CA-Manager Gupta: "Neue Funktionen lenken von Qualitätsmängeln ab"

30.09.2005
Über die Qualitätsprobleme von Softwareprodukten sprach Yogesh Gupta, Chief Technology Officer von Computer Associates (CA), mit CW-Redakteur Martin Seiler.

CW: Wenn ich an gute Software denke, fällt mir der Weltfriede ein: Beides ist unerreichbar. GUPTA: Nein, das sehe ich nicht so. Wir müssen das Ziel erreichen, hochwertige Software bereitzustellen. Das heißt nicht perfekt, aber mit einer guten Qualität. Wir haben keine andere Wahl.

CW: Wie soll das geschehen? GUPTA: Wenn wir über die Entwicklung von Anwendungen reden, dann denken wir immer an Programmierer oder Informatiker. Wir brauchen jedoch Softwareingenieure.

CW: Wo liegt der Unterschied? GUPTA: Ein Ingenieur nimmt Bekanntes und wendet es an, immer wieder und auf verlässliche Art und Weise. Er bedient sich dabei bestimmter Methoden und Prozesse.

CW: Sie fordern also mehr Standardisierung? GUPTA: Zunächst einmal brauchen wir eine bessere Ausbildung für Softwareingenieure. Als nächstes benötigen wir auch standardisierte Vorgehensweisen und Prozesse. Ich glaube aber auch, dass die Software stärker komponentenorientiert sein sollte. Standards ermöglichen das Schaffen von Programmbausteinen. Dazu gehört, dass die Schnittstellen bekannt sind und komplett offen liegen, so dass alle Hersteller auch wirklich interoperable Software entwickeln können.

CW: Eine schöne Vorstellung... GUPTA: Wir sind noch nicht an diesem Punkt, stimmt. Wir müssen aber dahin kommen, dazu zwingt uns schon die zunehmende Komplexität der IT.

CW: Würden die beschriebenen Maßnahmen die derzeitigen Probleme lösen? GUPTA: Nein, wir müssen zudem dafür sorgen, dass wir Fehlfunktionen besser in den Griff bekommen. Wenn etwas schief läuft, dann sollte das graduell feststellbar sein, und nicht plötzlich und unerwartet wie eine Katastrophe über die Anwender hereinbrechen.

CW: Können Sie ein Beispiel geben? GUPTA: Wenn heute ein Mail-Server abstürzt, ist davon von einem Moment zum anderen eine ganze Reihe von Mitarbeitern betroffen. Sie können weder E-Mails senden noch welche empfangen. Ingenieure entwickeln Lösungen mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass auch mal etwas schief laufen kann und was in einem solchen Fall geschehen sollte. Wäre es nicht wünschenswert, wenn das System den Fehler rechzeitig bemerken und Gegenmaßnahmen einleiten könnte, etwa indem es die Last auf einen anderen Server verlagert?

CW: Wie soll das erreicht werden? GUPTA: Über eine bessere Softwarequalität, aber auch über Möglichkeit, mit Fehlfunktionen umzugehen. Dabei könnten Zurückverfolgbarkeitsmöglichkeiten und erweiterte Überwachungsfunktionen helfen.

CW: Sie denken an neue CA-Lösungen? GUPTA: Nein, diese Funktionen sollten Bestandteil der jeweiligen Software sein. Natürlich sind dann Management-Tools denkbar, die auch auf diese Informationen zugreifen, sie auswerten und automatisch aktiv eingreifen, wenn sich ein Fehler anbahnt.

CW: Momentan müssen wir aber mit fehlerhafter Software leben, die immer wieder gepatcht werden muss. Ein Prozess, der Unsummen Geld verschlingt. GUPTA: Richtig, Hersteller und Anwender müssen diese Praxis teuer bezahlen. Damit sich langfristig etwas ändert, muss sich auch das Verhalten aller Beteiligten ändern, das gilt sowohl für Hersteller als auch für Anwender.

CW: Inwiefern? GUPTA: Viele Anwender schauen bei neuer Software viel zu sehr auf Funktionen und vergessen dabei die Qualität.

CW: ...weil sie nicht in der Lage sind, die zu beurteilen. GUPTA: Wieso? Jeder Anwender kann den Hersteller fragen, wie viel Patches er im vergangenen Jahr entwickeln musste, außerdem kann er versuchen, mit anderen Kunden zu reden. Die Qualität ist doch allgemein bekannt. Aber statt darauf zu schauen, lassen wir uns immer wieder von neuen Funktionen blenden. Wenn wir von CA ein neues Produkt vorstellen, heißt es immer gleich: "Was ist neu?" Stattdessen müsste die Frage lauten: "Wie sehr hat sich die Qualität verbessert?"

CW: Ich glaube nicht, dass sich diese Frage so einfach beantworten lässt. Nicht umsonst gibt es die fortwährenden Diskussionen, ob jetzt Linux oder Windows sicherer und damit besser ist. Es reicht nicht aus, nur die Zahl der gefundenen Schwachstellen und der Patches zu zählen. GUPTA: Dennoch bin ich überzeugt, dass Anwender Hersteller zu mehr Qualität zwingen können.

CW: Tun die CA-Kunden das? GUPTA: Unsere Kunden helfen uns, indem sie neue Produkte vor dem Erscheinen intensiv testen. Ein Beispiel: "Unicenter 11" ist ein wichtiges neues Release für uns. Als wir die Entwicklung abgeschlossen hatten, haben wir unseren Kunden eine Testversion bereitgestellt. Das war im vergangenen November. Seitdem arbeiten wir daran, auf Verbesserungsvorschläge einzugehen, die wir von den Anwendern erhalten. Wenn die uns sagen, dass sie mit dem Produkt zufrieden sind, dann werden wir ans Ausliefern denken, eher nicht. Das war bei CA nicht immer der Fall, aber wir haben dazugelernt.