Best Practice im IT Service Management

04.09.2003 von Rainer Erbach
Steigende Anforderungen bei knapper werdenden Budgets haben zu einem Bedarf an bewährten Methoden im IT Service Management geführt. Das hat der IT Infrastructure Library (ITIL) zum Durchbruch verholfen. Doch Vorsicht - ITIL beinhaltet zwar ein Prozessmodell, das definiert, was getan werden muss. Sie sagt jedoch wenig dazu, wie die Prozesse in eine bestehende IT Organisation eingeführt werden können.

Foto: Photodisk

Ein Stöhnen geht durch das Großraumbüro einer Verlagsgruppe. Zeitgleich sind alle Büroanwendungen abgestürzt - schon das dritte Mal in dieser Woche. Die Zufriedenheit der internen und externen Kunden mit der IT-Abteilung befindet sich auf einem neuen Tiefpunkt.

Es brennt im Serverraum einer großen Versicherung. Eine Katastrophe - sämtliche dort vorhandene Hard- und Software wird zerstört. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit - werden die dafür vorgesehenen Backup- und Recoverymaßnahmen auch in der Praxis funktionieren?

Diese Fallbeispiele sind konstruiert. Trotzdem kennt jeder solche Szenarien aus seinem beruflichen Alltag oder den Nachrichten. ITIL kann das Eintreffen von Störungen oder gar Katastrophen nicht verhindern. ITIL ermöglicht es jedoch, deren Auswirkungen gering zu halten und schafft geregelte Abläufe rund um das Thema IT Service Management.

ITIL schrittweise einführen

Bei den meisten Organisationen sind bereits verschiedene Elemente aus dem IT Service Management vorhanden. Das bedeutet, dass es sich bei einer ITIL-Einführung prinzipiell um eine Prozessoptimierung handelt. Daher schlägt ITIL vor, zu Beginn des Projekts zunächst Visionen und Unternehmensziele zu entwickeln, eine Ist-Analyse der vorhandenen Prozesse mit Hilfe von Self-Assessments durchzuführen und von Anfang an messbare Kennzahlen festzulegen. Im zweiten Schritt folgt die Einführung grundlegender operativer Prozesse (Incident Management, Configuration Management, Change Management). Dann wird ein IT Controlling implementiert, das die pro-aktiven Prozesse Release Management, Problem Management und Service Level Management beinhaltet. Schließlich werden kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) sowie die übrigen ITIL-Prozesse etabliert.

Was ist ITIL? ITIL ist eingetragenes Warenzeichen der CCTA/OGC (Office of Government Commerce) und steht für IT Infrastructure Library. Der Defacto-Standard im Bereich IT Service Management liegt heute in verschiedenen Büchern vor.

Service Support fokussiert auf das Tagesgeschäft einer IT-Abteilung. Es geht dabei insbesondere um die Erbringung und Unterstützung von IT Services. Dabei bildet der Service Desk die zentrale Anlaufstelle (Single Point of Contact) zum Kunden. Folgende Prozesse werden ausführlich beschrieben: Incident und Problem Management, Configuration und Change Management sowie Release Management.

Service Delivery befasst sich mit der langfristigen Planung und Verbesserung von IT Service-Leistungen. Es beinhaltet die Prozesse Service Level Management, Financial und Capacity Management, Continuity und Availability Management.

Diese und weitere Publikationen zum Thema ITIL können über das IT Service Management Forum (ITSMF) Germany bezogen werden. Das itSMF ist ein Interessenverband, der sich um die Förderung und Verbreitung von Erkenntnissen und Methoden im Bereich IT Management auf nicht kommerzielle Weise kümmert.

Das schrittweise Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt. Der Versuch, alle Prozesse parallel einzuführen scheitert meist daran, dass Kunden, Mitarbeiter und Management mit der zusätzlichen Belastung überfordert werden. Die realistische Dauer einer vollständigen ITIL-Einführung mit allen Prozessen beträgt erfahrungsgemäß etwa zwei bis drei Jahre.

Zentrale Rolle „Prozessmanager“

Für jeden Prozess sollte ein Prozessmanager ernannt werden, der in der Einführungsphase in Vollzeit zur Verfügung steht. Dieser verfügt idealerweise über Erfahrungen aus dem jeweiligen Prozessumfeld und Basis Know-how im Bereich ITIL. Solche Kenntnisse können zum Beispiel durch den Besuch spezieller ITIL-Seminare erworben werden. Damit verbunden ist in der Regel die Möglichkeit einer Prüfung mit Zertifizierung: „Foundation Certificate in IT Service Management“ (Trainingsaufwand rund zwei Tage) oder „Manager Certificate in IT Service Management“ (Trainingsaufwand rund 10 Tage, Erfahrungen im Service Management werden vorausgesetzt).

Werkzeuge sind notwendig

Bei nahezu allen Prozessen stellt sich im Laufe der Einführung die Frage nach einem geeigneten Werkzeug. Beispiele dafür sind ein Helpdesk-Tool, die Configuration Management Database, ein Servicekatalog oder die Definitive Software Library (DSL). Die Herausforderung besteht neben der Auswahl auch in der Integration dieser Tools in die bestehende Systemlandschaft. Außerdem müssen die Prozesse daran ausgerichtet und die Mitarbeiter entsprechend geschult und angewiesen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang - es gibt im Moment noch kein allumfassendes Tool, das sich gleichzeitig für die Unterstützung aller ITIL-Prozesse eignet.

Marketing als Erfolgsfaktor

Besondere Bedeutung kommt dem internen und externen Marketing zu. Hier geht es darum, jeden einzelnen Mitarbeiter und Kunden für die Sache zu begeistern. Das ist nicht trivial, da die Betroffenen diesen Veränderungen zunächst eher kritisch und misstrauisch gegenüber stehen. Als Gründe dafür werden oft Sorge vor neuen Anforderungen, Angst vor Arbeitsplatzverlust, Kompetenzverlust, Leistungskontrolle oder Wechsel der Zuständigkeiten genannt. Das Marketingkonzept sollte daher alle Zielgruppen mit einschließen.

Folgende Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt: Infoveranstaltungen und Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter und Kunden, Großflächige Plakate mit Prozessbeschreibungen und Ansprechpartnern, Intranet-Auftritt mit übersichtlichen Informationen und Gewinnspiel, Newsletter und Sprechstunden. „Wir haben vor zwei Jahren mit der ITIL-Einführung begonnen“, so der Projektleiter eines großen Dienstleistungsunternehmens. „Erreicht haben wir beispielsweise erhebliche Verbesserungen in der Qualität der Störungsbehebung. Jetzt geht es darum, die verbleibenden Prozesse einzuführen und über den kontinuierlichen Verbesserungsprozess unseren Kunden, Mitarbeitern und dem Management den erreichten Nutzen immer wieder transparent zu machen.“