Finanz-Portal Moneycab

Börsen-Tipps wie von Profis

14.09.2001
Nach sieben Monaten Bauzeit war Anfang Mai 2001 in der Schweiz das Finanz-Portal Moneycab fertig. Es verknüpft aktuelle Börsendaten mit journalistischen Inhalten. von Barbara Heckerott*

Ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich Internet-Finanzinformationsdienste wie Fimatex oder Firstquote aus dem Schweizer Markt zurückziehen und auch einige Schweizer Banken das Scheitern ihrer Online-Projekte einräumen, öffnet in dem Alpenland unter www.moneycab.com ein neues Finanz-Portal seine Tore im Internet. Es liefert neben aktuellen Wirtschafts- und Börsennachrichten auch journalistische Beiträge, Hintergrundberichte und Kommentare und erlaubt den Zugriff auf verschiedene Datenbanken mit Analysen zu einzelnen Unternehmen, zu den Finanzmärkten und zur konjunkturellen Entwicklung.

Die Nutzer können damit auf einen Informations- und Daten-Pool zurückgreifen, wie er sonst meist nur den Profis in den Geldinstituten zur Verfügung steht. Tipps rund um die Themen Geldanlage, Steuern und Versicherungen runden das Informationsangebot ab. Der Handel mit Wertpapieren ist über die Moneycab-Plattform aus rechtlichen Gründen zwar nicht möglich - dazu wäre eine Banklizenz erforderlich -, das System ist jedoch so ausgelegt, Transaktionen zu verarbeiten. Interessierte Nutzer

Virtuelles Portfolio

können deshalb auch die Entwicklung der von ihnen favorisierten Wertpapiere in einer Watchlist beobachten und ein virtuelles Portfolio verwalten. Seinen Umsatz erzielt Moneycab zu 53 Prozent durch Werbung auf den Websites, neun Prozent trägt der verkauf von Inhalten zum Erlös bei und Content Syndication macht weitere 17 Prozent aus. Die Abwicklung von Tranaktionen, Beratung und sowie der Shop sind zusätzliche Einnahmequellen.

Für die Verknüpfung redaktioneller Inhalte mit börsenfrischen Marktdaten sorgt das Content-Management-System "Communiqué" der Day Interactive Holding AG. Der Web-Server nimmt zunächst nur die User-Anfrage entgegen und leitet sie mit Hilfe einer Dispatcher-Software an einen Produktionsserver weiter. Dort setzt dann das Content-Management-System die Seite aus den verschiedenen Elementen zusammen. Ausschlaggebende Argumente für den Einsatz der Day-Software waren unter anderem die einfache Bedienung durch die Redaktion und die unkomplizierten Skalierungsmöglichkeiten: "Wenn wir in einem nächsten Release prozessorintensive Angebote wie interaktive, Java-basierte Charts anbieten wollen, genügt die Installation zusätzlicher Produktionssysteme", nennt Georg Hess, Chief Information Officer und Mitglied der Moneycab-Geschäftsleitung, ein Beispiel.

Auf die gleiche Weise ließen sich zusätzliche Portal-Varianten integrieren, wie zum Beispiel eine französische Ausgabe, die von einer Westschweizer Redaktion produziert würde. Denn Communiqué kann Informationen nicht nur abteilungs-, sondern auch standort- und länderübergreifend verwalten. Das Datenaustauschsystem "Contentbus" dient dabei der Anbindung an vorhandene Datenspeicher, macht Daten aus heterogenen Systemen zentral nutzbar und ermöglicht den globalen Zugriff auf diese Informationen.

Die Journalisten, die das Content-Management-System bedienen, können ihre Texte wie gewohnt in Word erfassen. Eine spezielle Vorlage, ein so genanntes Template, sorgt dabei automatisch dafür, dass bestimmte Textelemente wie Titel, Lead, Zitate und Autorenname korrekt ins System gelangen. Manuell eingeben muss man lediglich die Kategorie, unter welcher der Artikel später erscheinen soll. Da die Marktdaten möglichst aktuell sein sollen, werden sie grundsätzlich nicht zwischengespeichert, sondern immer live via HTML/XML in die Seite eingebunden. Für die redaktionellen Inhalte steht dagegen zwischen Web- und Produktionsserver ein so genannter Flush-Cache-Mechanismus zur Verfügung.

Nichts ist statisch

"Bei Moneycab gibt es keine statischen Text- und Bildseiten, sondern jede Seite wird dynamisch generiert", betont Geschäftsführer Markus Gisler. Ruft der User beispielsweise einen Artikel über ein bestimmtes Unternehmen auf, erscheint auf seinem Bildschirm gleichzeitig ein Chart, das über die Entwicklung des Aktienkurses informiert. Darüber hinaus werden anhand von Schlüsselwörtern Links zu weiteren Hintergrundartikeln angezeigt. Umgekehrt erhält auch der User, der zunächst die Börsenkurse abfragt, eine Link-Liste zu Artikeln und Meldungen über die betreffenden Firmen.

Moneycab läuft auf Linux. Da im Finanzumfeld eigentlich Sun-Solaris-Systeme der De-facto-Standard sind, gingen dieser Entscheidung laut CIO Georg Hess auch umfangreiche Diskussionen voraus. Den Ausschlag gab letztlich, dass die Linux-Lösung leichter überschaubar war und dass die Kosten mit rund fünf Millionen Franken deutlich niedriger lagen als bei vergleichbaren Projekten auf Basis kommerzieller Betriebssysteme.

Statt der sonst üblichen Hardware von Sun kommen bei Moneycab nun sechs Multiprozessor-Server vom Typ IBM "Netfinity 5600" zum Einsatz. Und weil es mit Red Hat Linux, das zwar als Betriebssystem auf diesen Servern zertifiziert war, einige Probleme gab - unter anderem mit dem RAID-Adapter und dem echten Multiprozessorbetrieb - entschied sich das Moneycab-Team schließlich für "Suse Linux 7.1" mit SNMP-Unterstützung (Simple Network Management Protocol). In Zusammenarbeit mit Day modifizierte man den Kernel: Nicht benötigte Komponenten wie der Audio- und Grafikteil wurden entfernt, was für eine bessere Performance und mehr Stabilität sorgt. Sollte es einmal zu einem Crash kommen, gehen dabei nach Auskunft von Georg Hess "maximal sieben Minuten an Produktion verloren". Denn der gesamte Content wird permanent auf RAID-Systeme ausgelagert.

* Barbara Heckerott ist freie Journalistin in Neuss.