CeBIT-Interview mit Paul Hermelin

„Cloud Computing ist gut für uns“

03.03.2011 von Joachim Hackmann
Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe, sieht für den IT-Dienstleister im Cloud-Geschäft zwei Rollen vor: Betreiber und Integrator.

CW: Die CeBIT steht unter dem Motto „Cloud Computing“. Ist die Aufregung um dieses neue Betriebsmodell gerechtfertigt?

"Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch" sagt Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe.
Foto: Sümer Cetin/Breitenwirkung

Hermelin: Es ist zu früh, Cloud Computing umfassend zu bewerten. Die Zeit wird zeigen: Ist Cloud Computing eine Möglichkeit, eine neue Form einer IT-Organisation zu schaffen? Ist es ein guter Weg, die Beziehung zwischen IT und Business zu verändern und zu verbessern? Ich bin davon überzeugt, dass Konzerne erhebliche Produktivitätsgewinne mit großen privaten Clouds erzielen können. Kleinen Unternehmen bringt die Virtualisierung zunächst einmal für sich genommen wenig. Sie müssen sich der Public Cloud bedienen, um sich Vorteile zu verschaffen. Das ist die neue Welt.

CW: Welche Auswirkungen hat das Modell auf das Geschäftsmodell der Service-Provider?

Hermelin: Es stellt uns vor neue Herausforderungen: Bevor Cloud Computing und on Demand auf dem Markt kamen, haben Unternehmen für jeden Euro, den sie für eine Softwarelizenz bezahlten, weitere vier Euro für die Integration ausgegeben. Nun forcieren Anbieter wie Oracle und SAP ihre on-Demand-Angebote und die entscheidende Frage für uns lautet: Was bleibt uns vom Kuchen? Früher haben wir SAP-Projekte für Großkunden betrieben, die mit beispielsweise fünf Millionen Euro dotiert werden. Wenn wir heute eine SaaS-Lösung etwa von Salesforce.com integrieren, sind das Projekte im Wert von sagen wir mal 200 000 Euro. Aber bleibt uns dadurch weniger vom Kuchen? Es zeigt sich, dass Bereiche innerhalb eines Unternehmens unabhängig voneinander SaaS-Lösungen anschaffen.

Dort entsteht wieder eine Art Spaghetti-Code mit verschiedenen Pasta-Sorten. Und das - es tut mir leid das sagen zu müssen – ist gut für uns. Denn durch diese Entwicklung ergeben sich neue Integrationsaufgaben, da die unterschiedlichen Tools irgendwann wieder unter einem Dach zusammen geführt werden müssen. Unterm Strich bedeutet das: Je mehr SaaS-Lösungen angeschafft werden, desto mehr Projekte fallen an. Richtig ist, dass für einzelne SaaS-Services weniger Anpassungsarbeiten anfallen. In Summe wächst der Bedarf. Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch.

Angebot und Nachfrage

CW: Capgemini hat ein bedeutendes Outsourcing-Geschäft, sie könnten es zu einem Cloud-Dienst ausbauen. Ist das auch ein denkbarer Weg?

Hermelin: Im letzten Jahr haben wir bereits ein Angebot rund um Infrastructure Transformation Services ins Leben gerufen. Dabei ging es auch schon um die Frage, wie Unternehmen ihre IT in Richtung Cloud Computing entwickeln können. Aber wir haben uns natürlich auch die Frage gestellt: Steigen wir selbst in das Geschäft mit Infrastruktur-Leistungen aus der Cloud ein, oder konzentrieren wir uns auf die Rolle als Cloud-Broker? Angesichts der enormen Investitionen in Cloud-Dienste erschien es anfangs als unausweichlich, dass Capgemini sich auf die Rolle als Cloud-Broker konzentriert. Aber es hat sich herausgestellt, dass wir Server von großen Anbietern wie HP, Cisco und IBM zu solch günstigen Konditionen beziehen können, dass wir Cloud-Services absolut wettbewerbsfähig betreiben können.

CW: Werden Sie Cloud Services anbietet?

Hermelin: Wir werden noch im Frühjahr einen Cloud-Service für Infrastruktur-Dienste auf den Markt bringen. Das war eine schwere Entscheidung, denn für Anbieter ist der Betrieb sehr kapitalintensiv und man muss genau analysieren, ob sich die Investitionen auszahlen. In den USA gibt es einige Hosting-Spezialisten, die ihr Geschäftsmodell erweitert und sich im Cloud-Service positioniert haben. Auf einen von ihnen, Terremark, hatten wir ein Auge als möglichen Übernahmekandidaten geworfen hatte. Wir hätten die finanziellen Mittel gehabt. Doch mit Blick auf den negativen Einfluss auf den Cash-flow haben wir am Ende davon abgesehen. Im Januar wurde das Unternehmen dann von Verizon übernommen, um dort das Cloud-Geschäft anzukurbeln.

CW: Was für eine Art von Service werden sie anbieten?

Hermelin: Das Angebot setzt auf unserem bereits existierenden Infrastructure-as-a-Service-Offering auf. Wir zielen damit vor allem auf den Private-Cloud-Bereich. Je nach Bedarf können die Kunden innerhalb des Angebots unter drei verschiedenen Service-Leveln wählen, um Leistungen rund um Server und Storage zu beziehen.

CW: Fragen Kunden diese Dienste bereits nach?

Hermelin: Europäische Kunden interessieren sich vornehmlich für die private Cloud. Die US-Anwender sind offener. Dort gibt es auch generell eine bedeutende Nachfrage nach Cloud-Diensten. Daher starten wir den Dienst zunächst mit einem Schwerpunkt in den USA.

CW: Werden weitere Angebote folgen?

Hermelin: Davon gehe ich aus. Wir werden sehen, wohin uns dieser Service noch tragen wird.

CW: Auf der CeBIT ist einmal mehr der Fachkräftemangel ein viel diskutiertes Thema. Wie bedeutsam ist der Mangel an IT-Experten in Europa?

"Wir brauchen mehr Absolventen, mehr Absolventen, mehr Absolventen," fordert Paul Hermelin.
Foto: Sümer Cetin/Breitenwirkung

Hermelin: Wir brauchen mehr Absolventen, mehr Absolventen, mehr Absolventen. Für die europäischen Länder stellt sich die Herausforderung, mehr in Ausbildung zu investieren. Hier hat Europa enorme Defizite. In Indien verlassen jedes Jahr 350 000 IT-Spezialisten die Universität. In Deutschland nehmen zurzeit gut 38 000 Schulabgänger ein Informatik-Studium auf. Der Mangel an Fachkräften wird zum größten Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa.