Mittelstand muss aufwachen

"Business Intelligence war nie so wichtig wie heute"

16.12.2009 von Andreas Schaffry
Viele Mittelständler hinken bei Business Intelligence der Entwicklung hinterher. Die Gealan Fenster-Systeme GmbH aus dem oberfränkischen Oberkotzau sieht in BI hingegen ein effektives Instrument der Unternehmenssteuerung. Bernhard Häusler, IT-Leiter bei Gealan, erläutert wie eine unternehmensweite BI-Strategie seinem Unternehmen zu besseren Entscheidungen und Prozessen verhilft.
„Das Ziel von Gealan ist, mit Hilfe von Business Intelligence das Unternehmen transparenter und intelligenter zu machen sowie kontinuierlich weiterzuentwickeln. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem, dass die eingesetzte BI-Software dank grafischer Oberflächen anwenderfreundlich ist und selbst eingefleischte Excel-Nutzer überzeugt.“ Bernhard Häusler, Bereichsleiter Informationstechnologie bei Gealan Fenster-Systeme GmbH.
Foto: Gealan

Bei deutschen Mittelständlern steckt Business Intelligence noch in den Kinderschuhen. Mehr als 80 Prozent werten geschäftliche Daten mit Excel-basierten Programmen aus. Das ergab die Umfrage "Unternehmenssteuerung und Business Intelligence im Mittelstand", die der IT-Berater Wolfgang Martin und das Institut für Business Intelligence (IBI) unter mehr als 150 Firmen durchgeführt haben.

Zu den 20 Prozent, die bereits BI-Lösung einsetzen, gehört die Gealan Fenster-Systeme GmbH. Der europaweit agierende mittelständische Hersteller von Kunststoffprofilen für Fenster hat bereits vor Jahren seine Excel-Tools durch eine BI-Lösung ersetzt. Genau die richtige Entscheidung meint Bernhard Häusler, IT-Leiter bei der Gealan Fenster-Systeme. Mit Hilfe der eingesetzten BI-Tools konnte sein Unternehmen eine BI-Strategie umsetzen und profitiert davon in der aktuellen Wirtschaftskrise.

Gleicher Stellenwert für Business Intelligence und ERP

Computerwoche: Herr Häusler, wie sieht die BI-Strategie Ihres Unternehmens aus?

Bernhard Häusler: Wir nehmen den Begriff Business Intelligence durchaus wörtlich, denn wir wollen damit unsere Geschäftsintelligenz erhöhen, und nicht die Intelligenz der IT. Deshalb hat Business Intelligence bei Gealan heute einen ähnlich hohen Stellenwert wie Enterprise Ressource Planning (ERP) und wird mit einer vergleichbaren Intensität vorangetrieben und weiterentwickelt. BI ist dabei als Teil der IT-Governance der Geschäftsleitung zugeordnet, die den Einsatz in den einzelnen Verbundunternehmen und Geschäftsbereichen forciert.

CW: Wie ist das zu verstehen?

Bernhard Häusler: Bei Gealan erarbeiten die einzelnen Fachabteilungen die für ihren Bereich erforderlichen BI-Anforderungen, etwa im Hinblick auf die benötigten Kennzahlen und Auswertungen. Die Geschäftsführung prüft die umfangreicheren Anforderungen und entscheidet, in welcher Reihenfolge die einzelnen "BI-Pakete" umgesetzt werden. Wichtige Entscheidungskriterien bilden der zu erwartende operative und strategische geschäftliche Nutzen sowie der Return on Investment (RoI) für jedes BI-Paket. Die Fachabteilung muss beides nachweisen. Die IT-technische Realisierung erfolgt dann auf Basis der eingesetzten BI-Lösung durch die interne IT-Abteilung.

ERP-Daten zu Informationen modellieren

CW: Wollen Sie die internen BI-Projekte künftig in einem BI-Kompetenzzentrum bündeln?

Bernhard Häusler: Status quo ist, dass wir noch ohne spezielles BI Competence Center (BICC) auskommen. Manager und Mitarbeiter aus den Fachabteilungen stellen ihre Anforderungen direkt an die IT und wir begleiten deren Umsetzung aktiv. Dennoch wäre ein BICC wünschenswert, zum einen da sich die Fachbereiche gern selbst um die Realisierung ihrer Anforderungen kümmern wollen, zum anderen um die Professionalität der Anwendungsentwicklung in die Breite zu streuen.

CW: Worin sehen Sie die wesentlichen Vorzüge von BI für ihr Unternehmen?

Bernhard Häusler: Durch Business Intelligence können wir die im international eingesetzten ERP-System schlummernden Daten zu nutzbringenden Informationen modellieren und diese quasi per Knopfdruck abrufen. Darüber hinaus hilft BI der IT-Abteilung dabei, die Anforderungen des Business besser zu verstehen. Das wiederum führt zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der IT sowie zu neuen Ideen. Gleichzeitig gehen Business und IT gemeinsame Wege und verfolgen gemeinsame Ziele. Davon profitiert das gesamte Unternehmen und genau das zahlt sich in der Krise jetzt aus.

"Unsere BI-Software versetzt uns in die Lage, Qualitätsprobleme frühzeitig zu erkennen, rasch zu beseitigen und so die Produktqualität kontinuierlich zu verbessern." Bernhard Häusler.
Foto: Gealan

Da BI-Anwendungen nahezu unsere gesamte Wertschöpfungskette von der Konstruktion über die Produktion und die Logistik bis zu Vertrieb und Marketing unterstützen, können wir rasch und flexibel auf neue Markt- und Kundenanforderungen reagieren. Zugleich liefern die Tools wichtige Informationengrundlagen, um interne Prozesse zu optimieren.

Gealan: Systemgeber für die Fensterindustrie

Die Gealan Fenster-Systeme GmbH mit Hauptsitz im oberfränkischen Oberkotzau ist als Hersteller von qualitativ hochwertigen Kunststoffprofilen für Fenster, Türen und Rollläden europaweit ein führender Systemgeber für die Fensterbauer. Zum Unternehmen gehören Produktionsstandorte in Deutschland, Litauen, Polen, Rumänien und Russland sowie Vertriebsgesellschaften in weiteren europäischen Ländern. Die Gealan-Gruppe beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2007 mit ihren Fenster- und Türprofilen aus Polyvinylchlorid (PVC), dem Werkzeugbau für die Kunststoffextrusion sowie Marketing- und Werbedienstleistungen knapp 266 Millionen Euro Umsatz.

Komplexe IT-Landschaft

Der Hersteller von Fenstersystemen hat laut IT-Leiter Bernhard Häusler sehr individuelle und komplexe Geschäftsprozesse, was sich in der Anwendungslandschaft widerspiegelt. Die Abläufe in Produktion, Vertrieb und Logistik wickelt man mit einer ERP-Eigenentwicklung ab. Die Prozesse für Finanzbuchhaltung und Controlling, Personalwirtschaft sowie die Materialwirtschaft für nicht lagerplatzgeführte Artikel bildet der Mittelständler in SAP ERP ab. Hinzu kommen weitere IT-Systeme, etwa für die Lagerverwaltung und den Werkzeugbau, sowie ein B2C-Kundenportal mit Online-Shop.

Kennzahlen aus Vertrieb, Qualitätsmanagement und Co.

CW: Können Sie das an einigen Beispielen erläutern?

Bernhard Häusler: Der Vertrieb kann die Umsatzentwicklung einzelner Kunden oder in Vertriebsgebieten über mehrere Jahre nachverfolgen. Ebenso erhält er wichtige Kennzahlen, etwa welche Produkte oder Produktgruppen gerade besonders stark nachgefragt werden oder welche neuen Kundenanforderungen es gibt. Sehr wichtig sind für uns auch Auswertungen im Qualitätswesen. Die von Maschinen online erfassten qualitätsrelevanten Messdaten zu den einzelnen Gealan-Produkten fließen über Schnittstellen direkt in die BI-Anwendung. Dort können sie praktisch in Echtzeit ausgewertet werden. Das versetzt uns zum Beispiel in die Lage, mögliche Qualitätsprobleme frühzeitig zu erkennen, rasch zu beseitigen und so die Produktqualität kontinuierlich zu verbessern. Produktion und Logistik wiederum erhalten Kennzahlen zur Umschlagshäufigkeit von Materialien beziehungsweise zur Liefertermintreue. Technisch gesehen zieht das BI-System nahezu alle Daten aus einer IBM DB2-Datenbank, das europaweit eingesetzte ERP-System sowie die anderen IT-Anwendungen sind auf IBM-System-i-Maschinen installiert.

CW: Wie sieht es mit der Nutzerakzeptanz aus?

Bernhard Häusler: Bei uns arbeiten selbst bislang eingefleischte Excel- und Access-Anwender, etwa aus dem Controlling, jetzt lieber mit der BI-Software als mit ihren bisherigen Tools. Ein entscheidender Pluspunkt des BI-Systems sind die grafischen Oberflächen mit ihren umfangreichen Auswertungs- und Darstellungsfunktionalitäten. BI-Anwender, ob aus dem Management oder den Fachbereichen, erhalten Abfrageergebnisse und grafisch übersichtlich aufbereitet als interaktive Scorecards, Dashboards oder Diagramme direkt auf den Desktop. Ohne diesen Darstellungskomfort wäre die BI-Lösung von den Anwendern kaum akzeptiert worden, Green Screens will heute niemand mehr.

BI aus Business nicht mehr wegzudenken

CW: Und wie hoch waren die Kosten für das BI-System?

Bernhard Häusler: Der Anschaffungspreis lag im sehr niedrigen Hunderttausend-Euro-Bereich, auch die Wartungsgebühren sind überschaubar. Diese Investitionen haben sich längst bezahlt gemacht.

CW: Nach den bisher gemachten Erfahrungen: Würden Sie BI als geeignetes "Krisentool" bezeichnen und wenn ja warum?

Bernhard Häusler: Ja, auf jeden Fall! BI war nie so wichtig wie heute. Es erfüllt in unserem Unternehmen bereichsübergreifend die Anforderungen an möglichst umfassende und aktuelle Auswertungen, KPIs sowie Kennzahlen. Dadurch kann das Management Geschäfts- und Absatzentwicklungen vollständig sowie tagesaktuell überblicken, eine wichtige Basis für fundierte strategische Entscheidungen und eine effiziente Unternehmenssteuerung. Das ehedem als Excel-Ersatz gedachte BI-Tool hat sich zu einer strategisch wichtigen IT-Plattform entwickelt, die nicht mehr aus dem Business und der IT-Landschaft wegzudenken ist.