Social Media Marketing Fuckups

Business-Webfails 2016

06.10.2016 von James A.  Martin und Florian Maier
So etwas wie einen Königsweg für Social Media Marketing gibt es nicht. Dafür aber ziemlich viele falsche Wege, wie diese acht Beispiele beweisen.

Hey, Social-Media-Marketing-Fuzzi! Ja, genau Du. Bekomme mal Deine Fakten auf die Reihe. Und engagiere jemanden, der Deine Tweets gegenliest. Vor dem Posten! Davor überlege Dir bitte, wie Deine Zielgruppe wohl auf den Inhalt reagiert. Und dann nochmal von vorne. Und bitte: Benutze ein separates Smartphone für Business-Posts, damit Dir etwaige Peinlichkeiten, die durch versehentlich abgesetzte, persönliche Status-Updates heraufbeschworen werden könnten, erspart bleiben. Und uns. Danke! Ach, und eines noch: Vergiss niemals, Social-Media-Land ist Troll-Land!

Fremdscham und Social Media gehen in einigen Fällen Hand in Hand.
Foto: cherezoff - shutterstock.com

Aus den größten und peinlichsten Social-Media-Marketing-Fuckups im Unternehmensumfeld, die das Jahr 2016 bislang aus sich herausgepresst hat, lassen sich etliche Lektionen lernen und lehren. In unsere Webfail-"Hall of Shame" hat es neben Aldi auch das amerikanische Justizministerium und das italienische Gesundheitsministerium geschafft. Herzlichen Glückwunsch!

Ist das nicht…?

Bereits im Vorfeld der Oscar-Verleihung 2016 werden öffentlich Vorwürfe der Bevorteilung hellhäutiger Schauspieler laut. Die Betreiber des Blogs "Total Beauty" setzen während der Veranstaltung einen Tweet ab, in dem Sie das Tattoo von Oprah Winfrey loben. Dumm nur, dass es sich bei der Person auf dem roten Teppich um Whoopi Goldberg handelt. Die ohnehin aufgeladene Atmosphäre entlädt sich schließlich in einem medialen Shitstorm auf "Total Beauty". Die haben den Tweet bereits nach einer Stunde wieder gelöscht, wie "Entertainment Weekly" berichtet; doch zu spät, denn Oprah hat bereits via Instagram reagiert und so dem Ganzen einen viralen Touch verliehen.

Die Bleichheits-Pille

In Thailand gilt ein heller Hautton als Statussymbol, ein dunkler Teint hingegen nicht. Ein thailändisches Kosmetik-Unternehmen ist sich der Globalität des World Wide Web wohl nicht bewusst, als es diese speziellen kulturellen Gepflogenheiten in eine Werbekampagne verpackt auf die digitale Reise schickt. Die Folge: weltumspannende Empörung, öffentliche Entschuldigung, Kampagnenstopp auf allen Ebenen. Merke: Globale Möglichkeiten, globaler Shitstorm!

Justizministerium off the record

Während sich im Juli Teile der Prominenz der republikanischen Partei versammeln, um Donald Trump offiziell zu ihrem neuen Guru zu küren, setzt das amerikanische Justizministerium einen Tweet ab, in dem es auf eine CNN-Story zur Rede von Melania Trump verlinkt und CNN als "größten Troll" überhaupt bezeichnet. Abgerundet wird das Ganze mit einem schelmischen "lmao" ("laughing my ass off").

Wenn das Justizministerium sich den "Arsch ablacht"...
Foto: Twitter

Wie das "Time Magazine" später berichtet, hat ein Mitarbeiter der PR-Abteilung versehentlich einen privaten Tweet über den offiziellen Account abgesetzt. Und weil wir zuvor die Social-Media-Marketing-Experten so ruppig angegangen sind: Liebe Unternehmenslenker und Entscheider - bitte sorgt dafür, dass Eure Mitarbeiter Unternehmens-Smartphones an die Hand bekommen. Das empfiehlt übrigens auch Mary Nice, Social-Media-Expertin beim Beratungsunternehmen Convince & Convert. Tun Sie das nicht, laufen Sie Gefahr, dass es immer wieder zu solchen Vorfällen kommt. Wobei dieser noch recht glimpflich ausgefallen ist. Da wären noch ganz andere Szenarien denkbar.

Das Lückentext-No-Go

Wenn Sie es mal so richtig darauf anlegen und sämtliche Trollhorden der Internetwelt locken wollen, posten Sie am besten einen Lückentext mit Aufforderung auf Twitter. Natürlich ist das Exemplar von Aldi Australien eine ganz besonders gelungene Einladung für fantasievolle Fäkalsprachen-Bastler:

Lückentexte wie dieser hier von Aldi Australien können nach hinten los gehen.
Foto: Twitter

Anschließend braucht das bestürzte Social-Media-Team nur noch dabei zuzusehen, wie die Schimpf- und Schmäh-Vokabeln im Sekundentakt eintrudeln. Vorschläge wie "diarrhea" haben wohl noch zu den vorzeigbarsten gehört, wie ein australisches News-Portal berichtet.

Erfolgsbeispiele für Social Media Marketing
Pizza kommt per #EasyOrder
Seit Mai 2015 können Domino's-Kunden die Lieferung ihrer Lieblingspizza per Twitter veranlassen – dazu posten sie ein "Pizza-Emoji" an @Dominos oder nutzen den Hashtag #EasyOrder. Mehr als jeder zweite Pizzafan nutzt das bereits.
"Blinde Vorbestellung" bei Taco Bell
Die amerikanische Fast-Food-Kette Taco Bell startete im vergangenen Februar die "blinde Vorbestellaktion" eines neuen Produkts. Um was es sich handelte, blieb geheim – sicher war nur, dass es sich online vorbestellen ließ und dann am 6. Februar zwischen 14 und 16 Uhr im lokalen Restaurant abgeholt werden konnte. Die Taco-Bell-Jünger kamen in Scharen.
Edeka-Video #HeimKommen
Das weihnachtliche Werbevideo der Supermarktkette Edeka berührte im vergangenen Winter viele Hunderttausende Zuschauer.
Niveas zweite Haut
Auch dieser Weihnachtsclip aus 2015 ging viral: Kosmetik-Hersteller Niva stellte sein "Second Skin Project" vor und erreichte deutlich sechsstellige Abrufzahlen.
Snapchat-Kampagne zur Oscar-Verleihung
PricewaterhouseCoopers (PwC) kümmert sich seit 82 Jahren um die Auszählung der Stimmen für die Academy Awards, im Volksmund auch Oscar-Verleihung genannt. Für die 2016er-Ausgabe startete PwC eine Snapchat-Story rund um die berühmten goldenen Umschlägen mit den Oscar-Gewinnern. Viele neue Fans und ein Shorty Award waren der Lohn.
Lustige Sprüche frei Haus
"Unsere Klingen sind so gut, dass du sie einen ganzen Monat lang benutzen kannst" - das Start-up Dollar Shave Club verschickt unter diesem Claim im Monatsabo Rasierer und Rasierklingen per Post. Die zugehörige Marketing-Kampagne mit Bildern abgewetzter Klingen und lustigen Sprüchen sorgte für eine große Aufmerksamkeit im Social Web.
Für eine Handvoll Dollar
Black Friday als Konsum-Höhepunkt des Jahres? Der Partyspiel-Anbieter "Cards Against Humanity" machte da im vergangenen Jahr nicht länger mit. Er nahm seinen Shop einen Tag lang vom Netz und bot den Kunden stattdessen "nichts" für fünf Dollar an. Die dankten es ihm und zahlten - es kamen über 71.000 Dollar zusammen.
Luxus bei Snapchat
Das britische Modelabel Burberry war im April 2016 die erste Luxusmarke, die eine native Snapchat-Werbeanzeige buchte. 24 Stunden lang wurde ein neues Parfum beworben - mit exklusiven Videos, darunter dem Kurzfilm "Mr. Burberry" des Oscar-prämierten Regisseurs Steve McQueen, der binnen eines Monats bei Youtube fast 370.000 Mal aufgerufen wurde.
"Deadpool" – ein durchschlagender Erfolg
Das Antihelden-Epos "Deadpool" verhalf 20th Century Fox zu neuen Social-Web-HöhenflügeN: Die fast 500.000 Follower des @deadpoolmovie-Twitter-Kanals, der fast ein Jahr (!) vor dem Kinostart mit einem mehr als 55.000 Mal retweeteten Posting gestartet ist, die vielen prominenten Fans der Comicreihe und der im Social Web ebenfalls sehr aktive Hauptdarsteller Ryan Reynolds ließen die Grenzen zwischen PR und purer Fan-Vorfreude verschwimmen.
Verkaufen per Pinterest
Nach dem "127 Corridor Sale" im vergangenen Jahr bot der Spraydosen- und Farbenverkäufer Krylon dort erworbene und aufgehübschte Waren online via Pinterest Buyable Pins zum Verkauf an - als erster Anbieter überhaupt. Neben den erzielten Einnahmeen, die kmplett gespendet wurden, erfuhr Krylon für die Aktion eine mediale Aufmerksamkeit, die das Unternehmen ein Vielfaches von dem gekostet hätte, wäre sie auf klassischem Wege per Werbeanzeige zustande gekommen.

Das Doppelturm-Desaster

Bei einer Matratzen-Firma in San Antonio, Texas hält man es für eine tolle Idee, anlässlich des 15. Jahrestags der Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center einen Sonderverkauf abzuhalten. Der Name? Ebenso geschickt gewählt wie der Anlass: "Twin Towers". Das Ganze gipfelt in folgendem Facebook-Werbeclip:

Die "Huffington Post" bezeichnet das Machwerk später als "wohl kontroversesten Werbeclip aller Zeiten". Und die Internet-Gemeinde? Lesen Sie einfach die Kommentare unter dem Video. Der CEO von "Miracle Mattress" entschuldigt sich öffentlich, der Clip wird umgehend gelöscht. Zuvor ist er nur schon bei Youtube gelandet. Merke: Was einmal im Cyberspace landet, bleibt meist auch im Cyberspace.

Schlechte Kombination

Was macht ein britischer Prince-Fanatiker, der gleichzeitig leidenschaftlicher Metzgermeister ist, wenn sein Idol unerwartet verstirbt? Richtig: Er kreiert einen Würstchenkorb. Wie "The Mirror" berichtet, gibt’s neben den "purple sausages" auch noch ein Best-Of-Album dazu. Und eine purpurne Feder.

Pupurne Würstchen im Korb zur Erinnerung an einen veganen Superstar.
Foto: Twitter

Prince war übrigens Veganer. Das ruft unter anderem PETA auf den Plan. Der Metzger wird in der Folge dazu aufgefordert, gefälligst fleischlose Würstchen anzubieten, um wenigstens noch einen Rest an Respekt zu wahren. Hätte sich der Fleischer vorher über sein Idol informiert, wäre ihm viel Ärger erspart geblieben. Vielleicht wollte er aber auch einfach die Wahrheit nicht akzeptieren. Ein gründlicher Fakten-Check ist jedenfalls vor jedem Social-Media-Post eine sehr gute Idee.

Lügen-Lochte

Ryan Lochte holt bei den Olympischen Spielen in Rio Gold für die USA. Ein paar Tage später folgt der tiefe Fall, der sich durch die Social-Media-Maschinerie weiter verstärkt. Eine amüsante und dennoch in Teilen sehr treffende Zusammenfassung der Geschehnisse liefert an dieser Stelle Satiriker John Oliver:

Der Fruchtbarkeits-Tag

Bestimmt hat es auch das italienische Gesundheitsministerium nur gut gemeint, als man versucht, den 22. September zum "Fruchtbarkeits-Tag" zu stilisieren. Mit einer aufwändigen Online-Kampagne will man alle Frauen des Landes davon zu überzeugen, dass dieser Donnerstag der allerbeste Tag im Jahr ist, um sich in Empfängnis zu üben. Slogan: "Schönheit kennt kein Alter. Fruchtbarkeit schon", Beweggrund: die sinkende Geburtenrate in Italien.

Das italienische Gesundheitsministerium ruft zum "Fruchtbarkeits-Tag".
Foto: Twitter

Wie die "New York Post" berichtet, fällt das Echo im Twitter-Universum derart harsch und blitzartig aus, dass das italienische Gesundheitsministerium die Kampagne stoppt. Irgendwie. Zumindest wird die bereits eingerichtete Webseite abgeschaltet. Deshalb kann auch Digital Marketing Consultant Alessia Camera nur empfehlen: "Analysieren Sie ihre Zielgruppe ganz genau, bevor sie eine Kampagne mit oberflächlichen Inhalten starten."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation cio.com.