RIMs Antwort aufs iPhone

Blackberry 9500 Storm im Praxistest

17.03.2009
Mit dem ersten Touchscreen-Blackberry bleibt Research in Motion (RIM) dem Apple iPhone auf den Fersen, hinkt ihm jedoch in vielen Punkten hinterher.

Lieferumfang / Verarbeitung

Blackberry 9500 Storm im Praxistest.

Mit 113x62 Millimetern ist das Storm genauso groß wie Apple iPhone 3G und HTC Touch HD. Wenn man sich das Touchphone von RIM allerdings von der Seite anschaut, dann fällt auf, dass es mit 14 Millimetern viel dicker als die Konkurrenten ist. Das schlängt sich auch an anderer Stelle nieder: 155 Gramm sind höchste Gewichtsklasse und machen das Storm zu schwer für die Hemdtasche. Das Handy wirkt aber nicht klobig, im Gegenteil: geschwungene, fließende Linien ergeben zusammen mit der dezenten Farbgebung und der gehobenen Materialwahl ein elegantes, stimmiges Design.

Alle Gehäuseteile wurden passgenau zusammengesetzt, Spaltmaße sucht man beim Storm vergeblich. Die Verarbeitung ist fast ohne Fehl und Tadel, die einzige Ausnahme wird von der Technik diktiert. Denn das Storm verfügt als einziges Handy weltweit über einen klickbaren Touchscreen, der beim Drücken mechanisches Feedback wie bei einer echten Tastatur gibt. Durch den speziellen Federungsmechanismus, der das Display klickbar macht, wackelt es allerdings in der Einfassung. Dennoch ist RIM zu Recht Stolz auf diese Technik, schließlich beseitigt sie ein großes Problem von Touchscreens: fehlendes Feedback. Beim Blackberry Storm reagiert der Touchscreen wie gewohnt auf Berührung, allerdings nur zum Scrollen von Seiten oder zur Voranwahl von Menüpunkten. Für eine Bestätigung der virtuellen Buttons verlangt das Handy nach einem beherzten Druck auf das Display, das dabei einige Zehntelmillimeter in das Gehäuse gedrückt wird. Problematisch ist aber die Tippgeschwindigkeit mit der Volltastatur, die bei Bedarf eingeblendet wird. Da man für jeden Buchstaben erst tief eindrücken muss, benötigt man deutlich mehr Zeit, als zum Beispiel geübte iPhone-Schreiber. Auch mit Volltastatur-Handys wie Blackberry Curve oder Nokia E71 gehen Texte dank ultrakurzem Tastenhub deutlich schneller von der Hand.

Blackberry 9500 Storm im Praxistest.

Zum Glück leidet die Darstellungsqualität des Displays nicht unter der Tatsache, dass es nahezu freischwingend ausgelegt ist. Die Auflösung entspricht mit 360x480 Bildpunkten der des Blackberry Curve, allerdings erstreckt sie sich beim Storm auf 3,2 Zoll Bilddiagonale. Das iPhone-Display hat die gleiche Auflösung, breitet sich aber auf 3,5 Zoll aus. Die Nachteile der nach heutigen Standards geringen Farbanzahl (65.000) fallen erst bei speziellen Anwendungen wie der Film- oder Fotobetrachtung auf. Im Alltag gibt es beim Display des Storm nichts zu meckern, weder bei Bildschärfe, Leuchtkraft noch Farbwiedergabe.

Ausstattung

Zur 3,2-Megapixel-Kamera des Blackberry Storm kann man kurz und schmerzlos sagen: das war wohl nichts. Sie belegt, dass bloße technische Daten nichts über die Bildqualität aussagen. Trotz Bildstabilisator verwackeln Fotos fast ausnahmslos, der Rest ist derart unscharf, dass Details völlig verloren gehen. Die Leistung des Autofokus grenzt an Arbeitsverweigerung. Schlechter macht es auch das iPhone nicht, in dem 2 Megapixel ein Bild formen und das ohne automatischen Fokus auskommt.

Blackberry 9500 Storm im Praxistest.

Im Blackberry Storm steckt mehr Sound als in manchem Musik-Handy. Ein Klick auf den Medien-Button führt in die Medienbibliothek. Dort hat man die Auswahl zwischen Musik, Videos, Klingeltönen, Bildern und Sprachnotizen. Der Extrapunkt für Klingeltöne überrascht, schließlich kann im Player jedes laufende Lied auch als Klingelton eingestellt werden. RIM meint damit allerdings die zahlreichen zusätzlichen Klingel- und Signaltöne, die auf dem internen 1-Gigabyte-Speicher vorinstalliert sind. Er kann zusätzlich mit bis zu 16 Gigabyte großen microSD-Karten erweitert werden. In der Musikbibliothek gibt es von Album bis Podcast zahlreiche Sortiermöglichkeiten, auch Wiedergabelisten kann man hier erstellen. Doch das beste ist der Sound: sobald der Player loshämmert, dreht man überrascht den Lautstärkepegel runter. Der Klang des mitgelieferten Headsets ist zwar nicht besonders basslastig und voll, allerdings recht klar und vor allem eines: laut. Auch die Präsentation ist gelungen. Voraussetzung dafür sind qualitativ hochwertige Coverarts, denn das Blackberry stellt sie nicht als winzige Thumbnails, sondern in Plakatwandgröße auf etwa 2/3 des Displays dar. Einzig Radiohörer kommen mit dem Storm nicht auf ihre Kosten.

Beim mobilen Internet hat Business-Spezialist RIM noch großen Nachholbedarf. Obwohl sich der große Touchscreen ideal für das Browsen im Internet eignet, hinkt das Storm hier meilenweit der Konkurrenz hinterher. Die Windows Mobile-Touchphones mit dem überragenden Browser Opera 9.5 wie Samsung Omnia oder HTC Touch HD sind bei Seitenaufbau und -darstellung um Längen besser als das Blackberry-Smartphone. RIM setzt auf einen selbstentwickelten Browser, der sehr langsam ist und oft Probleme bei der korrekten Darstellung von Web-Inhalten hat. Überschriften und Menüzeilen verschwinden oder werden unlesbar zusammengequetscht. Besser schlägt sich das Storm beim Email-Empfang. Nach wie vor steht der verzögerungsfreie "Push" von Emails im Zentrum eines jeden Blackberrys. Die Einrichtung eines Kontos ist kinderleicht: entweder man trägt seine bestehende Email-Adresse ein oder man legt extra eine neue Adresse an. In beiden Fällen muss man in der Regel nur die gewünschte Mailadresse und Passwort eingeben, alle anderen Einstellungen werden automatisch erkannt. Zwischen dem Versand einer Mail und der Benachrichtigung auf dem Storm vergehen selten mehr als fünf Sekunden. Anhänge im doc-, xml-, und ppt-Format können mit der vorinstallierten Documents to Go-Suite von DataViz direkt auf dem Smartphone bearbeitet und abgespeichert werden. Beim Thema E-Mail spürt man die langjährige Erfahrung von RIM im Bereich mobile Email. Einzig das Schreiben einer Mail geht nicht so flüssig von der Hand wie etwa mit dem Volltastatur-Smartphone Blackberry Bold.

RIM verzichtet beim Storm auf WLAN. Angesichts der Preisklasse ist das völlig unverständlich. Schnelles HSDPA mit 7,2 Mbit pro Sekunde sorgt aber für eine schnelle Verbindung ins Internet, telefonisch ist man dank Quadband-GSM nahezu weltweit erreichbar. Im drahtlosen Nahbereich kann man auf Bluetooth zurückgreifen und zum Beispiel Stereo-Kopfhörer anschließen oder das Storm mit der Kfz-Freisprechanlage im Auto koppeln. Im Verbindungsmanager schaltet man jeglichen Funkverkehr bequem mit einem Klick ein oder aus.

Praxistest: Blackberry 9500 Storm

Das Storm ist das erste Smartphone von RIM, das das neue Application Center unterstützt. Diese Download-Plattform funktioniert so ähnlich wie Apples App Store und Googles Android Market. Hier findet man kostenlose und kostenpflichtige Zusatzprogramme und kann sie mit einem Klick herunterladen. Zum Testzeitpunkt war der Blackberry App Store aber mit 11 Anwendungen nur spärlich gefüllt. Kein Wunder, schließlich hat RIM die Plattform gerade erst gestartet. Man kann davon ausgehen, dass in einigen Monaten hunderte von Anwendungen und Spiele für das Storm erhältlich sind.

Da das Storm exklusiv von Vodafone verkauft wird, kann man den den Vodafone Navigator, der auf dem Touchphone "Vodafone Find&Go" genannt wird, als Navi-Software nutzen. Sie ist nicht vorinstalliert, sondern muss erst über das Applikation Center heruntergeladen werden. Wer nur einen Stadtplan braucht, kann dagegen Blackberry Maps nutzen oder Google Maps herunterladen. Die Software von Vodafone arbeitet nach dem Prinzip von Google Maps: der Nutzer gibt eine Adresse ein oder scrollt mit direkt mit dem virtuellen Fadenkreuz über eine 2D-Landschaft, entsprechende Kartendaten zieht sich das Programm via HSDPA vom Server. Die Navigation kann man 30 Tage kostenlos testen, danach fallen 5 Euro im Monat an. Die Routenführung ist zwar präzise, aber der Sprecher ist sehr leise und klingt extrem dünn und blechern. Dagegen überzeugen die Ortungsfähigkeiten des Storm: Für einen GPS-Fix vergehen im Durchschnitt nur 10 Sekunden.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Blackberry OS ist eines der durchdachtesten Smartphone-Betriebssysteme. Die langjährige Erfahrung von RIM, der bei seinen Handys ausschließlich auf dieses eine System setzt, spürt man noch im hintersten Winkel der Menüs. Doch mit dem Touchphone Storm betritt der Hersteller Neuland. Die Anpassung des Betriebssystems an die Touchscreen-Bedienung ist leider nicht immer gelungen. Zwar lässt sich das Storm immer bequem mit dem Finger bedienen, doch mitunter muss man sich durch lange Listen quälen, bis man endlich den gewünschten Eintrag erreicht hat. Das iPhone macht es in jedem Fall besser. Immerhin reagiert der kapazitive Touchscreen des Storm genauso präzise wie das Apple-Handy.

Praxistest: Blackberry 9500 Storm

Sowohl die eingehende, als auch die ausgehende Sprache klingt dumpf und substanzlos, der Storm-Nutzer ist dadurch bisweilen schwer zu verstehen. Er selbst wird dazu noch vom Clipping genervt, das sich während des Gespräches ins Ohr knistert. Da wird das deutlich vernehmbare Grundrauschen schon fast zur Nebensache. Etwas besser schlägt sich der Außenlautsprecher, kommt aber auch nicht an die Qualitäten früherer Blackberry-Modelle heran. Die Sprachqualität gehört damit zum Schlechtesten, was uns in der letzten Zeit unter die Ohren gekommen ist. Beim Empfang sieht das zum Glück etwas besser aus, doch auch hier bekleckert sich RIM nicht mit Ruhm. Auch wenn meist alle Empfangsbalken auf dem Display zu sehen sind, schwinden die ersten überraschend schnell. Eine Grundversorgung bleibt hingegen lange bestehen.

Überraschend - diesmal im positiven Sinn - ist der Akku. 1400 mAh befeuern das neueste RIM-Produkt und verhelfen ihm so einer Laufzeit von 2-4 Tagen. Generell gilt, dass die Laufzeit bei Blackberrys stark vom E-Mail-Verkehr abhängt. Je mehr Mails auf das Handy gepusht werden, umso häufiger wird die energiehungrige Antenne aktiviert. Zum Vergleich: Blackberry Bold und Curve halten in etwa genauso lange durch wie das Storm.

Fazit

Man merkt, wie Apple die anderen Handyhersteller vor sich hertreibt. Im Schnelldurchgang wurde das Blackberry OS touchfähig gemacht und mit einer neuen Eingabemethode kombiniert: dem klickbaren Touchscreen. Leider überzeugt die Bedienung nicht immer. Hinzu kommt eine unterirdische Kameraqualität. Doch am schlimmsten ist die schlechte Internetanbindung. Ein Touchphone, das mit seinem großen Bildschirm ideal für das Websurfen geeignet ist, darf nicht so einen schlechten Browser bieten und ohne WLAN kommen. Auch der klickbare Bildschirm wirkt nicht ausgereift. Er versucht, das größte Manko von Touchphones zu beseitigen, nämlich das fehlende Feedback bei der Eingabe. Doch für jedem Buchstaben muss man so tief drücken, dass man nur langsam Nachrichten schreiben kann. Das Blackbery Storm birgt großes Potenzial, bleibt aber unvollendet. Wir warten schon jetzt auf den Nachfolger, der über WLAN verfügt und auch vieles andere besser macht.

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