Blades lassen Stromkosten explodieren

03.11.2006 von Kriemhilde Klippstätter
Die Energiekosten der Computerräume können in den nächsten Jahren bis zu 50 Prozent des IT-Budgets ausmachen, prophezeit Gartner. Stromspartechniken für Rechenzentren sind deshalb gefragt.

Vor allem die Blade-Server entfachten Diskussionen darüber, wie energieeffizient ein modernes Rechenzentrum arbeiten muss. Denn was einerseits als Innovation gepriesen wurde - viel Rechenpower auf kleinstem Raum - , hat andererseits in puncto Stromverbrauch und Wärmeentwicklung einen Pferdefuß: "Der Energiebedarf eines Racks, voll bestückt mit Blade-Servern, kann zehn- bis 15-mal so hoch sein wie für traditionelle Server. Die meisten Rechenzentren, die vor 15 oder 20 Jahren gebaut wurden, sind für diese Belastungen nicht geschaffen", beschreibt Rakesh Kumar, Research Vice President bei Gartner, die gestiegenen Anforderungen. "Viele Rechenzentren sind auf 200 bis 300 Watt pro Quadratmeter ausgelegt, und das reicht heute nicht mehr aus. Die Dichte schafft die Probleme", schildert Julian King, Europa-Chef des Rechenzentrumsbauers Global Switch.

Hier lesen Sie ...

  • wie sich die Energiekosten entwickeln werden;

  • wie Energieeffizienz zu erreichen ist;

  • auf was RZ-Betreiber achten sollen.

Die Energiespirale dreht sich

In Zukunft dürfte es nicht mehr ausreichen, im Rechenzentrum einen grünen Boden zu verlegen.

Damit meint King nicht nur die Schwierigkeit, die benötigte Strommenge im Rechenzentrum bereitzustellen. Während der Arbeit nämlich geben die Prozessoren die Energie in Form von Wärme wieder ab und sorgen dabei bezüglich der Kühlung für fast noch größere Probleme. Der Rechenzentrumsbetreiber steht also vor zwei Fragen: Wie bekommt er so viel Strom in den engen Raum, und wie wird er die Hitze wieder los, bevor das Equipment den Geist aufgibt? Der Teufelskreis wird schnell sichtbar: Mehr Strombedarf pro Quadratmeter hat mehr Abwärme zur Folge, deren Kühlung den Energiebedarf nochmals in die Höhe treibt.

Wirtschaftliche Aspekte

Dazu kommt für die CIOs der wirtschaftliche Effekt. Die in den letzten Jahren stark steigenden Energiekosten bedrohen sogar das Wachstum der IT-Branche, warnt Gartner-Analyst Kumar: "Bisher belaufen sich die Energiekosten im IT-Sektor auf weniger als zehn Prozent des gesamten IT-Budgets. In den nächsten Jahren könnten die Ausgaben jedoch auf mehr als 50 Prozent ansteigen."

Neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten könnten in Zukunft auch rechtliche Gründe die IT-Branche dazu zwin- gen, auf mehr Energieeffizienz zu achten. Die EU-Kommission hat dazu einen Aktionsplan vorgelegt, der als Ziel definiert: "den Energieverbrauch durch die Verbesserung der Energieeffizienz zu senken, um die Umwelt zu schützen, die Versorgungs- sicherheit zu erhöhen und eine nachhaltigere Energiepolitik zu betreiben". Der Kommission geht es darum, "Verhaltensweisen, Arbeitsmethoden und Produktionstechniken zu fördern, die weniger Energie erfordern". RZ-Bauer King "vermutet, dass da etwas unterwegs ist und es in Zukunft Gesetze geben wird".

Energieeffizienz im RZ bedeutet nach Ansicht von King, dass die Datacenter "modular aufgebaut" und so gestaltet sind, wie sie später genutzt werden: "Abschnitte mit einer Stromversorgung von bis zu 400 Watt je Quadratmeter reichen für viele Anwendungen aus und benötigen nicht so große Kühlaggregate wie Bereiche, in denen Blade-Farmen angesiedelt sind." Zudem sei darauf zu achten, dass die Infrastruktur die unterschiedlichen Auslastungsgrade eines RZ widerspiegle. Statt ein großes Kühlgerät anzuschaffen, wie es die Volllast des Betriebes erfordere, fahre man besser mit zwei kleineren, die nur bei Bedarf zusammen angeschaltet sind.

Trotz solcher Überlegungen sind die RZ-Betreiber zunächst darauf angewiesen, die IT-Komponenten zu verwenden, die aktuell verfügbar sind. "Stromsparende Techniken, wie sie im Umfeld von Notebooks bereits an der Tagesordnung sind, haben sich im Server-Bereich noch längst nicht durchgesetzt", beschreibt King die Situation der CIOs.

Stromsparkomponenten

Aber die Lieferanten von RZ-Komponenten entwickeln - teilweise beflügelt durch boomende Mobilanwendungen - bereits stromsparende Geräte. So will Infineon die Energieeffizienz von Netzteilen steigern. Dazu wurde "Optimos 3" entwickelt, das nach Herstellerangaben bei der Stromversorgung "ein Drittel weniger Bauteile, bis zu zwei Drittel geringeren Platzbedarf und um ein Drittel niedrigeren Durchlassverlust" bewirkt.

In den USA hat sich im Jahr 2004 die Initiative "80 Plus" gegründet, die die Effizienz von Netzteilen verbessern will. Mittlerweile ist das Konzept so weit gediehen, dass das US-Energieministerium plant, die 80-Plus-Standards als Zertifizierungskriterium für den "Energy Star" zu übernehmen. Bis jetzt hat sich jedoch noch keiner der großen IT-Hersteller zu 80 Plus bekannt. Kürzlich machte Google von sich reden, als Urs Hölzle und William Weihl auf dem Intel-Entwicklerforum in San Franzisko ein White Paper zu dem Thema präsentierten. Google betreibt riesige Rechenzentren und hat dafür ein energieeffizientes Stromversorgungssystem entwickelt. Nach Ansicht der beiden Google-Wissenschaftler sind heutige Stromversorgungen überdimensioniert. Würde man die neue Lösung in 100 Millionen Desktop-PCs einbauen, die acht Stunden am Tag arbeiten, dann könnte man innerhalb von drei Jahren 40 Milliarden Kilowattstunden einsparen. Das macht, gemessen an den kalifornischen Strompreisen, fünf Milliarden Dollar aus.

Coole Lösungen

IBM hat mit "High Thermal Conductivity Interface Technology" eine neue Möglichkeit zur Kühlung von Computerchips gefunden, die eine "zweifache Verbesserung der Wärmeabfuhr gegenüber derzeit gängigen Verfahren" erreicht. Die Prozessorhersteller kämpfen damit, dass sich die Energiemenge zur Kühlung der Systeme rasant der Energiemenge nähert, die für das Computing selbst erforderlich ist.

APC, Lieferant von Infrastrukturkomponenten für das Rechenzentrum, hat mit der "Infrastruxure" eine Komplettlösung für die Klimatisierung von Rechenzentren entworfen. Kernpunkt dabei war, die mit Blade-Servern voll gepackten Racks Rücken an Rücken zu stellen, um die Abwärme zentral ableiten zu können. In Zukunft, so RZ-Bauer King, werden solche Zentren neben Schwimmbädern errichtet werden und diese beheizen.

Aber nicht nur Hersteller von Stromversorgungen und Prozessoren machen sich Gedanken über mehr Energieeffizienz. Auch Speicherlieferant EMC nimmt sich des Themas an und fordert, beim Kauf eines Speichers auf die Maßzahl "Watt pro Terabyte Speicherkapazität" zu achten.

Stromrechnung im Visier

Sun Microsystems hat sich dafür interessiert, wie wichtig Anwendern energieeffiziente Techniken sind, und Harris Interactive mit einer Studie beauftragt. Von den 197 befragten Führungskräften erklärten 76 Prozent, dass die Energieeffizienz für sie ein bedeutendes Kaufargument darstellt. Allerdings bekannten 63 Prozent, dass sie die aktuellen Energiekosten ihrer Unternehmen nicht kennen.