Collaboration und Videokonferenz

Citrix GoToMeeting im Test

31.05.2012 von Harald Karcher
Geht es um Videoconferencing und Collaboration, denken manche Anwender gleich an Microsoft oder Cisco. Wir haben uns als Cloud-Alternative die Citrix-Lösung "GoToMeeting" mit "HDFaces" angeschaut.

Mit dem Web-Collaboration-Tool GoToMeeting und der Videokomponente HDFaces bietet Citrix Online bezahlbare Videokonferenzen auch für mittlere und kleine Firmen bis hin zum Freiberufler an. Wir haben den Cloud-Service in der Praxis ausprobiert.

Wer kennt das nicht? Mehrere Leute arbeiten gemeinsam an einem Projekt im Team, sind aber über verschiedene Standorte in ganz Deutschland verteilt. Entsprechend hoch ist der Abstimmungsbedarf. Können alle Beteiligten die Termine einhalten? Sind die Aufgaben eindeutig verteilt? Weiß jedes Teammitglied, worauf es bei seinem Part ankommt?

GoToMeeting: Videokonferenz und Web-Collaboration auch für kleine Unternehmen und Mittelständler.
Foto: Harald Karcher

Klarheit schafft hier der direkte Blick in die Augen der Partner. Im direkten Face-to-Face-Kontakt wird schnell deutlich, ob die Beteiligten mit allen Details des Projektes zurechtkommen. Also ab in den Flieger, den Zug oder das Auto und zum nächsten Meeting hetzen? Nein, denn ein PC mit passablem Internet-Anschluss ist mittlerweile in fast jedem Home Office zu finden. Warum also das Projekt-Meeting nicht mittels Videokonferenz und Web-Collaboration abhalten?

PC mit Webcam, Mikrofon und Lautsprecher

In unserem Testszenario mit zwei Teilnehmern sitzt ein Partner vor einem PC mit zwei Monitoren. Er hat eine "Logitech HD Pro Webcam C910" und einen Lautsprecher angeschlossen. Sein Rechner hängt per Ethernet-Kabel am lokalen Firmennetz, das in ein schnelles Glasfaser-Backbone-Netz mündet. Der andere Partner sitzt ebenfalls vor einem PC mit zwei Monitoren. Er hat die gleiche Webcam und ebenfalls einen PC-Lautsprecher angeschlossen. Sein Rechner hängt per Ethernet-Kabel über eine "Fritzbox Fon WLAN 7390" von AVM am VDSL-50-Anschluss des Home Office. So haben beide Teilnehmer mehr als genug Speed für das Web- und Videoconferencing.

Collaboration-Teilnehmer per Link einladen

Der Start einer virtuellen Teamsitzung ist denkbar einfach: Ein Partner lädt zur Web-Collaboration ein. Dazu öffnet er sein Citrix-GoToMeeting-Bedien-Panel und startet ein Ad-hoc-Meeting. Er drückt den Citrix-Button "Weitere Teilnehmer einladen" und bekommt diese Meldung:

Rufen Sie die Person an und sagen Sie:

  1. Gehen Sie zu https://global.gotomeeting.com/join

  2. Geben Sie diese Meeting-ID ein: 738-415-229

Umständlich müsste der Gesprächspartner den Link und die Meeting-ID eintippen. Alternativ drückt der Einladende den Citrix-Button "E-Mail" oder "In Zwischenablage kopieren". Oder er lässt sich vom Citrix-System eine Einladungs-Mail generieren und versendet sie.

Der automatische Textentwurf aus der Citrix-Cloud lautet:

  1. Nehmen Sie an meinem Meeting teil. https://global.gotomeeting.com/join/738415229

  2. Verwenden Sie Ihr Mikrofon und Ihre Lautsprecher (VoIP). Ein Headset wird empfohlen. Sie können sich auch mit dem Telefon einwählen.

Deutschland: +49 (0) 892 2061 115

Zugangscode: 738-415-229

Audio-PIN: Wird angezeigt, sobald Sie sich in dem Meeting befinden

Meeting-ID: 738-415-229

Wir entscheiden uns im Test für die Internet-Variante. Ein Klick auf den Einladungs-Link, und im Browser öffnet sich das GoToMeeting-Fenster. Dabei wird die nötige Citrix-Software automatisch auf den Rechner geladen. Webcam und Lautsprecher erkennt die Conferencing-Software auf Anhieb richtig. Am Ende des Ladevorgangs muss der Teilnehmer nur noch seinen Namen und seine E-Mail-Adresse in ein Citrix-Fenster eingeben.

Sobald sein Mikrofon erkennt, dass er spricht, wird der Name als "Sprecher: XY" unter seinem Bewegtbild eingeblendet. Sagt der Partner etwas, oder schnipst er mit dem Finger, hustet, niest oder klatscht in die Hände, dann steht unter seinem Videobild: "Sprecher: YZ". Reden beide gleichzeitig, dann meldet das Cloud-System: "Sprecher: XY, YZ". Gerade bei mehreren Teilnehmern, die sich nicht alle persönlich kennen, ist diese Funktion hilfreich - oder wenn Teilnehmer nur per Telefon zugeschaltet sind.

Collaboration mit Video: Von Angesicht zu Angesicht

Praktisches Feature: Der Gesprächspartner kann optional auch den Bildschirm seines Gegenübers einsehen.
Foto: Harald Karcher

Ein Klick im Citrix-GoToMeeting-Steuerungsfeld auf den Button: "Meine Webcam übertragen" startet die Videokonferenz. Hat ein Teilnehmer seine Kamera noch nicht aktiviert, erhält er den Hinweis "Die anderen Teilnehmer können Sie im Moment nicht sehen. Klicken Sie hier, um Ihr Webcam-Bild zu übertragen." Unser erster spontaner Eindruck von der Videoschaltung fällt positiv aus. Die Videoqualität ist gut. Zur Steuerung hat jeder Konferenzteilnehmer ein Bedien-Panel. Hier kann er seine Stimme für die anderen Teilnehmer vorübergehend oder permanent stummschalten oder auch die Übertragung seines Webcam-Bildes jederzeit unterbrechen. Zudem bestimmt er per Zoom, wie viel er von sich selbst und seiner unmittelbaren Büro-Umgebung preisgeben will.

Stände man mit einem solchen Videokonferenz-fähigen Laptop auf einer Baustelle, dann könnte man den Konferenzteilnehmern, etwa Architekten und Bauherren, mit einem Videorundgang einen Mehrwert bieten. Der Laptop müsste dann per WLAN, HSPA oder LTE mobil in die Videokonferenz eingebunden sein. Letztlich setzt hier nur die eigene Phantasie Grenzen, denn laut Citrix-Bedien-Panel lassen sich bis zu 26 Teilnehmer in einer Konferenz zusammenschalten. Dabei können auch FestnetzTelefonapparate und Mobilfunk-Handys nur per Sprache zugeschaltet werden. Diese mobilen Teile werden vom Citrix-System angerufen, dann muss nur noch eine Audio-PIN zur Bestätigung in das Tastenfeld eingetippt werden.

Zurück zu unserem virtuellen Projekt-Meeting. Damit die Teilnehmer den kompletten Bildschirminhalt des Präsentators sehen können, muss dieser lediglich den Citrix-Button: "Übertragen: Bildschirm des Monitors 1" drücken. Warum Monitor 1? An unserem Test-PC hängen gerade zwei Monitore. Daher lässt die Citrix-Cloud den Anwender wählen, welcher Monitorinhalt gezeigt werden soll. Nur 1? Nur 2? Oder beide Monitore zusammen? Bei zwei Monitoren addiert das System die Auflösung beider Systeme. Steht dem entfernten Meeting-Partner eine geringere Bildschirmauflösung zur Verfügung, dann wird das Bild auf dem Rechner des Empfängers vom Citrix-Programm so weit heruntergezoomt, bis es dort Platz hat. Je stärker es verkleinert wird, desto unschärfer wird es für den Empfänger.

Die bekanntesten Videoconferencing-Systeme
Cisco Telepresence
Obwohl für viele Firmen unerschwinglich, ist Ciscos Telepresence wohl das bekannteste Videokonferenzsystem.
Cisco Telepresence 1000
Neben dem Raumsystem gibt es noch kleinere Telepresence-Lösungen für Zweigstellen und Heimarbeitsplätze (von Topmanagern).
Cisco Umi Telepresence
Mit "Umi" wollte Cisco auch private Nutzer für Telepresence begeistern. Mangels Nachfrage sind Privat- und Businesslösung nun interoperabel.
Videokonferenzen Tandberg
Den Mittelstand adressiert Cisco wiederum mit Lösungen von Tandberg.
Polycom
Als weitere Anbieter sind vor allem Polycom (hier mit einer Tablet-Lösung)...
Lifesize
und der von Logitech übernommene Anbieter Lifesize bekannt.
Vidyo Desktop Splitscreen
Einer der wenigen Newcomer in dem Bereich ist Vidyo.
Vidyo Endgeräte
Die Lösung des US-Startups sticht insbesondere durch Scalable Video Coding (SVC) und die Möglichkeit, verschiedenste Endgeräte einzubinden, hervor.

Kontrolle über den eigenen Rechner abgeben

Für das gemeinsame Arbeiten kann auch der Zugriff auf Maus und Tastatur freigeschaltet werden.
Foto: Harald Karcher

Für das gemeinsame Arbeiten kann auch der Zugriff auf Maus und Tastatur freigeschaltet werden. Dann hat der andere die Kontrolle über den PC, kann Ordner, Dateien und Programme auf diesem Rechner so öffnen, als säße er selbst davor. Anderseits kann aber auch nur der volle Zugriff auf genau ein Dokument übergeben werden, so dass nicht gleich der komplette Rechnerinhalt über die gesicherte HTTPS-Internet-Verbindung geöffnet wird. Dabei kann zugesehen werden, wie der Meeting-Partner im Dokument Dinge ändert. Zudem lassen sich per Citrix über das Internet auch Anwendungen im Fernzugriff nutzen.

In unserem Test sammelten wir positive Erfahrungen mit: Microsoft Word 2010, Excel 2010, Powerpoint 2010, Access 2010, Infopath Designer 2010, OneNote 2010, Outlook 2010, Publisher 2010, Sharepoint Workspace 2010 und Microsoft Office Picture Manager 2010. Ebenso konnten wir von diversen entfernten Rechnern auf die installierten Programme Google Earth, Google Chrome und auf den Google-Mail-Account des Autors fernzugreifen. Andere Programme widersetzen sich dem Fernzugriff: So etwa der "Ressourcenmonitor", der Festplatten-Benchmark "HD Tune" oder das "Intel Extreme Tuning Utility" des Quad-Core-Rechners.

Die Rolle des Präsentators beziehungsweise Moderators kann während der Konferenz jederzeit mit einem Klick an einen anderen Teilnehmer übergeben werden. Gleichzeitig wird dann der Bildschirm des neuen Moderators übertragen.

Mini-Chat und Aufzeichnung

Auch für Unterwegs: GoToMeeting für Android-Smartphones.
Foto: Harald Karcher

Jeder Teilnehmer kann während der Konferenz etwas in ein Chat-Fenster im Bedien-Panel schreiben. Zum Beispiel eine hilfreiche Bemerkung, eine Art leiser Notizzettel, ohne gleich das große Wort auf dem Videobildschirm schwingen zu müssen. Man kann Chat-Texte an alle oder nur an einen Teilnehmer senden. Wenn alle Teilnehmer zustimmen, kann der Konferenz-Organisator die Gespräche und den Moderatorbildschirm aufzeichnen. Zum Abspielen einer Aufzeichnung im proprietären GoToMeeting-Format müssen die Empfänger allerdings GoToMeeting/GoToWebinar oder den G2M2-Videocodec auf ihren Computern installiert haben. Lässt man die GoToMeeting-Aufzeichnung dagegen sofort nach der Web-Konferenz in das WMV-Format konvertieren, so kann sie jeder abspielen, der einen Windows Media Player 9 oder höher auf seinem Rechner installiert hat.

Und fast hätten wir es vergessen: Die Videokonferenz in unserem Versuch dauerte über eineinhalb Stunden. In der ganzen Zeit stockte sie nicht ein einziges Mal, und nie ruckelte die Übertragung auch nur ansatzweise - obwohl wir über das normale, öffentliche Internet kommunizierten. Irgendwann vergaßen wir Tester fast, dass wir uns in einer Videokonferenz befanden, und fingen an, uns ganz natürlich und normal zu unterhalten, als säßen wir im gleichen Büro. Es war ein Hauch von Telepresence, der aber nicht an die Audio-Video-Qualität der 300.000 Dollar teuren Cisco-Telepresence-Studios heranreicht.

Fazit und Meinung: Mehr als bunte Videobilder

Der von uns getestete Citrix-OnlineMeeting-Service kostet 39 Euro pro Monat für eine "Named User Lizenz". Leider kann man den Service nicht on Demand mieten, wenn man ihn nur unregelmäßig alle paar Wochen oder alle paar Monate für zwei bis drei Stunden benötigt. Aus technischer Sicht ist unser Resümee schnell gezogen: Die einfache Bedienung, die gute Videoqualität bei überschaubaren Kosten sowie die zahlreichen Collaboration-Möglichkeiten haben uns überzeugt. Gleichzeitig führte unser Test uns wieder deutlich vor Augen, wie ein virtuelles Web-Videoconferencing-Tool die Zusammenarbeit innovativ und effizient verändern kann.

Von eingesparten Reisekosten und Reisezeiten samt Umweltschonung durch virtuelle Business-Meetings reden wir schon gar nicht mehr. Wichtig für Business-Nutzer sind die Rationalisierungschancen im Workflow und die kürzeren Reaktionszeiten. Auf der anderen Seite sollten aber auch nicht die Gefahren vergessen werden, wenn externe Mitarbeiter nach entsprechender Freigabe mit einem Mausklick auf interne Rechner in der Zentrale zugreifen können. Die auf den ersten Blick eher harmlos wirkende Collaboration-Komponente hat es durchaus in sich.

Das Web-Collaborating verlangt Mitarbeiter, die genau wissen, was sie tun, wenn sie externe Kollegen ganz legal an ihre Rechner heranlassen. Verglichen damit ist das reine Videoconferencing am Arbeitsplatz geradezu harmlos: Hier sieht man eventuell Wandkalender und Papierstapel, aber keine unternehmenskritischen Daten wie beim echten Web-Collaborating. (hi)