Client-Hypervisor

Citrix macht zentrale Desktops mobil

20.05.2010 von Andreas Kroschel
Citrix nutzte seine Synergy-Konferenz, um wesentliche Neuerungen seiner virtuellen Infrastruktur anzukündigen und seine Vision von zentral verwalteten Desktops darzulegen.
Citrix-CEO Mark Templeton während seiner Keynote auf der Citrix Synergy.
Foto: Citrix

Als VMware vor fünf Jahren begann, sein Konzept der Desktop-Virtualisierung (Virtual Desktop Infrastructure, VDI) in die Praxis umzusetzen, begann für Citrix eine neue und ungewohnte Ära. Das Unternehmen hatte als Pionier des Server Based Computing (SBC) eine lukrative Nische besetzt und weitgehend unbehelligt von Konkurrenten prächtig verdient. Mittlerweile sehen Analysten sowie Hersteller die Zukunft von SBC in zentral gehosteten Desktops und Citrix hat sich ebenfalls voll und ganz dieser Vision verschrieben. Unverblümt kommuniziert der Hersteller, dass es um nicht weniger als die Rückgewinnung der Kontrolle über den Desktop durch die zentrale IT gehe. Die Benutzer-Akzeptanz will man durch Zero-Downtime, Orts- und Geräteunabhängigkeit sowie eine sorgenfreie Auslieferung der Anwendungen als Service ohne die Notwendigkeit der Installation und Konfiguration am Client erkaufen.

Dabei muss sich die Firma nicht nur gegen den Erzrivalen VMware behaupten, sondern gegen eine Reihe weiterer Anbieter wie Quest, Red Hat und möglicherweise Oracle/Sun, sobald dort der Virtualisierungskurs geklärt ist. Auch Microsoft zeigt inzwischen stärkere Ambitionen in Sachen Server Based Computing und möchte dessen Entwicklung mitbestimmen.

XenClient macht VDI Offline-fähig

Auf seiner Konferenz "Synergy" in San Francisco erweiterte Citrix seine Virtualisierungslösung um einen lang erwarteten Baustein, der eine wesentliche Lücke im Konzept des zentralen Desktop schließen soll. Es handelt sich dabei um XenClient, einen Typ-1-Hypervisor für den Client, der im Gegensatz zu etablierten Virtualisierungs-Tools für den Desktop wie VMware Workstation direkt auf der Hardware aufsetzt. Er ist in der Lage, mehrere Client-Installationen parallel in virtuellen Maschinen (VMs) auszuführen.

XenClient soll zwei wesentliche Aufgaben erfüllen. Zum einen ergänzt er VDI-Installationen um Offline-fähige Endgeräte und zum anderen erlaubt er ein Nebeneinander der firmeneigenen Arbeitsumgebung, die von der IT-Abteilung verwaltet wird, sowie der privaten, nicht verwalteten Desktop, weil der Hypervisor die VMs strikt voneinander isoliert.

Citrix Receiver als universeller Client

Ein essentieller Bestandteil des neuen XenClient ist der Citrix Receiver. Ihn gibt es nicht nur für den XenClient, sondern für viele Plattformen, Windows, Mac, Thin Client, iPad, iPhone, Blackberry, Android und Windows Mobile. Er soll den Start bereitgestellter Anwendungen oder virtueller Desktops auf allen unterstützten Plattformen vereinheitlichen und vereinfachen. Die IT-Abteilung kann in diesem Konzept Anwendungen oder Desktops künftig geräteunabhängig veröffentlichen - für die jeweilige lokale Anpassung sorgt der einmalig zu installierende Receiver, der für die speziellen, auf einer bestimmten Zielplattform verfügbaren Funktionen und Eigenschaften sorgt. So ist es etwa möglich, den Receiver für das iPad so mit einem iPhone zu verbinden, dass letzteres die Funktion eines Touchpads für die auf dem iPad laufenden Anwendungen oder den Desktop übernimmt. Unter Windows sind solche Funktionen etwa die Integration von Remote-Anwendungen ins Startmenü oder auf den lokalen Desktop.

Einen Eindruck, wie dies funktioniert, kann man sich mit der Citrix-Demo unter www.citrixcloud.net selbst verschaffen.

Nebeneinander von privatem und Firmen-Desktop

Der Desktop soll wieder der IT-Abteilung gehören. Die entsprechenden Buttons eines Citrix-Partners waren auf der Synergy allgegenwärtig.

Die lokale Ausführung des virtuellen Desktops sorgt nicht nur für die Möglichkeit, auch ohne Verbindung zum Server zu arbeiten, sondern hat zudem den Vorteil, dass die lokale Rechen- und Grafikleistung des PCs genutzt werden kann. Gleichzeitig bleibt Citrix seinem zentralistischen Ansatz treu, weil der virtuelle Desktop laufend mit dem Server synchronisiert und dort verwaltet wird. So ist es etwa möglich, beim Verlust oder Diebstahl eines Laptops die lokale Kopie einer VM vom Rechenzentrum aus zu löschen.

Die parallele Ausführung von mehreren Desktops ist nach Vorstellung von Citrix die Voraussetzung, um das im eigenen Unternehmen bereits praktizierte Konzept des Bring Your Own Computer (BYOC) zu realisieren. Dabei zahlt der Arbeitgeber einen bestimmten Betrag zum Kauf einer neuen Hardware und der Mitarbeiter erwirbt ein Gerät seiner Wahl, auf dem er auch seine private Umgebung ausführen kann.

Microsoft ist skeptisch

Während Citrix in XenClient einen Meilenstein in der Geschichte des Desktop-Computings sieht, hält Microsoft nicht allzu viel von einem Client-Hypervisor. Der Windows-Hersteller sieht darin eine Lösung für sehr spezifische Probleme, aber keine Eignung für den breiten Einsatz.

Interessanterweise bezieht nun auch VMware eine kritische Position, obwohl das Unternehmen noch vor Citrix eine derartige Software unter der Bezeichnung Client Virtualization Platform angekündigt hatte. In einem Blog-Eintrag moniert ein Repräsentant der Firma, dass der Typ-1-Hypervisor eine Neuinstallation des Rechners erfordere und daher etwa für externe Mitarbeiter ungeeignet sei. VMware selbst möchte mit View 4.5 eine dem Player ähnliche Software namens Local Mode ausliefern, die auf ein Host-Betriebssystem aufsetzt und die VM ebenfalls mit dem Server abgleichen kann.

Wichtiges Update für XenServer

Während auf der Konferenz die meiste Aufmerksamkeit dem neuen Client-Hypervisor galt, kündigte Citrix vergleichsweise wenig beachtet die Version 5.6 von XenServer an. Der kleine Versionssprung täuscht indes über die Bedeutung dieses Updates hinweg, das in einigen zentralen Punkten mit VMware gleichzieht. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt eine dynamische Spericherverwaltung, die eine höhere VM-Dichte pro Maschine zulässt, die automatische Verteilung von Arbeitslasten über mehrere Hosts sowie ein Standort-übergreifendes Disaster Recovery.

Bis dato versuchte Citrix vor allem Marktanteile über den Preis zu gewinnen. Die kostenlose Einstiegsversion ist im Vergleich zu den Gratis-Varianten von Microsoft und VMware üppig ausgestattet, allerdings profitiert sie nicht von den neuen Features des Release 5.6, die sich zum Teil in der neu eingeführten Advanced Edition wieder finden. Alle Ausführungen müssen pauschal pro Server lizenziert werden, während sich sonst allgemein eine Berechnung pro CPU-Sockel durchsetzt. (ue)

Weitere Synergy-Ankündigungen

Neben XenClient und XenServer 5.6 gab es auf der Konferenz fünf weitere Ankündigungen, mit denen Citrix die Szene der Virtualisierungswelt aufzuwirbeln trachtete:

  • Das Citrix Encrypted Data Plug-in ist eine Funktion für den Citrix Receiver und sorgt für die Verschlüsselung von Daten, die auf Endgeräten erzeugt werden, auf denen Anwendungen über die Virtualisierungslösungen Citrix XenApp oder Microsoft App-V bereitgestellt werden. Da diese Funktion zentral vom Anwendungs-Server gesteuert wird, funktioniert dies auch auf Endgeräten, die selbst nicht von der IT verwaltet werden, wie etwa private Notebooks.

  • HDX Nitro ist ein Satz von demnächst erscheinenden Erweiterungen zum Citrix-eigenen Protokoll zur Darstellung von High-Definition-Inhalten auf virtuellen Desktops. Diese sollen einen Performance-Schub bis hin zum Faktor 3, eine "Dynamo" genannte dynamische Anpassung an wechselnde oder unsichere WAN-Anbindungsqualität sowie eine Technik zum schnelleren Start virtualisierter Anwendungen enthalten.

  • Mit McAfee gibt es eine strategische Partnerschaft, welche die Absicherung von virtuellen Desktops mittels McAfee ePolicy-Orchestrator-Plattform bereitstellt und so das Deployment von lokaler Sicherheitssoftware einspart. Damit soll die Sicherheit virtueller Desktops vereinfacht und skalierbarer werden.

  • Für NetScaler MPX und VPX gibt es ab sofort BurstPack-Lizenzen, mit denen man saisonale Belastungsspitzen im Netz-Traffic 90 Tage lang abdecken kann.

  • Mit NetScaler VPX for Hyper-V wird die virtuelle Appliance in Form eines Windows-Service ausgeliefert, der direkt auf Microsofts Hyper-V-Server läuft und so eine bessere Integration bereitstellt, etwa für virtualisierte Exchange-2010- oder SharePoint-2010-Server.