Mit Salesforce auf Digitalisierungstrip

CeBIT 2016 gewinnt mit IT-Knowhow des Gastlandes Schweiz

01.12.2015 von Jan-Bernd Meyer
Klein ist die Schweiz, das Gastland der nächsten CeBIT im März 2016 - aber oho. Was das Alpenland an IT-Expertise vorweisen kann, was Startups zwischen Genf, Bern, Zürich und St.Gallen an Lösungen in Zeiten der Digitalisierung entwickeln, ist erstaunlich.

2015 war das Jahr eines Schwergewichts als Gastland. Alibaba, Huawei, Lenovo, ZTE oder Xiaomi waren nur einige großkalibrige Unternehmen der insgesamt 600 Aussteller aus China. Von dort führte Deutschland im Jahr 2014 IT-Waren im Wert von mehr als 14 Milliarden Euro ein. Der chinesische IT-Markt war im vergangenen Jahr etwa 350 Milliarden Euro schwer - doppelt so groß wie der deutsche und fast halb so groß wie der US-amerikanische. Das ist ein Wort. Zudem sah sich Bitkom-Präsident Dieter Kempf auf der CeBIT 2015 zu der anerkennenden Aussage veranlasst, China besitze einen Startup-Markt, von dem hierzulande noch Einiges gelernt werden könne. Das war die CeBIT 2015.

Und nun also die kleine Schweiz

Ein Vertreter der Deutschen Messe AG konzedierte in Anbetracht solcher Vergleiche, dass man natürlich von der Schweiz nicht den Schub erwarten dürfe, den ein Gastland wie China ausgelöst habe. Nimmt man die 40 Aussteller aus der Schweiz, die ihr Kommen an die Leinestadt bislang zugesagt haben, dann ist diese Zahl im Vergleich zu den 600 chinesischen Ausstellern natürlich wenig. Würde man die Bevölkerungszahlen der beiden Länder als korrelierenden Vergleich in die Waagschale werfen, relativierte sich die Zahl der schweizerischen Aussteller allerdings schon etwas.

Natürlich aber rühren Ruedi Noser, Präsident ICT Switzerland - dem Pendant zum deutschen Bitkom -, und Andreas Kaelin, Geschäftsführer von ICT Switzerland, ordentlich die Werbetrommel für den schweizerischen Auftritt auf dem Hannoveraner Messegelände vom 14. bis 18. März 2016. Ziel ist laut Noser, die Schweiz als führenden und verlässlichen Forschungs- und Wirtschaftspartner zu präsentieren, zudem die Sichtbarkeit der Schweiz als erfolgreiche ICT-Nation zu erhöhen und schließlich innovative Stärken und digitale Kompetenzen als DNA der Schweiz darzustellen.

Digitalisierung und digitale Transformation

Diesbezüglich hat die Schweiz Einiges zu bieten. Das wird man insbesondere in Halle 6 auf dem Messegelände beurteilen können, wo sich der zentrale Anlaufpunkt der Schweiz befinden wird. Die Schweiz sei "mit ihrer Spitzenforschung zu Fragen der Digitalwirtschaft und der hohen Umsetzungskompetenz in Anwenderindustrien ein international führender Treiber für digitale Innovationen", konstatierte Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, auf der Auftaktveranstaltung des Gastlandes in Luzern. Auf der CeBIT würden die Eidgenossen ihr "exzellentes Knowhow und die hochwertigen Lösungen der Schweizer IT-Industrie einem internationalen Publikum präsentieren" können, so Frese weiter.

Die CeBIT 2016 werde im Übrigen, so die Hoffnung von Frese, eine ähnliche Größenordnung haben wie die Veranstaltung des Jahres 2015: "Und vielleicht legen wir noch einen Schnaps drauf."

Apple kauft Faceshift - Lieferant für Star Wars

Was die Schweizer an IT-Knowhow und Entwicklerpotenzialen zu bieten haben, davon weiß kein Geringerer als Apple ein Lied zu singen. Das teuerste Unternehmen der Welt hat gerade erst bestätigt, dass es bereits im Sommer 2015 Faceshift für eine nicht bekanntgegebene Summe gekauft hat. Gegründet im Sommer 2012 von Thibault Weise, Brian Amberg und Sofien Bouaziz in Zürich, spezialisierte sich das Startup auf Motion-Tracking-Techniken. Faceshift ist ein Spinoff der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

Auf Faceshift wurden übrigens schon seit längerem die "Star Wars"-Filmemacher aufmerksam. Sie nutzten deren Motion-Capture-Technik in jüngsten Produktionen. Hierbei werden via eine Webcam die Gesichtsausdrücke eines Schauspielers auf ein virtuelles 3D-Modell übertragen. Lächelt also der Schauspieler, lächelt auch Yoda.

Natürlich dürfte Apple die Faceshift-Technik vor allem für Gesichtserkennungs-, Augmented-Reality- oder etwa Security-Aspekte nutzen. Nicht umsonst hatte sich das kalifornische Unternehmen bereits früher mit Unternehmenszukäufen wie dem israelischen Kinect-Entwickler PrimeSense, dem schwedischen Gesichtserkennungsspezialisten Polar Rose und dem Münchner AR-Experten Metaio verstärkt.

FinTech, Drohnen, Health Care, Predictive Management, interne Kommunikation - so viel digitale Kompetenz

Was allein in Zürich, wo schon Albert Einstein am Polytechnikum studierte, an Startup-Mentalität, digitalem Transformationsgeist und Erfindungsreichtum zu finden ist, kann einem Sunnie Groeneveld erzählen. Groeneveld sieht aus wie ein Model. Aber eines, das an der US-amerikanischen Eliteuniversität Yale Wirtschaft studiert hat, in Kalifornien für das Y-Combinator-Gründerzentrum tätig war, ein Buch schrieb ("Inspired at Work - 66 Ideen für mehr Engagement und Innovation im Unternehmen") - und jetzt als Geschäftsführerin der industrieübergreifenden Standortinitiative DigitalZurich2025 tätig ist. Zudem hat sie das Beratungsunternehmen Inspire925 gegründet, das sich auf das Thema Mitarbeiter-Engagement spezialisiert hat.

Fintech - Krypto-Technik - Bitcoins

Groeneveld kann einem von Monetas berichten, einem Softwareunternehmen aus Zug. Monetas hat eine Crypto-Finanz-Technik entwickelt, die es erlaubt, via ein digitales Notariat Finanz- und Vertragstransaktionen weltweit zu erledigen. Hierbei nutzt Monetas so genannte Off-blockchain-Techniken (im Unterschied etwa zu den Blockchain-Techniken, wie sie bei Bitcoin eingesetzt wird).

Oder von Learn Technologies, einem Schweizer Softwareunternehmen, das sich auf die Entwicklung dreidimensionaler Trainingssimulationen und lernorientierter Spiele spezialisiert hat. Dessen CEO und Gründer Michael Bodekaer hat übrigens schon fünf andere Startups gegründet. Eins davon ist Labster. Labster hat sich auf die Vermittlung von Life-Science-orientierten Lerninhalten und die Durchführung von Laborexperimenten im dreidimensioneln virtuellen Raum spezialisiert.

Groeneveld kann aber auch von der Aerotainment Labs GmbH erzählen, einem jungen Spinoff der ETH Zürich. Die haben ein Flugsystem entwickelt, das interaktive Unterhaltung für kleine und große Events bietet.

Ebenfalls ein Spinoff der ETH Zürich ist Beekeeper. Dessen Enterprise Mobile Messaging Lösung bietet die komplette Vernetzung vom Unternehmen mit seinen Mitarbeitern. Ein Dashboard ermöglicht die Kommunikation mit Workflows zu automatisieren.

Sci-Fi-Filme Minority Report und Iron Man standen Pate

Anleihen aus Sci-Fi-Filmen wie "Iron Man" oder "Minority Report" machen die Softwareentwickler von Dizmo. Sie sind ebenfalls in Zürich ansässig. Die Leute um Mitgründer Luigi Mantellassi verstehen sich darin, jede digitale Oberfläche in eine universelle und intuitive Benutzerschnittstelle zu verwandeln. Die verbindet nahtlos digitale und physikalische Objekte zuhause wie am Arbeitsplatz miteinander. So wird der direkte und interaktive Zugang zu jeder Art von Daten ermöglicht. Wie im Sci-Fi-Film eben. Nicht umsonst spricht Mantellassi auch vom Interface der Dinge, wenn er über die Dizmo-Entwicklung referiert.

Groeneveld könnte einem noch zig weitere Erfolgsgeschichten von Startups aus dem Energieumfeld der Zürcher und anderer Schweizer Universitäten erzählen. Auch so aber bekommt man beim Besuch in der Schweiz einen Eindruck von der Innovationskraft in Sachen Digitalisierung, digitaler Transformation, der intelligenten Entwicklung im Umfeld von IoT etc., die kennzeichnend zu sein scheinen für das Innovationsklima in der Schweiz.

E-Health: Ein Fall für die Post

Ein schönes Beispiel, wie vergleichsweise unkonventionell die Schweizer digitale Lösungen angehen, ist "Vivates", die E-Health-Drehscheibe, die medizinische Daten sicher dezentral ablegt und zielgenau den richtigen Adressaten zugänglich macht, wie Renato Gunc, Leiter E-Health bei der Schweizer Post, sagt. Unkonventionell und für Deutschland vielleicht nicht ohne weiteres vorstellbar ist die Tatsache, dass Vivates eben bei der Schweizer Post entwickelt wurde. Man stelle sich vor, die Deutsche Bundespost würde mit so etwas wie einem digitalen Gesundheitskartensystem auf den Plan treten. Gunc ist da ganz entspannt. Wer krank sei, würde gerne schnell und kompetent behandelt werden. Da sei ein effizienter und sicherer Datenfluss zwischen Patient und behandelndem Arzt oder Krankenhaus wichtig. Und da sich die Post schon immer auf die sichere Übertragung von Informationen verstanden hätte, sei eine Entwicklung wie Vivates eigentlich logisch.

Veranstaltungen der Schweiz auf der CeBIT

Das Gastland wird auf der CeBIT einige hochkarätig besetzte Veranstaltungen abhalten.

Am Montag, den 14. März 2016, findet der "CeBIT Switzerland Summit" statt. Neben Bundesrat Johann Schneider-Ammann wird unter anderem auch die Deutsche Bundesforschungsministerin Johanna Wanka präsent sein.

Ebenfalls am Montag findet die "Welcome Night" der Messe AG in den Hallen 8 und 9 statt. Diese ersetzt quasi die traditionelle Messeeröffnung, die 2016 am Sonntag, den 13. März, stattgefunden hätte. Da aber genau an diesem Tag in den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz Landtagswahlen stattfinden, schien es den Messeveranstaltern unwahrscheinlich, dass sich genau zur Bekanntgabe der Hochrechnungen und der vorläufigen Wahlergebnisse Politprominenz auf dem Messegelände in Hannover einfinden würde. Offiziell ist diese Erklärung natürlich nicht. Vielmehr verlautbart Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, "mit diesem neuen Themen-Setup" sei man "dem expliziten Wunsch der ausstellenden Industrie" nachgekommen.Eröffnet wird die Welcome Night durch den Schweizerischen Bundespräsidenten. Dieser steht noch nicht fest. Vielmehr wird er erst nach der am 9. Dezember 2015 stattfindenden Gesamterneuerungswahl der Landesregierung von der Vereinigten Bundesversammlung bestimmt. Turnusgemäß wird dies wohl der Bundesrat und aktuelle Vizepräsident Johann Schneider-Ammann werden. Zugesagt hat von deutscher Seite bereits Sigmar Gabriel, der stellvertretende Bundeskanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Die Keynote wird der CEO der Swatch Group, Nick Hayek, halten.

Am Dienstag, den 15. März, kommt es zum obligatorischen Eröffnungsrundgang. An diesem wird Bundeskanzlerin Angela Merkel den Schweizerischen Bundespräsidenten durch die Hallen führen.

Ebenfalls am Dienstag sowie am Donnerstag, den 17. März, veranstaltet das Gastland Schweiz ein "Networking Lunch".

Am Mittwoch, den 16. März, gibt die Schweiz zudem eine exklusive "Swiss Pavilion Executive Reception".

Gesundheitskarte von der Deutschen Post? Undenkbar!

Vivates ist eine modular aufgebaute Plattform, die aus den fünf Modulen Medikation, Behandlungsplan, Patientendossier, Berichtstransfer und Zuweisung besteht. Alle Module sind miteinander kombinierbar. Sie stellen den beteiligten Personen in sicherer, weil verschlüsselter Weise sämtliche Patientendaten zur Verfügung. Der emeritierte Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Jürgen Frölich, hat einmal festgestellt, dass in Deutschland jährlich Zehntausende Menschen an einer falschen Medikation sterben. Hier wird ersichtlich, wie wichtig insbesondere in ärztlichen Notfällen eine schnelle und korrekte medizinische Dateninformation über den zu behandelnden Patienten wäre. Unter anderem hierzu dient das Patientendossier von Vivates.

Knaller: CeBIT kooperiert mit Salesforce

Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, wartete Ende November noch mit einem Knaller auf: Die CeBIT hat mit dem US-amerikanischen Cloud- und CRM-Anbieter Salesforce eine Kooperation vereinbart. Danach wird die Salesforce-Hausmesse "Salesforce World Tour" am Mittwoch, den 16.3.2016, in Halle 19 stattfinden. Zudem belegt das US-Unternehmen während der gesamten CeBIT-Messe die Halle 23, um dort die "Cloud Expo" abzuhalten. Highlight am Mittwochabend soll zudem der Auftritt einer bekannten deutschen Musikband sein, wie Salesforce-Europachef Joachim Schreiner gegenüber der "Wirtschaftswoche" äußerte.

SAP is not amused

Man kann davon ausgehen, dass dieser Deal die SAP nicht erheitern wird. Wenn die Deutsche Messe AG ausgerechnet mit einem der führenden Anbieter von CRM-Plattformen und Cloud-Lösungen paktiert, dürfte sich bei dem deutschen Softwarehersteller einiger Unmut äußern. Nach unbestätigten Gerüchten soll Salesforce mit ihrem hallenfüllenden Konzept der World Tours und Cloud Expo vor Jahren schon einmal bei den Hannoveraner Messebetreibern vorstellig geworden sein. Seinerzeit habe angeblich SAP derlei Pläne zu verhindern gewusst.

Statement der Deutsche Messe AG: "Damit arbeitet die CeBIT im Jahr ihres 30. Jubiläums so eng mit einem Partner zusammen wie nie zuvor. Diese Kooperation unterstreicht die fortlaufenden Investitionen von Salesforce in Deutschland." Eben Letzteres dürfte der SAP auf ihrem ureigenen Hometurf nicht gefallen.

Neben den beiden Hallenkonzepten bespielt Salesforce nach den vorliegenden Plänen auch zusätzliche Bereiche auf der Freifläche. Hier wird Salesforce den CeBIT-Besuchern darstellen, wie Unternehmen mit den Lösungen der Salesforce Customer Success Platform ihre digitale Transformation kundenzentriert bewerkstelligen können. Das Salesforce-Management wird Keynotes abhalten. Live-Demos aktueller Technologien und Fallbeispiele von Kunden aus der Praxis gehören ebenfalls zum Programm.