IT-Strategietage 2017

CIOs auf Speed

17.02.2017
Die 15. Hamburger Strategietage stehen in diesem Jahr unter dem Motto "It’s all about Speed", und besser hätte das Thema kaum gewählt werden können – obwohl auch die Innovation ein Leitthema in der Hansestadt ist.
Unaufgeregt erklärte Bernd Herrmann von der Würth-Gruppe, wie sich der "Schraubenhändler" auf die Omnichannel-Zukunft einstellt.
Foto: Foto Vogt

"Die digitalen Wettbewerber schießen wie Pilze aus dem Boden", nannte Bernd Herrmann, Mitglied der Konzernführung bei der Würth Gruppe, gleich zum Auftakt der Veranstaltung die zentrale Herausforderung für sein Unternehmen. Der "Schraubenhändler" aus Künzelsau, der heute 72.000 Mitarbeiter - davon 32.000 Verkäufer - beschäftigt und 11,8 Milliarden Euro jährlich umsetzt, ist dabei sein Vertriebsmodell zu drehen. Der Direktvertrieb sei und bleibe die "DNA des Unternehmens", doch müsse er zu einem Multikanal-Modell ausgebaut werden.

Der Anteil des E-Business am Gesamtumsatz liegt bei Würth derzeit bei 14 Prozent, er soll auf 25 Prozent gesteigert werden. "Multichannel ist das, was wir in Zukunft brauchen", sagte Herrmann in seiner Keynote-Rede. Er erwähnte eine interne Potenzialanalyse, die gezeigt hatte, dass deutlich mehr Umsatz mit jedem einzelnen Kunden möglich sei, wenn die Ansprache über verschiedene, intelligent gekoppelte Kanäle erfolge.

Das Thema Speed spielt für Herrmann eine wichtige Rolle: "Das Wettbewerbsumfeld wird vielschichtiger und schneller." Konkurrenten wie Amazon Business, Grainger oder die großen Baumärkte bedrohten das klassische Geschäftsmodell. Hinzu komme der Effekt, dass die Digitalisierung den Handwerkern, der typischen Würth-Klientel also, mehr Transparenz bringe.

Hamburger IT-Strategietage Umfrage "It's all about speed"
"It's all about speed"
Für die Hamburger IT-Strategietage 2017 hat das CIO-Magazin Manager gefragt, was sie über das Motto "It's all about speed" denken. Was steht in Sachen digitale Transformation ganz oben auf der Agenda?
Ralf Gernhold, Miles & More
Der CIO von Miles & More, Ralf Gernhold, stellt eine Gegenthese auf: "Digital Transformation: It’s all about Speed? It’s all about Culture!"
Roger Kehl, Festo
Festo-CIO Roger Kehl nennt zwei Stichworte: "Erstens Cloud first – Umbau der bestehenden IT-Landschaft in eine hoch skalierbare, flexible und schnelle IT-Infrastruktur. Und zweitens Big Data & Analytics Plattformen für real time Datenanalyse, Machine Learning et cetera – wichtig für Produktion oder unsere eigenen Produkte (IoT) und die neuen Geschäftsmodelle."
Martin Niemer, VMware
Martin Niemer, Europa-Marketingleiter bei VMware, erklärt: "In einer Studie, die letztes Jahr veröffentlicht wurde, gaben fast die Hälfte der knapp 4.000 weltweit befragten Entscheider an, dass sie nicht sagen könnten, wie es um ihr Business in drei Jahren aussieht. Um den schnellen Veränderungen begegnen zu können, gilt es, die IT sowohl auf der technischen wie organisatorischen Seite dafür vorzubereiten, so dass sie auf die sich schnell verändernden Anforderungen reagieren kann."
Martin Wibbe, Atos
Senior Vice President & COO bei Atos Martin Wibbe sagt: „Mit unseren Kunden entwickeln wir gemeinsam neue Umsatzmöglichkeiten durch neue Geschäftsideen, ermöglicht durch neuste Technologie! Wir unterstützenmit unserem Netzwerk und unseren Erfahrungen und Methoden! Wichtig ist zu sehen wo die Digitale Transformation am ehesten Werte schafft für die Unternehmen, sowohl kurzfristig als auch mittelfristig. Dabei gibt es keinen Standard! Es braucht nur Mut! “
Matthias Spott, Kaskilo
CEO der Kaskilo AG ist Matthias Spott. Für ihn heißt Speed, "schnellstmöglich die Raumfahrt nicht mehr nur als Selbstzweck, sondern als Enabler für die Digitalisierung all unserer Industrien zu positionieren. Früher war Raumfahrt zumeist staatlich getrieben, teuer und langwierig. Heute wird Raumfahrt zunehmend kosteneffiziente, zielgerichtete und leistungsfähige Infrastrukturen bereitstellen, die wir für alle Arten von Anwendungen und Dienstleistungen nutzen werden."
Daniel Hartert, Bayer
Bayer-CIO Daniel Hartert bringt es schnell auf den Punkt: "It’s all about value creation for the consumer / customer."
Jochen Fauser, Deloitte
Jochen Fauser, Partner Technology Strategy & Architecture bei Deloitte, sagt: "Für eine erfolgreiche digitale Transformation muss schnellstmöglich die Integration von Kernsystemen vorangetrieben werden, um dem Kunden tiefgehend nutzenbringende Funktionalitäten zur Verfügung zu stellen – und nicht nur auf grafisches Begeisterungsmoment zu setzen."
Matthias Frühauf, Veeam
Matthias Frühauf ist Regional Presales Manager CEMEA bei Veeam Software. Er sagt: "Im Rahmen der digitalen Transformation werden immer mehr Businessmodelle durch Servicedienstleistungen ergänzt oder abgelöst. Die Fehlertoleranz auf Seiten der Kunden – oder besser gesagt: User – ist gleich Null: Services müssen 24x7 zur Verfügung stehen… und das 365 Tage im Jahr. Ein gut strukturiertes Hochverfügbarkeitskonzept mit minimalen Ausfallzeiten ist deshalb essentiell für den Erfolg."
Michael Hilzinger, Klöckner
Auf der Agenda von Michael Hilzinger, Managing Director bei Klöckner, stehen vier Punkte: "Erstens Bau einer skalierbaren Plattform für digitales Geschäft, zweitens insbesondere Digitalisierung der Kommunikationskanäle und des Datenflusses Richtung Kunden und auch Richtung Supplier sowie drittens vertikale, digitale Tiefenintegration mit Systeme von Kunden und viertens Öffnung der Plattform für Dritte."
Heiko Packwitz, Lufthansa Industry Solutions
Heiko Packwitz, Chief Marketing & Communications Officer bei Lufthansa Industry Solutions, sagt: "Unsere Aufgabe ist es an allererster Stelle, unsere Kunden in die Lage zu versetzen, mit dem rasanten Tempo des Wandels umzugehen. Dabei müssen unsere Berater die richtigen Technologien und Methoden der digitalen Transformation zum passenden Zeitpunkt sicher beherrschen. Labs und eine strategische Entwicklung der Mitarbeiterkompetenzen sind hier wichtige Maßnahmen."
Burkhard Kaufmann, Bitmarck
Bitmarck-Geschäftsführer Burkhard Kaufmann sagt: "Auf der Prioritätenliste ganz oben steht die Ausrichtung der Organisation und des Mindsets der Mitarbeiter. Ohne das Verständnis für die Notwendigkeit der massiven Veränderungen und die Bereitschaft sich auf diese einzulassen und diese aktiv zu gestalten, wird keine digitale Transformation gelingen."
Lumir Boureanu, Eurodata
Für Lumir Boureanu, Geschäftsführer von Eurodata, bedeutet Speed: "Weg zum Nischendenken, hin zur Vernetzung! Eigene Kompetenzen in digital Value umsetzen."
Oliver Blüher, Dropbox
Oliver Blüher, Country Manager DACH & Nordics bei Dropbox, sagt: "Der Mitarbeiter – in dem ganzen Hype um Plattformen, verbundene Geräte, selbststeuernde Fahrzeuge und Geräte wird der Mensch gerne vergessen. Es wird eine gewaltige Herausforderung sein, den Menschen auf diesem Weg des Wandels mitzunehmen."
Thomas Fischer, All for one Steeb
Thomas Fischer, Digital Strategist und Managing Director bei All for one Steeb, erklärt: "Frei nach Bill Clinton: It’s the unternehmenskultur, stupid! Ob man es Speed, Agilität oder Innovationsfähigkeit nennt – Sie werden hier nichts wirklich bewegen, wenn Ihr Unternehmen von starrer Hierarchie und Sicherheitsfokussierung bestimmt wird."

Damit, so der Manager, stehe die IT vor vielfältigen Herausforderungen. Die IT-Strategie sieht er als Basis für eine erfolgreiche Geschäftsmodell-Entwicklung. Die Devise bei Würth laute nicht zentral statt dezentral, sondern Harmonisierung und Standardisierung der IT-Systeme. Was das konkret bedeutet, erläuterte an einem Beispiel: In den mehr als 400 Gesellschaften in 80 Ländern arbeiteten heute rund 100 verschiedene ERP-Systeme. Nun gehe es darum, diese dezentralen IT-Assets zu harmonisieren.

Ein anderes Beispiel sei der Aufbau von E-Business-Ökosystemen, die Würth lange Zeit selbst entwickelte. Herrmann: "Heute setzen wir dazu auf Standardprodukte von Marktführern wie beispielsweise SAP." Erfolgsentscheidend bei all den Bemühungen sei am Ende die volle Rückendeckung aus der Unternehmensführung. Herrmann: "Die Umsetzung der IT-Projekte ist bei Würth immer im Topmanagement verankert."

Bayer will nur mal schnell die Welt retten

Auch bei der Bayer AG wird die IT zum Innovationsmotor, wie CIO Daniel Hartert erläuterte.
Foto: Foto Vogt

Auch im Vortrag von Bayer-CIO Daniel Hartert spielte Speed eine wichtige Rolle. Dem CIO geht es dabei vor allem um die Innovationsgeschwindigkeit, haben die Leverkusener sich doch vorgenommen, die ganz großen Herausforderungen rund um Gesundheit und Ernährung anzugehen. "Weltweit gehen die Ackerflächen kontinuierlich zurück", konstatierte der Bayer-CIO. "Wir bekommen das hier gar nicht so mit, aber in Asien und Afrika ist das ein enormes Problem." Gleichzeitig wachse die Weltbevölkerung und die Lebenserwartung steige rasant. Die Folgen: Von immer weniger Land müssen immer mehr Menschen ernährt werden. Dabei wächst die Anzahl der benötigten "Kalorien pro Kopf" und der Wasserbedarf. Mit der Lebensdauer und der Bevölkerungszunahme wachsen zudem die chronischen Krankheiten.

Bayer stelle sich neu auf, um diesen Herausforderungen zu begegnen, man sei auf dem Wege, ein "Total Health Care Provider" zu werden - und das werde nur gelingen, wenn "IT- und Business-Leadership" zusammengingen. Wolle die IT diese Herausforderung annehmen, brauche sie vor allem eines: Die interne Reputation als Innovationsmotor. Hier investiert Bayer viel. Über die Plattform "Hype" sammelt der Chemiegigant die Ideen der Mitarbeiter ein - allein 2016 kamen 354 Vorschläge zusammen. In dem Projekt "5x5 Startups" werden mehrmals im Jahr fünf herausragende Talente aus dem weltweiten Konzern für fünf Wochen zusammengezogen, um wie in einem Startup ein Problem zu lösen. Sie berichten fortlaufend in Blogs und mit Social-Tools. Weitere Initiativen betreffen Crowdsourcing, einen Brutkasten für Start-ups, ein MeetUp-Programm und mehr.

Geschwindigkeit kann der Konzern auch durch sein "Bayer-Cloud-Programm" (BCP) aufnehmen, in dem verschiedene Themen und Ressorts zusammengefasst sind. Hartert machte klar, dass sein Konzern ohne die Cloud bei weitem nicht die Rechenleistung zusammenbringe, die nötig sei, um bestimmte Projekte, etwa im Bereich Digital Farming oder Genomics, umzusetzen. "Ohne die Cloud können wir nicht mehr innovativ sein", sagte der CIO. Man bekomme am Markt auch keine innovative On-premise-Software mehr, so Hartert weiter, die Industrie habe längst alle Weichen Richtung Cloud und SaaS gestellt.

Absage an bimodale IT

Amüsiert nahmen viele Zuhörer Harterts nur am Rande erwähnte Absage an die Two-speed-IT zur Kenntnis. "Bimodal IT is not the silver bullet", sagte der CIO. Er begründete das damit, dass die IT-Leistung über alle Systeme hinweg skalieren müsse. Im Vortrag davor hatte Gartner-Analyst Frank Ridder das Gegenteil gesagt: Eine IT der zwei Geschwindigkeiten sei eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung des digitalen Wandels.

Dass Hartert mit seinem Kurs auf Speed und Innovation nicht alleine ist, belegte eine Blitzumfrage unter CIOs, die auf den Strategietagen um ihre "Botschaften an die Kollegen" gebeten wurden. Ralf Gernhold, CIO von Miles & More, empfahl Innovation Center innerhalb der eigenen Unternehmen zu gründen - "und nicht in Kalifornien oder Berlin!" IT-Abteilungen müssten heute als Innovationsschmieden mit klarem Wertbeitrag fürs Business aufgestellt sein, nicht als Cost Center.

Das Spielfeld des CIO wird neu vermessen

Fest-CIO Roger Kehl glaubt, dass "Breite und Länge des Spielfeldes für den CIO neu vermessen werden". Durch Industrie 4.0 stellten sich der IT neuen Herausforderungen in der Produktion und auf der Produktseite entstünden neue Geschäftsmodelle durch IoT. Diese Herausforderungen müssten in proaktiv und kollaborativ angegangen werden. Als zweites empfahl der CIO des Jahres 2016 Mut zur Veränderung. "Unser Umfeld ist geprägt durch ständige Paradigmenwechsel und Disruption - warum nicht auch die eigene Organisation, das Liefermodell oder die Zusammenarbeit im Unternehmen?"

Dass die Digitale Transformation ist keine reine IT-Disziplin sei und es einer klaren Priorisierung durch Top Management und CEO bedürfe, machte Michael Hilzinger, General Manager bei Klöckner, deutlich. "Ohne IT geht es nicht, aber IT alleine reicht nicht", so Hilzinger. Zudem müssten CIOs daran arbeiten, ihre "Keep-the-lights-on-Aktivitäten" zu automatisieren, um Ressourcen für Innovationsprojekte zu schaffen. Und schließlich werde Speed in der Enterprise IT nur durch einen radikalen Fokus auf den Kunden- und den Anwendernutzen gelingen. "Bei den Methoden müssen wir weg vom Wasserfall-Ansatz hin zum Build-Measure-Learn-Cycle, Prototypen schnell einem eingeschränkten Nutzerkreis zur Verfügung stellen und mittels Nutzer-Feedback verbessern."