienteilnehmer haben bereits Collaboration-Werzeuge in ihre Prozessanwendungen integriert. Etwa genauso viele geben an, sie hätten ihre Telefonie mit dem Collaboration-System in Einklang gebracht.
Consumer-Tools verbieten ist zwecklos
Der Einbindung von Internet-Diensten und Social-Media-Anwendungen - Facebook, Skype, Twitter & Co. - stehen die IT-Verantwortlichen eher skeptisch gegenüber, so weist die Studie aus. Zum Teil sei diese Zurückhaltung auch angebracht, weil diese Technologien für den Consumer-Markt entwickelt und noch nicht an die Sicherheitsanforderungen von Unternehmen angepasst seien, urteilt die Studie. Ein generelles Verbot dieser Werkzeuge sei allerdings nicht zu empfehlen.
Es bestehe sonst die Gefahr, dass die Tools an der IT vorbei implementiert würden und sich die Sicherheit sogar noch verschlechtere. Zudem sei ein Unternehmen, dass Consumer-Anwendungen pauschal verbanne, unattraktiv für jüngeren Arbeitnehmer. IT-Verantwortliche sollten deshalb prüfen, ob sie nicht besser ihre Sicherheitsrichtlinien der Realität anpassen, anstatt das Gegenteil zu versuchen.
Externe Vernetzung ist Mangelware
Die Vernetzung außerhalb des Unternehmens, also mit Kunden oder Partnern, fristet in den meisten Unternehmen noch ein Mauerblümchendasein. Nur 31 Prozent der Befragten haben hier bereits Erfahrungen. Auch die Frage nach kurzfristig geplanten Investitionen in diesen Bereich beantworteten 65 Prozent negativ. Vermutlich wollen die meisten Unternehmen erst einmal die Kinderkrankheiten der Technologie innerhalb des eigenen Unternehmens auskurieren, bevor sie ihre externen Partner damit infizieren.
Soweit die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage. Wer es genauer wissen will, findet die Studie zum Download auf der Seite von Beck et al. Services.
Ähnliche Befragungen plant das Dienstleistungsunternehmen auch zu zwei anderen Themen, in denen es besonders aktiv ist. Es handelt sich um Enduser Experience und Infrastructure. Die Ergebnisse sollen später in diesem Jahr veröffentlicht werden.