Schon seit einiger Zeit, insbesondere durch das US-Startup Slack, hat sich in der Diskussion der Enterprise IT neben den großen Trendthemen das Thema Chat und Kommunikation weiter in den Vordergrund gedrängt.
Dabei geht es im Wesentlichen doch nur darum, dass die jahrelang praktizierte direkte, verbale Kommunikation und Zusammenarbeit nun auch im digitalen Zeitalter entsprechend ermöglicht wird, oder? Denn letztlich werden Kaffee-Küche, Büros und Meeting-Räume jetzt digital gemacht, um Projektarbeit und Diskussionen auch über die neuen Arbeitsplattformen laufen zu lassen. Was bringt die Unternehmen dennoch dazu, dem Aufbau einer solchen „Chat-basieren Arbeitslandschaft“ derlei Aufmerksamkeit zu schenken?
Hier spielen gleich mehrere Faktoren eine Rolle. Angebot, Nachfrage und ein neues digitales Mindset sind hier vorrangig:
Digital Workstyle: Unternehmen erkennen zunehmend, dass die neue Form der Arbeit mehr Flexibilität, Mobilität und digitale Unterstützung braucht. Immer mehr entwickeln sich konkrete Zielvorgaben und Konzepte, um den digitalen und mobilen Arbeitsplatz umsetzen zu können. Nicht nur, weil der private digitale Lifestyle die Unternehmen zum Handeln zwingt, sondern auch die Möglichkeiten für Produktivität und Innovation stehen jetzt mehr und mehr im Vordergrund.
Tragende Wände: Software, Services und Apps für das digitale Arbeiten gibt es zuhauf. Von der Management-Suite bis zum Filesharing haben die letzten Jahre so einige Neuerungen hervorgebracht. Das Wesentliche, eine einheitliche Plattform, die sämtliche Einzeltools verbindet und vor allem den Austausch untereinander in Projekten und darüber hinaus sicherzustellen, wurde nicht selten vernachlässigt. Bis auf einige Insellösungen lief der Fortschritt hier nur schleppend – dies ändert sich derzeit.
Investitionsbudgets: Die Unternehmen haben vielerorts die Grundlagen geschaffen, um technologisch und organisatorisch den nächsten Schritt zum digitalen Arbeitsplatz zu schaffen. Dazu werden zunehmend Budgets bereitgestellt, die es erst ermöglichen, die Lösungen auch sinnvoll einzusetzen.
Technology-Push: Slack hat es vorgemacht und lange relativ konkurrenzlos einen neuen Markt prägen können. Wie Tempo-Taschentücher, Pampers-Windeln oder Aspirin-Schmerztabletten wurde aus Enterprise Chat-Systemen oder „Chat-basierten Arbeitsplätzen“ schnell „Slack“. Mittlerweile ziehen viele Anbieter, wie insbesondere Microsoft (Teams in Office 365) oder auch Cisco (Spark) nach und bringen neue Features und Integrationsmöglichkeiten, um die Chat-Plattform als neuen Knotenpunkt beziehungsweise Hub im digitalen Arbeitsplatz zu etablieren.
Der Erfolgsfaktor der Chat-based Workspaces
Auf den ersten Blick bleiben die Angebote wie Slack, Microsoft Teams und Co. mehr oder weniger unspektakuläre Chat-Plattformen. Hier sammeln sich einige altbekannte Features, die aus den diversen Collaboration-Services der vergangenen Jahre kommen oder simpel Chat-Funktionen sind, die im Consumer-Bereich lange existierten und spätestens durch WhatsApp jedem geläufig sind. Kernfeature bleibt folglich der mehr oder weniger ungezwungene Austausch zwischen zwei und mehr Personen.
Viel wichtiger sind allerdings in diesem Fall der zweite Blick und die Möglichkeiten, die mit diesen Chat-Plattformen erst eröffnet werden. Denn als integrierte Plattform und als Hub der digitalen Arbeit haben diese Plattformen eine ganz zentrale Aufgabe. Bislang wird digitale Arbeit oft als „Insel-Gruppen-Lösung“ genutzt. Viele Anwendungen, die mit einzelnen Schnittstellen integriert werden, laufen unter dem Strich aber weitgehend autonom. Über zentrale Management-Plattformen, Suites, Bundles und Co. wird versucht eine einheitliche Oberfläche zu erzeugen. Dennoch fehlte es bislang vor allem am direkten Austausch und der Plattform, wo die einzelnen Insellösungen so zusammenlaufen, dass eine Trennung der Anwendungen noch weniger wahrgenommen wird.
Die neue Generation der Chat-based Workspaces legt den Austausch der Mitarbeiter und die virtuellen Meeting- und Pausenräume ins Zentrum des digitalen Arbeitens. Rundherum können die unmittelbar angebundenen Lösungen den Zugriff und die Bearbeitung der Daten und Informationen ermöglichen. Dieses Ökosystem kann (unter gewissen Voraussetzungen der Integrierbarkeit – proprietär vs. Offen) beliebig erweitert werden und so auch diverse bestehende Anwendungen, Services und Suiten des klassischen Digital Workplace zuverlässig anbinden.
Woran es bisher noch etwas fehlt ist die Integration der „Non-Users“, also externer Anspruchsgruppen wie Partner und Kunden, die keine unmittelbaren Produktnutzer sind und erst hinzugefügt werden. Hier stehen sich der Hub-Charakter mit Zugang zu allen Anwendungen und die Offenheit im Wege. Während Slack dies noch halbwegs einfach ermöglicht, setzt Microsoft Teams ein bestehendes Business-Konto von Office 365 voraus. Die Einschränkung gilt es aber zu überwinden, um in der Gunst der Anwender zu steigen.
Chat-based Workspaces 2017
In diesem noch jungen Marktumfeld wird sich 2017 einiges tun. Die Taktfrequenz neuer Releases und Anbieter wird schnell zunehmen – gerade jetzt wo neben Slack ernste Konkurrenz am Horizont erscheint. Bestehende Anbieter aus verwandten Märkten, wie beispielsweise Citrix/LogMeIn (GoTo-Familie), Unify (Circuit) oder Jive, haben schon sehr ähnliche Lösungen und hohe Synergie-Potentiale, diese auch als Chat-based Workspace-Hub aufzubauen. Und auch einige Start Ups werden nach dem Vorbild von Slack in den Markt drängen und möglicherweise neue Ideen rund um das Kernfeature Chat bieten.
Zweierlei Dinge sind in diesem Zuge allerdings auch zu erwarten: Produkte werden zu Features: Der Unterschied zwischen Slack und Microsoft Teams (als plakatives Beispiel) liegt vor allem darin, dass Slack eine eigenständige Lösung und Microsoft Teams ein Feature in Office 365 ist. Tendenziell wird es sich so entwickeln, dass alle vergleichbaren Chat-Suiten zu Features innerhalb der Chat-Based Workspaces werden. Teilweise gelingt dies auch durch Partnerschaften, wie es derzeit Slack und Google vormachen. Letztendlich wird auf diesen Wegen schnell die Integration und der Hub-Charakter der Chat-based Workspaces ausgebaut.
M&A-Welle kommt: Viele Startups, die neu in den Markt drängen, werden schon bald von bestehenden Unternehmen aufgekauft. Die etablierten Anbieter tun gut daran, ihren bestehenden Lösungen noch etwas „Querdenken“ zu verpassen, um in diesem dynamischen Marktsegment die Schlagzahl mitgehen zu können. Insbesondere diejenigen, die nicht frühzeitig die Entwicklung vorgegeben haben, werden sich an Zukäufen bedienen. Auch Partnerschaften zwischen Startups und Big Playern sind denkbar.
Auf der anderen Seite sind es aber vor allem die Anwender, die im Jahr 2017 mit ihren Chat-based Workspaces durchstarten werden. Die Voraussetzungen für die neue Anwendungslandschaft sind mehrheitlich geschaffen. Um nicht den Anschluss zu verlieren ist es ratsam, sich schnell mit den entsprechenden Lösungen zu befassen und die Rahmenbedingungen für den integrierten Chat-based Workspace schnell festzulegen.
Empfehlungen für Entscheider
Digital Workplace Maturity: Wie weit ist der digitale Arbeitsplatz in den Unternehmen bereits etabliert? Eine Bestandsaufnahme ist die Grundvoraussetzung für die Erweiterung der bestehenden Landschaft. Existieren bereits die Endgeräte, Richtlinien und Prozesse im Unternehmen, um digital Arbeiten zu können? Es ist nicht notwendig, auf der Anwendungslandschaft bereits vollkommen ausgerüstet zu sein, um den Chat-based Workspace aufzubauen. Es sollte aber für die Mitarbeiter bereits die Möglichkeit geben, schnell die relevanten Services einzusetzen, hinreichend viele Features zu Verfügung zu haben und vor allem die Produktivität durch klare Organisationskulturen nicht einzuschränken.
Produkt versus Suite: Bei SaaS- und Cloud-Anwendungen ist die Gefahr eines Vendor-Lock In nahezu nicht gegeben. Gefällt die Lösung nicht, ist sie spätestens Ende des Monats weg. Allerdings sollten die Entscheider dennoch langfristig ihre Kaufentscheidung treffen. Denn die Verknüpfung und Individualisierung der gesamten digitalen Arbeitsplatz-Landschaft kann aufwändig sein und bedarf großer Sorgfalt, damit das Hauptziel schlanker IT mit gewinnbringenderen Mehrwerten bei den Mitarbeitern eingehalten werden kann.
Startup vversus Big Player: Die Anbieterlandschaft ist sehr heterogen. Von innovativen Startups bis zu den IT-Riesen werden spätestens 2017 genügend Angebote vorhanden sein. Teilweise haben diese einen eher proprietären, teilweise einen eher offenen Charakter. Es hängt vor allem von der bisherigen IT-Landschaft und dem Geschmack der Unternehmen ab, welches Modell sie favorisieren. Auch in bestehende Landschaften können die Chat-Hubs von neuen Drittanbietern stammen. Passende Integrationsmöglichkeiten und Investitionssicherheit bzw. Landfristigkeit sind hier die Kern-Argumente. So können auch Startups und junge Innovatoren die passende Lösung bieten.
Jetzt erst recht: Der digitale Arbeitsplatz ist Realität. Die Unternehmen tun gut daran, sich schnell mit der Professionalisierung des Ganzen zu befassen. Auch die Anbieter holen versäumtes jetzt nach. Die Anwender haben aber nicht mehr ewig Zeit, um sich in Position zu bringen. Mit Security & Datenschutz „built in“ und der Flexibilität der Cloud-Services sollten wichtige Hürden genommen werden. Eine überlegte, aber zeitnahe Entscheidung und Umsetzung sollte die klare Forderung der Mitarbeiter und weiteren Führungskräfte an die Entscheidungsgremien sein.