"Office 2013"

Cloud wird Basis für Microsofts neue Office-Generation

17.07.2012 von Martin Bayer
Die Cloud wird in Microsofts künftiger Office-Strategie eine zentrale Rolle spielen. Dafür kündigte der Konzern neue Pakete seiner Cloud-Variante "Office 365" an. Wenig konkret blieben dagegen die Aussagen, in welche Richtung sich die klassischen Office-Pakete künftig entwickeln werden.

"Die neue Generation von Office wird in erster Linie ein Service sein", verkündete Microsoft-CEO Steve Ballmer anlässlich der Vorstellung der künftigen Office-Linien in San Francisco. Damit setzt der Chef des weltgrößten Softwarekonzerns einen neuen Entwicklungskurs für seine umsatzstärkste Produktlinie. Bis dato wurden die Büroanwendungspakete aus dem Hause Microsoft in erster Linie als klassische On-Premise Anwendungen verkauft. Dieses Lizenzgeschäft hat dem Konzern aus Redmond in der Vergangenheit eine Menge Geld eingebracht.

Doch die Grundvoraussetzungen für das Office-Geschäft haben sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Mit Apples iPad etablierte sich mit dem Tablet ein neues Device im Markt, das zunehmend auch im Business-Bereich eine immer wichtigere Rolle spielt. Klassische Rechnerplattformen wie der Desktop-PC und Notebooks dominieren zwar nach wie vor den Business-Alltag, werden von den Anwendern aber zunehmend mit weiteren Geräten wie Tablets ergänzt.

Microsoft zufolge nutzen bereits drei Viertel der Anwender zwei Geräte, über die Hälfte hantiere mittlerweile schon mit drei Devices. Neben der neuen Gerätevielfalt muss sich der Softwarehersteller in seinem Portfolio zudem auf neue Softwarebezugsmodelle wie beispielsweise Software-as-a-Service (SaaS) einstellen. Kunden fordern mehr Flexibilität und wollen Software schnell und einfach nutzen können - ohne aufwendige Implementierungsprojekte.

Mit einer neu justierten Office-Strategie versucht Microsoft diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Ballmer sprach von "aufregenden Zeiten" und verwies auf zahlreiche neue Produkte, die der Konzern zuletzt in schneller Taktung vorgestellt habe, von Windows 8, dem eigenen Tablet "Surface" über Windows Phone 8 und einer neuen Version der Suchmaschine "Bing" bis hin zu zahlreichen neuen Server-Produkten.

"Ambitioniertestes Office-Release aller Zeiten"

An dieser Stelle reiht sich nun auch ein neues Office ein. Aus Sicht des Microsoft-Lenkers handelt es sich dabei nicht nur um eine neue Version, sondern vielmehr um eine komplett neue Generation des Büropakets. Schon im Zusammenhang mit dem zuletzt angekündigten neuen Release des Betriebssystems hatten die Microsoft-Verantwortlichen wiederholt betont, Windows neu erfunden zu haben.

Das nach den Worten Ballmers "ambitionierteste Office-Release aller Zeiten" ist eng mit der Entwicklung von Windows 8 verknüpft. Wesentliche Designprinzipien wie das neue Kachel-basierte Metro-Design des neuen Windows-User-Interface spielten bei den kommenden Office-Produkten eine maßgebliche Rolle. Laut Ballmer entfaltet das kommende Office seine ganze Funktionsvielfalt dann auch vor allem im Zusammenspiel mit dem für Endkunden ab Oktober erhältlichen Windows 8.

Mit dem kommenden Betriebssystem will Microsoft eine Brücke schlagen zwischen verschiedenen Devices vom Smartphone über Tablets und Notebooks bis zum klassischen Desktop-PC. Gleiches gilt auch für das neue Office, bei dem sich der Nutzer einloggen muss und so seine Einstellungen und Vorlagen auf jedem benutzten Gerät synchronisiert vorfindet. Neben herkömmlichen Bedienkonzepten via Tastatur und Maus sollen Anwender die Office 2013 auch über Touch-Funktionen auf berührungssensitiven Displays wie beispielsweise in Tablets steuern können.

Metro-Design, Cloud-Anbindung und Social-Integration

Grundsätzlich ging es bei der Vorstellung des neuen Office in Kalifornien hauptsächlich um neue Funktionen und Features. Microsofts Corporate Vice President Kirk Koenigsbauer zeigte auf einem Samsung-Tablet mit Windows 8 beispielsweise verschiedene Touch-Funktionen für Powerpoint und Outlook. So wird es in Powerpoint künftig eine "Presenter-Mode" geben, der dem Präsentierenden eine Vorschau auf die kommende Folie, einen Timer und zusätzliche Infos zu den Inhalten anzeigen kann (das gibt es übrigens heute schon in der Mac-Version von Microsoft Office). Die aus der Vorgängerversion Office 2010 bekannte "Ribbon"-Navigation bleibt auch der kommenden Generation erhalten, lässt sich aber per Klick verstecken und wieder aufrufen.

Darüber hinaus soll die neue Office-Generation den Anwendern das Hantieren mit Inhalten erleichtern. So werde es Microsoft zufolge beispielsweise einfacher, Multimedia-Inhalte in Word-Dokumente einzufügen. In dem Notizenprogramm "OneNote" gibt es künftig ein kreisförmiges Bearbeitungs-Tool geben, mit dessen Hilfe sich Textelemente schnell und einfach formatieren lassen sollen. In der Tabellenkalkulation Excel könnten in Zukunft Funktionen, die bis dato Profis vorbehalten waren, auch von "Normal"-Anwendern genutzt werden, versprach Koenigsbauer.

Außerdem sollen Funktionen aus dem Social Web in Zukunft eine wichtigere Rolle in der Office-Nutzung spielen, gaben die Microsoft-Verantwortlichen bekannt. So wird zum Beispiel der zugekaufte Internet-Telefoniedienst Skype enger in Office integriert. Damit sollen Anwender künftig direkt aus Outlook heraus einen Skype-Call starten können. Auch der kürzlich für 1,2 Milliarden Dollar akquirierte Dienst Yammer - eine Art Facebook fürs Business - soll Microsoft zufolge enger in die Office-Welt eingebunden werden. Für die Ablage, den Austausch und das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten und Inhalten will Microsoft seinen Cloud-Speicherdienst "Skydrive" ins Office-Spiel bringen.

Allerdings agiere Microsoft an dieser Stelle nach wie vor zu stark dokumentenzentriert, moniert Axel Oppermann, Senior Advisor der Experton Group. Es drehe sich hauptsächlich darum, wie Inhalte geteilt und bearbeitet werden könnten. Um den "Social"-Aspekt wirklich zu betonen, müsste das Angebot stärker auf die Menschen zugeschnitten sein. Dafür bräuchte es Oppermann zufolge mehr Werkzeuge, um beispielsweise Teams flexibel zu organisieren und zu steuern.

Neben den Microsoft-eigenen Funktionen sollen Anwender künftig auch Apps von Drittanbietern im Office-Umfeld nutzen können. Microsoft baut dafür einen App-Store auf, der sich direkt aus den Office-Anwendungen heraus aufrufen lässt. Hier sollen Anwender Zusatzfunktionen für ihre Office-Landschaft finden. Als Beispiel zeigten die Microsoft-Verantwortlichen die Integration des hauseigenen Kartendienstes Bing Maps in Excel und Outlook. Damit lassen sich etwa geographische Auswertungen direkt auf einer Karte visualisieren oder die Adressen von Outlook-Kontakten auf einer Karte anzeigen.

Microsoft bleibt stark in der eigenen Produktwelt verhaftet

Ansonsten bleibt Microsoft mit seinem neuen Office sehr stark in der eigenen Produktwelt verhaftet. Ballmer betonte, die Kombination von Windows 8 und dem Office 2013 bilde eine "geradezu magische Kombination". Auch der Office-Vorstoß in Richtung Tablets beschränkt sich auf die Microsoft-Welt von Surface beziehungsweise Windows-basierender Geräte. Von einem im Vorfeld von vielen erwarteten Office-Paket für Apples iPad beziehungsweise Googles Android-Plattform war zumindest anlässlich der Produktvorstellung noch keine Rede.

Damit vergebe Microsoft die Chance, Office plattformübergreifend zu positionieren, kritisiert Experton-Analyst Oppermann. Auch wenn das Microsoft-Management momentan allem Anschein nach davon nichts wisse wolle, geht der Marktbeobachter davon aus, dass es über kurz oder lang noch ein iPad-Office geben werde. Auch ein Konzern wie Microsoft könne es sich nicht leisten, die nach wie vor dominierende Tablet-Plattform außen vor zu lassen, mutmaßt Oppermann.

Insgesamt ließ der Office-Launch noch etliche Fragen offen. Konkret wurde Microsoft lediglich in Sachen Cloud rund um Office 365. An dieser Stelle wird es drei Varianten geben - "Home Premium" für Heimwender, "Small Business Premium" für KMU und "Pro Plus" für Unternehmenskunden. Detailliertere Informationen zur neuen Office-Produktpalette sowie dem Preisen sollen "im Herbst" folgen.

Ob es dann auch Klarheit darüber gibt, wie es mit den klassischen Paketen weitergeht, bleibt abzuwarten. Ballmer betonte, dass trotz des ganzen Cloud-Hypes Anwender nach wie vor Software kaufen und lokal installieren könnten. Dennoch scheint der Weg in die neue Office-Welt grundsätzlich über die Cloud zu führen: Die Microsoft-Verantwortlichen präsentierten ein Szenario, wonach ein Anwender von Office 2007 via Office 365 Funktionalitäten der neuen Generation auf seinen Client nachlud. Wie das Zusammenspiel von On-Demand- und On-Premise-Welt genau aussehen wird, ist allerdings noch unklar.

Auch der Zeitplan, wann die neue Office-Welt den Anwendern zur Gänze zur Verfügung stehen wird, ist bis dato nicht bekannt. Aus Microsoft-Kreisen klang durch, dass dies im Laufe des aktuellen Geschäftsjahres, das bis Juni 2013 läuft, passieren soll. Abzuwarten bleibt außerdem, unter welchem Label das neue Office im Markt auftreten wird. In den Präsentationen zur Ankündigung wechselten sich der Codename "Office 15" und der im Vorfeld öfters gefallene Name Office 2013 ab. Es könnte auch sein, dass sich Microsoft im Zuge der stärkeren Orientierung in Richtung Cloud ganz von Versionsnamen für seine Office-Familie verabschieden möchte.

Allerdings dürfte es im Interesse von Microsoft liegen, an dieser Stelle schnell Klarheit zu schaffen. Die Office-Linie stellt einen zentralen Pfeiler in Microsofts Geschäftsmodell dar. Im Geschäftsjahr 2010/11 verbuchte die Business-Division des Softwarekonzerns, die neben Business-Software wie den ERP-Paketen "Dynamics NAV" und "AX" in erster Linie die Office-Produkte vermarktet, Einnahmen in Höhe von 22,2 Milliarden Dollar. Das war fast ein Drittel des Gesamtumsatzes von knapp 70 Milliarden Dollar. Mit einem operativen Gewinn von 14,1 Milliarden Dollar steuerte die Sparte zudem den Löwenanteil zum Profit der Redmonder bei.

Massiver Erfolgsdruck

Damit dies so bleibt, braucht der Konzern den Erfolg mit dem neuen Office. Doch dafür müssen die Verantwortlichen in erster Linie die Unternehmenskunden überzeugen, auf das neue Release zu wechseln. Das dürfte allerdings nicht einfach werden. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten fällt es nicht leicht, die Firmenverantwortlichen davon zu überzeugen, Geld für ein neues Office-Release in die Hand zu nehmen. Umfragen hatten zuletzt gezeigt, dass viele Firmen eher länger an ihren Office-Paketen festhalten und gerne eine oder gar zwei Releases überspringen.

Eine Untersuchung der Experton Group aus dem vergangenen Jahr, für die 150 Unternehmen befragt wurden, ergab, dass rund 60 Prozent der Befragten ihr Office-Paket fünf Jahre und länger in Betrieb hatten, bevor sie es ablösten. Grund dafür seien Zweifel am Nutzen einer Office-Modernisierung. Zudem scheuten die Unternehmen vor dem finanziellen und personellen Aufwand zurück, der mit einer Migration verbunden sei, so die Interpretation der Analysten von der Experton Group.

Dies sei aus Unternehmenssicht jedoch zu kurz gedacht, mahnt Oppermann von der Experton Group. "Durch die Verschleppung von Investitionen kommt es in Unternehmen, die Office-Systeme länger als dreieinhalb bis fünf Jahre einsetzen, fast zwangsläufig zu veralteten Arbeitsabläufen." Der Experte warnt in diesem Zusammenhang vor verkrusteten Organisationsstrukturen und geringer Flexibilität.

Bereits mit dem aktuellen Release Office 2010 haben sich die Möglichkeiten des Büropakets deutlich über die klassischen Funktionen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation hinaus erweitert. Im Zusammenspiel mit Microsofts Server-Produkten wie Exchange, Lync und Sharepoint entwickelte sich Office zuletzt zunehmend zu einer Schaltzentrale für Portal-, Dokumenten- und Collaboration-Funktionen. Dieser Trend dürfte sich auch mit den kommenden Office-Entwicklungen fortsetzen.

Aus Sicht von Oppermann müssten sich damit allerdings die Anwender auch stärker auf die Microsoft-Welt einlassen. Das bringe eine stärkere Abhängigkeit mit sich. Unternehmen sollten sich daher jetzt überlegen, ob sie diesen Weg mitgehen möchten. Wer sich nicht dafür entscheide, sei gut beraten, sich zügig eine Exit-Strategie zu überlegen.

Endkunden können das neue Office-Paket in der bei Microsoft mittlerweile üblichen Vorabversion "Customer Preview" bereits ausprobieren; dazu wird ein PC mit Windows 7 oder 8 vorausgesetzt. Auf http://www.microsoft.com/office/preview/en stehen auch die neuen Office-365-Pläne zum Ausprobieren bereit.