Collaboration ergänzt persönliche Produktivität

27.02.2007 von Wolfgang Miedl
Microsoft möchte sein Office-Paket schon lange für mehr als bloß die persönliche Produktivität positionieren. Erst mit der neuesten Ausführung der Software gelingt den Redmondern das überzeugend.
Zu den neuen Rollen von Office gehört es, als Frontend für Business-Anwendungen zu fungieren. Ein dafür häufig genutzer Client ist Outlook.

Das Gespann aus Word, Excel und Powerpoint gilt immer noch als Basisausstattung für den Büroarbeitsplatz. Microsoft besetzt unter dem Office-Label laut Forrester mittlerweile 400 Millionen Desktops und holt dadurch mit zehn Milliarden Dollar knapp ein Viertel seines Jahresumsatzes herein. Ausruhen kann sich Microsoft auf diesen Lorbeeren indes nicht, denn den seinerzeit zumeist harmlosen Rivalen wie Wordperfect oder Lotus Smartsuite sind in jüngerer Zeit ungemütlichere Gegner unter den Bannern von Open Source und Internet nachgefolgt.

Open Office beispielsweise, dessen Wurzeln im deutschen Star Office liegen, tritt als kostenlose Rich-Client-Alternative gegen Microsoft Office an und muss sich mit seinem Funktionsumfang nicht verstecken. Eine zweite Front entsteht gerade durch die Web-basierenden Büroanwendungen, deren Vertreter wie Google Text & Tabellen oder Zoho insbesondere mit einfach zu bedienenden Collaboration-Funktionen aufwarten. Angesichts dieser sich abzeichnenden Marktentwicklung hatte Microsoft bereits mit Office XP/2002 eine neue Richtung eingeschlagen, um die ehemals reine Desktop-Suite um Services und Server-Produkte zu erweitern.

Mit dem nun vorliegenden Office System 2007 stellt sich Microsoft breiter denn je auf: Im Kern besteht es noch aus den Klassikern Word, Excel, Outlook & Co., doch schart sich drumherum eine üppige Ansammlung von Servern, Web-Diensten und Entwicklungswerkzeugen. Nach Einschätzung von Forrester-Analyst John Rymer positioniert Microsoft sein Office-System nun noch klarer als zuvor als Entwicklungsplattform für Geschäftsanwendungen. Die Strategie der Redmonder sei demnach durch drei wesentliche Elemente gekennzeichnet:

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gegen welche neuen Gegner Microsoft seine Vormachtstellung bei Office-Software verteidigen muss;

wie Microsoft das Versprechen einer integrierten Plattform einlösen möchte;

welche Vorteile die Entkopplung von Anwendungen und Dateiformaten bieten;

wo Office die Konzepte des Web 2.0 aufgreift;

welche neuen Komponenten die Integration von Business-Anwendungen erleichtern.

- Transformation von einer Anwendungs-Suite in ein System: Office 2007 ist bereits das dritte Release im Rahmen einer langjährigen Roadmap. Entwickler können mittlerweile Outlook, Word und Excel als Benutzeroberflächen im Zusammenhang mit Geschäftsprozessen, Transaktionen, Content-Management und anderen Back-Office-Lösungen einsetzen. So erübrigt sich der Aufbau eigener Anwendungsoberflächen, zudem steigert der hohe Bekanntheitsgrad auch die Akzeptanz bei den Benutzern.

- Anpassung an die Microsoft-Plattform und an Dynamics: Office 2007 räumt mit der komplizierten Infrastruktur früherer Versionen auf und orientiert sich nun an den Plattformkomponenten .NET Framework 2.0/3.0, ASP.NET, Sharepoint Server 2007, Windows Sharepoint Services und SQL Server. Die Dynamics-Suite klinkt sich hier ebenfalls ein, so dass immer mehr Microsoft-Anwendungen auf einem nahezu identischen Anpassungs- und Erweiterungsmodell fußen.

- Office findet Anschluss an die Microsoft-Tools: Das Gros der Microsoft-Entwicklergemeinde arbeitet mit Visual Studio, nur eine kleine Spezialistenschar entwickelt für Office. Mit Office 2007 schließt Microsoft nun diesen Graben, indem es Office als eine Art Premium-Komponente innerhalb der Anwendungsplattform positioniert.

Offene Zweierbeziehung

Ein zentraler Kritikpunkt an Microsoft Office betraf in der Vergangenheit die enge Koppelung zwischen den monolithischen Applikationen und deren proprietären Dateiformaten: Ein Word-Dokument etwa konnte im Prinzip nur mit Word erstellt und mit Word gelesen werden. Das schränkte auf der einen Seite Entwickler ein, die etwa auf programmatischem Weg Office-Daten am Server generieren oder verändern wollten. Auch auf der Nutzerseite musste bisher das Office-Paket installiert sein, damit man mit Office-Dateien arbeiten konnte, ein Zugriff per Browser war lediglich mit speziellen Plug-ins möglich. Diese erzwungene Symbiose hat Microsoft mit Office 2007 weitgehend aufgelöst. Entwicklern stehen mit den "Visual Studio 2005 Tools for Office" umfangreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um Word- und Excel-Daten auch ohne die dazugehörigen Desktop-Applikationen zu verarbeiten.

Auch die Office-Applikation selbst bildet nun keine geschlossene Einheit mehr. Stattdessen präsentiert sich Office 2007 als Komponentenbaukasten, den Microsoft als Alternative zur üblichen Programmierung auf Basis von Windows Forms verstanden haben möchte. Die neuen Office-Legosteine - wozu etwa das neuartige Funktionsband (Ribbon), Galerien sowie allgemeine Steuerelemente zählen - bieten sich insbesondere für den Bau von Programmoberflächen an, wobei XML-Dateien im Hintergrund das tragende Gerüst bilden. Auch die bereits mit Version 2003 eingeführte vertikale Aufgabenleiste präsentiert sich noch flexibler programmierbar, was in Verbindung mit Server-basierenden Repositories ein weites Feld für Unternehmensanwendungen eröffnet.

Office statt Browser

Auch beim Trendthema Rich Internet Applications und Web 2.0 möchte Microsoft mit Office 2007 mitreden. Als Basistechnologien sind hierbei ASP.NET und das Ajax-Entwicklungs-Framework Atlas verfügbar. Drei Szenarien stehen hier im Vordergrund:

- Word- und Excel-Dokumente anstelle von HTML: Statt mit dem Browser greifen die Anwender mit Office-Applikationen auf Server-generierte Dokumente zu. Die neuen Caching-Funktionen ermöglichen ein automatisches Nachladen von am Server verwalteten Daten sowie eine inkrementelle Aktualisierung von lokalen Dokumenten über den Server.

- Formulare lassen sich nun nicht nur im Infopath-Fat-Client bereitstellen, sondern mittels eines neuen Servers auch im Browser oder in anderen Office-Applikationen.

- ASP.NET kann neben HTML auch Word- und Excel-Dokumente am Server erzeugen und manipulieren. In Verbindung mit der Caching-Architektur ist eine kombinierte Online/Offline-Arbeit mit Office-Dokumenten möglich.

Anleihen beim Web 2.0

Die im Web-2.0-Zusammenhang bekannt gewordenen Wikis und Blogs finden nun ebenfalls im Office-System Unterstützung. Wikis dienen der gemeinschaftlichen Arbeit vieler Beteiligter an einem Informationsportal - Beispiel Wikipedia. In Blogs hingegen richtet sich hingegen üblicherweise ein Einzelautor mit Beiträgen an sein lesendes Publikum. Der Sharepoint Server 2007 unterstützt beide Konzepte, indem er neue Vorlagentypen für Wikis und Blogs enthält, die sich mit wenigen Mausklicks als neue Site einrichten lassen.

Ein weiteres Kapitel schlägt Microsoft mit den "Office Business Applications" (OBA) auf. Gemeinsam mit SAP wurde hier bereits 2006 das Referenzprojekt "Duet" vorgestellt. Darin spielt Outlook die Rolle eines Frontends für SAP-Backend-Services. Zukünftig soll das OBA-Konzept für alle Arten von Geschäftsanwendungen gelten, wobei Office-Anwendungen mit beliebigen ERP-, CRM- oder SCM-Anwendungen kommunizieren. Kernstück der Office-Business-Applikationen ist der "Business Data Catalog" (BDC), ein Bestandteil des Sharepoint Servers. Der BDC dient als Abstraktionsschicht, die Daten in Form allgemeingültiger Geschäftsbegriffe wie "Rechnung", "Bestellung" oder "Kunde" definiert, um sie in einer ERP-Umgebung den Benutzern und Programmierern zur Verfügung zu stellen.

Ausblick

Mit Office 2007 hat Microsoft sein Büropaket erstmals durchgängig in seine Plattform integriert. Damit geht das Unternehmen nun einen größeren Schritt weg von der angestammten Desktop-Produktivität hin zu individuelleren, kollaborativen und geschäftlichen Anwendungen. Für Forrester-Analyst Rymer zeichnen sich - davon ausgehend mehrere Trends für die nächsten Jahre ab. Zum einen sollte Microsoft die Rollenverteilung zwischen Office, Atlas und den gehosteten "Live"-Diensten klären, weil hier aus Entwicklersicht noch einige Inkonsistenzen bestehen.

Zum anderen liefert der "Business Scorecard Manager" einen ersten Einblick in eine neue Art von Applikationen im Sektor Business Intelligence. Zukünftig wird hier mit weiteren vergleichbaren Lösungen auf Office-Basis gerechnet.

Microsofts Luxusproblem

Microsoft hat ein süßes Problem: Die hauseigene Office-Suite hat einen Marktanteil von über 90 Prozent und bietet mehr Funktionen, als die meisten Anwender brauchen. Selbst mit viel Phanatasie fällt es schwer, sinnvolle Verbesserungen zu ersinnen, die den Benutzer zum Kauf eines Updates anreizen sollen -Irrlehren etwa von einer mitdenkenden Software mit lästigen virtuellen Assistenten (Stichwort: Karl Klammer) schwört Microsoft selbst längst ab. Auch wenn Office 2007 nun mit der Oberfläche "Fluent" überraschend ein neues Bedienkonzept einführt, liegt die Zukunft von Office ganz klar jenseits des Bereichs der persönlichen Produktivität. Für den weiteren Ausbau des Office-Systems zeichnen sich nun vier (Aus-)Wege ab:

- Teamapplikationen sollen insbesondere im geschäftlichen Alltag die Zusammenarbeit von Information-Workern vereinfachen;

- als Frontend für Geschäftsanwendungen soll das nun modulare Office im Bereich etablierter ERP- und CRM-Systeme für mehr Benutzerfreundlichkeit sorgen;

- als Frontend für .NET-Anwendungen soll Office allen Entwicklern die Arbeit erleichtern, indem es als Baukasten für Oberflächenkomponenten dient;

- als allgemeine Entwicklungsplattform empfiehlt sich Office 2007 dank der nun vollzogenen vollen Integration in die .NET-, Visual-Studio- und Server-Infrastruktur.

Das gemeinsam mit SAP betriebene Projekt "Duet" deutet die weiteren Integrationsoptionen auf Office-Basis erst an. Hier erwarten Analysten in absehbarer Zeit eine generische Lösung, die nach und nach zusätzliche Möglichkeiten des Datenzugriffs und der Datenintegration auf Basis von Office-Servern eröffnen wird. Zukünftige Office-Versionen werden Exchange, "Groove", Instant Messaging, VoIP, Session Initiation Protocol (SIP) und die Windows Presentation Foundation (WPF) zusammenführen. Die Büroplattform wird dann Entwicklern ein einheitliches Framework sowie individuell anpassbare Anwendungen bieten, die auf den Fundamenten Windows Server, SQL Server, Biztalk und dem Sharepoint Server fußen. (ws)