Technik-Hausmesse von Cisco

Cisco besinnt sich auf alte Stärken

10.02.2012 von Jürgen Hill
Auf der Cisco Live 2012 setzt der Netzausrüster auf eine seiner Traditionen: Das Geschäft mit Unternehmenskunden steht wieder im Fokus.
Foto: Cisco

Wir sind wieder zurück und haben auf unsere Kunden gehört - mit diesem Satz lässt sich am ehesten die Botschaft zusammenfassen, mit der Cisco auf seiner Technik-Hausmesse "Cisco Live" in London um das Vertrauen der über 5000 Besucher warb. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Enterprise-Kunden angesichts von Ausflügen in die Consumer-Gefilde mit Produkten wie der Videokamera Flip nur noch verwundert den Kopf schüttelten. Knapp ein Jahr, nachdem Cisco-Chef John Chambers auf die Bremse trat und zum Umbau der Company aufrief, konnte nun die europäische Netzgemeinde in London das Ergebnis unter die Lupe nehmen.

Ciscos Blick in die Zukunft
Ciscos Blick in die Zukunft
Wie sieht unsere Welt in zehn Jahren aus? Einen launigen Ausblick auf die Techniken, die unser Leben mit der IT in näherer Zukunft prägen könnten, gab Cisco-Futurologe Dave Evans. Auch wenn manches unglaublich klinge, liege doch jeder Prognose mindestens eine bereits erfundene Technologie zugrunde. Lediglich ihre Anwendung sei konsequent weitergedacht worden.
1. Das Internet der Dinge
2020 werden etwa 7,6 Milliarden Menschen online sein. Ihnen stehen 50 Milliarden Devices gegenüber - vom Smartphone bis zur vernetzten Ohrmarke der Milchkuh.
2. Die Zetta-Flut
Am Ende der Dekade wird das Datenvolumen im Internet 1,2 Zettabyte betragen. Eine Datenmenge, die einer Büchersäule entspricht, die zwanzigmal von der Erde zum Pluto reicht. Terapixel und Voxel - dreidimensionale Pixel - werden dazu beitragen.
3. Das Wissen in der Cloud
Im Jahr 2020 wird ein Drittel aller Daten in der Cloud liegen.
4. Das nächste Net
Das Internet steht vor einer enormen Leistungssteigerung. Im Februar 2011 schickten Forscher 448 GB pro Sekunde über Glasfaser. Im April wurde der Weltrekord von mehr als 100 Terabit/s aufgestellt. Im Mai 2011 wurden mit einem einzigen Laser 26 Terabit/s übertragen. Innovationen, die innerhalb von vier Monaten gelangen.
5. Die Welt ist flach - unsere Technik auch
Wir befinden uns auf dem Weg in die Echtzeitgesellschaft. In zehn Jahren wird jeder überall mit jedem kommunizieren können - unabhängig vom verwendeten Gerät.
6. Die Kraft der Energie
Windkraft und Solarenergie führen zur autarken Energieversorgung, wobei Solarzellen künftig aus dem Drucker kommen. Smartphones erhalten unterwegs von der Brennstoffzelle im menschlichen Magen Energie.
7. It's all about you
Computer beginnen unsere Gedanken zu lesen. Um das Jahr 2030 wird es die ersten künstlichen Gehirn-implantate geben.
8. Die nächste Dimension - alles on Demand
Musik und Videos herunterladen war gestern - 2020 lädt sich die Menschheit Dinge aus dem Netz, die mit Hilfe des häuslichen, 1000 Dollar teuren 3D-Druckers Gestalt annehmen. Die Copyright-Diskussion erreicht im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Dimension.
9. Another Family Tree - die virtuelle Verwandschaft
Computer entwickeln sich zu virtuellen Menschen mit automatischen Gesten und Emotionen. Rechner mit supermenschlicher Intelligenz werden noch vor 2020 gebaut.
10. Der Mensch - als Modell 2.0
Körpereigene "Mikroroboter" werden defekte Zellen reparieren. 2012 Geborene werden im Durchschnitt bereits 100 Jahre alt. 2029 wird der Alterungsprozess gestoppt. Die Lebenserwartung steigt auf 200 bis 300 Jahre.

Wie bei vielen anderen Großkonzernen - auch außerhalb der IT-Branche - folgt bei Cisco nun nach einer Phase der Diversifikation eine Refokussierung auf das Kerngeschäft. So war es auffallend, dass die Keynote zur Eröffnung der Cisco Live im Gegensatz zu den vergangenen Jahren nicht Cisco-Boss Chambers hielt, sondern Chief Technology Officer (CTO) Padmasree Warrior. Und die hatte für Consumer kein Wort übrig. Vielmehr konzentriert sich der Konzern jetzt nach den Worten der Technikchefin auf fünf Kerngebiete:

• Core,

Data Center,

• Video,

Collaboration und

• Business Architectures.

Unter dem Core-Bereich versteht Cisco das klassische Networking-Business mit Routing, Switching, Wireless und Broadband Access. Dabei ist für Cisco Broadband allerdings nicht die DSL-Vernetzung, sondern ein Internet-Zugang per Glasfaser, bekannt als Fiber to the Home (FTTH). Im Business-Segment Data Center fasst der Konzern seine Aktivitäten rund um das Rechenzentrum, Cloud Computing und Virtualisierung zusammen. Eigenen Angaben zufolge hat Cicso mit dem RZ-Geschäft bereits ein Volumen von 1,2 Milliarden Dollar und rund 10.000 Kunden erreicht.

Server, Video & Business Architectures

Im Segment der Blade Server sei man inzwischen zur Nummer drei aufgestiegen. Cisco habe also alle Skeptiker widerlegt, die bei der Vorstellung der UCS-Plattform (Unified Computing System) die Erfolgsaussichten des Unternehmens im Data Center bezweifelt hatten. Glaubt man den Prognosen der Netzwerker, wird bereits 2014 die Hälfte der Workloads in Rechenzentren aus der Cloud stammen. Dabei steige der weltweite Cloud-Datenverkehr um das Zwölffache auf 1,6 Zettabyte an.

Wer im Bereich Video primär das Thema Videoconferencing erwartet hatte, sah sich getäuscht. Die Aktivitäten rund um den Videobereich sind vielmehr als Dienstleis-tungen für Service-Provider zusammengefasst worden. Die hier angebotenen Lösungen basieren auf Know-how, das Cisco vor Jahren mit der Übernahme von Scientific Atlanta erwarb.

Die Geschichte von Cisco
Vom Kabelschacht in die Chefetage
Vom Infrastruktur-Lieferant für Netzwerke zum Allround-Anbieter. So lässt sich die bewegte Geschichte von Cisco Systems zusammenfassen. In unserer Bildergalerie blicken wir zurück.
2015 - Robbins kommt
Das Eigengewächs Chuck Robbins führt von jetzt an Cisco als CEO. Ganz unbeaufsichtigt ist er nicht: Übervater John Chambers zieht als Aufsichtsratschef weiter die Fäden im Hintergrund.
2015 - Chambers geht
Mit John Chambers geht eine der Ikonen des Silicon Valley von Bord. Er war 20 Jahre ununterbrochen im Amt und hat 168 Firmen zugekauft. Er übergibt an seinen Zögling Chuck Robbins, der seit 1997 im Unternehmen ist.
2014 - Sourcefire gekauft
Den auf Sicherheitsequipment spezialisierten Anbieter lässt sich Cisco 2,7 Milliarden Dollar kosten.
2013 - Tuszik neuer Deutschland-Chef
Mit Oliver Tuszik bekommt Cisco einen neuen Deutschland-Chef, der zuvor sein Geld an der Spitze des Systemhauses Computacenter verdiente.
2013 - Unter Verdacht
Hat Cisco Backdoors für die amerikanischen Geheimdienste in seine Router eingebaut? Während dies nur ein nicht bestätigter Verdacht ist, ist etwas anderes sicher: Die Geschäftserfolge lassen weiter nach.
2012 - Übernahme NDS
Rund fünf Milliarden Dollar lässt sich Cisco NDS kosten, einen Anbieter von TV-Software.
2011 - Gary Moore
Chief Operating Officer Gary Moore kündigte 2011 massive Einsparungen mit Massenentlassungen an.
2010 - Carlo Wolf
2010 wird Carlo Wolf neuer Geschäftsführer von Cisco in Deutschland, Vorgänger Michael Ganser wechselt ins „Central Theatre“.
2009 - Flip camcorder
Mit den Flip-Camers der 2009 übernommenen Pure Digital Technologies will John Chambers den Endkundenbereich stärken. Doch der Erfolg bleibt aus.
2009 - UCS-Familie
Mit Unified Comuting System (UCS) nahm Cisco den Servermarkt ins Visier und propagierte ein völlig neues Design für Rechenzentren.
2009- Cisco UCS
Firmenchef Chambers sorgte mit UCS 2009 für einen Paukenschlag: Mit eigenen Rechnern wurden die Platzhirsche IBM, HP und Dell attackiert.
2007 - IP-Traffic
Einschätzungen, wie sich der IP-Verkehr von 2007 bis 2011 entwickeln könnte.
2005 - Michael Ganser
Er wird 2005 Chef der deutschen Cisco-Niederlassung.
2003 - IP phone 7970G
VoIP-Telefonie mit 7970G, das sogar über einen Touch-Screen-Monitor verfügt.
2003 - Phone 7920
Drahtlose Voice- und IP-Kommunikation (VoIP) mit dem „7920“ von 2003.
2003 - Ciscos Expansionspläne
2003 hat Cisco Linksys übernommen und damit den Einstieg in das Geschäft mit privaten Endkunden vorbereitet.
2002 - MDS-Familie
Mit der MDS-9000-Familie bediente Cisco den Speichermarkt und griff die damaligen Größen McData und Brocade an
2002 - MDS-9000
Mitte 2002 kündigte Cisco an, in den Markt für Speichernetze einzusteigen.
1999 - Aironet 1200
Mit der Übernahme von Aironet Wireless Communications 1999 begann Cisco. Lösungen für drahtlose Kommunikation anzubieten. Aironet 1200 war die Basisstation für innerbetriebliche Funknetze.
1999 - The 12000
Der Router „Cisco 12000“ entwickelte sich zum Verkaufsschlager. Er konnte innerhalb eines Jahres mehr als 1000mal verkauft werden.
1996 - Andreas von Bechtolsheim
Er kreuzte zweimal Ciscos Wege: Zuletzt als Gründer von Granite Systems, das 1996 übernommen wurde. Von Bechtolsheim blieb einige Zeit bei Cisco und entwickelte die Catalyst-4000-Familie weiter.
1996 - Skizze Tag Switching
Tag-Switching, eine Neuerung, von der insbesondere die großen Carrier profitieren sollten. Den Nachfolger, Multiprotocol Label Switching (MPLS), nutzten viele für ihr Netzdesign.
1995 - John Chambers
Er kam 1991 zu Cisco, wurde 1995 President und CEO von Cisco.
1993 - Cisco 7000
Die „clean machine“ wurde der Router Cisco 7000 genannt, eine Weiterentwicklung der erfolgreichen AGS-Serie.
Catalyst-Familie
Die erfolgreichen Swichtes aus der Catalyst-Familie – ein Dauerbrenner für Cisco.
Maria Mazzola
Er war Chef von Crescendo Communications, das erste Unternehmen, das von Cisco übernommen wurde. Dessen „Catalyst“-Switche entwickelten sich für Cisco zum Verkaufsschlager. Mazzola blieb viele Jahre als Entwicklungschef bei Cisco.
1988 - John P. Morgridge
Er kam 1988 als President und CEO zu Cisco und brachte die Company 1990 an die Börse. Morgridge blieb bis 1995 Firmenchef, bevor er in den Aufsichtsrat wechselte.
1986 - Cisco erstes Produkt AGS
Als Advanced Server Gateway (AGS) vermarktete Cisco ab 1986 den ersten Multiprotokoll-Router, der auf den Entwicklungen der Blue Box in Stanford aufbaute.
Stanford University
Hier schlug die Geburtsstunde von Cisco: Sandy Lerner und Leonard Bosack arbeiteten beide hier bevor sie Cisco gründeten.
William Yeager
Yeager schuf das Herzstück für die Blue Box , das Netzwerkbetriebssystem NOS (Network Operating System), das sogar schon multitaskingfähig war.
Leonard Bosack
Mitbegründer von Cisco war an der Entwicklung der „Blue Box“ beteiligt.
Sandra Lerner
Mitbegründerin von Cisco, verließ 1990 das Unternehmen.
1985 MEIS
Das erste eigene Produkt von Cisco war MEIS, das Massbus Ethernet Interface Subsystem, das DEC-Großrechner verband. Es wurden nur wenige Exemplare geliefert.

Videokonferenzsysteme wie Telepresence wurden indes dem Bereich Collaboration zugeordnet. Dieser umfasst sowohl dedizierte Plattformen als auch Cloud-basierende Services wie WebEx und reicht bis zu der Social-Network-Plattform Quad.

Ein eigenes Feld bilden nun die Business Architectures. In welche Richtung hier die Reise gehen wird, ist noch unklar. Warrior kündigte lediglich an, dass Software ein Kernstück dessen sei, was man auf dem Weg zu intelligenteren Netzen benötige. Eine Antwort auf die Frage, was dies konkret für das Produktportfolio bedeute, blieb sie schuldig und versprach hierzu in den nächsten sechs Monaten Produktankündigungen. Einen Hinweis liefert eventuell das neue Selbstverständnis der Netzwerker, die nun ihre Aufgabe darin sehen, "den User mit der App zu verbinden, die wiederum mit dem Netz verbunden ist beziehungsweise im Netz liegt".

Neue Produkte auf der Cisco Live

Cisco Aironet 3600 Series Access Point
Foto: Cisco

Cisco nutzte die hauseigene Messe auch für zwei Produktankündigungen im Bereich Wireless und Switching. So hat der Konzern eigenen Angaben zufolge mit der Produktfamilie "Cisco Aironet 3600 Series Access Point" eine WLAN-Lösung im Programm, die mit einer um 30 Prozent verbesserten Performance aufwarten soll. Dabei handelt es sich nicht um einen neuen Access Point mit Gigabit-WLAN-Technik - mit dem Einzug dieser Technik im Business-Umfeld rechnet Cisco erst in etwa einem Jahr -, sondern um ein verbessertes 802.11n-Gerät. Drei Spatial Streams sowie vier Antennen sollen nicht nur mehr Geschwindigkeit bringen, sondern auch eine größere Entfernung per Funk überbrücken.

Cisco Catalyst Smart Operations
Foto: Cisco

In Sachen Switching stößt Cisco in den Bereich des 40- und 100-Gigabit-Ethernet (GbE) vor. Im Gegensatz zu Konkurrenten, die das Thema Highspeed-Ethernet derzeit primär im Data Center sehen, kündigte Cisco entsprechende Lösungen sowohl für den Campus als auch für das Rechenzentrum an. Module zum Ausbau vorhandener Switches der Catalyst- und Nexus-Reihen gehören ebenso dazu wie neue Chassis-Modelle. Neue Software wie etwa "Cisco Easy Virtual Network" oder das Toolset "Cisco Catalyst Smart Operations" sollen bei der Verwaltung und beim Deployment in virtualisierten Umgebungen helfen.