Ben Verwaayen, CEO von BT: "Kunde, friss oder stirb" ist Vergangenheit

05.07.2005
Der Netzbetreiber BT - ehemals British Telecom - ist nach Ansicht von Ben Verwaayen gut für das Zeitalter konvergenter Services gerüstet. Im Interview mit CW-Redakteur Peter Gruber erklärt der BT-Chef, warum sein Unternehmen weiter ist als die Deutsche Telekom und wie der Konzern für Geschäftskunden eine Synergie zwischen IT und modernster Netztechnik herstellt.

Ben Verwaayen: "Unser Business wird eindeutig in der Konvergenz liegen."

CW: BT hat im abgelaufenen Geschäftsjahr seinen Schuldenberg weiter abgebaut. Der Umsatz stieg allerdings nur geringfügig um ein Prozent. Fürchten Sie nicht eine Wachstumsschwäche des Unternehmens?

VERWAAYEN: Absolut nicht. BT ist das fünfte Quartal in Folge gewachsen. Noch besser sieht unsere Bilanz beim Aktiengewinn aus. Hier verzeichnet der Konzern seit drei Jahren ein Wachstum in Serie. Wenn ich BT mit allen anderen Anbietern dieser Industrie vergleiche und deren Mobilfunkgeschäft ausklammere, finden ich keinen, der unsere Performance erreicht hat. BT ist ein Unternehmen, das seine Strategie ganz klar am Thema Konvergenz ausgerichtet hat. Das ist die Realität, die unser Wachstum sichern wird.

CW: Können Sie die Einnahmefelder genauer präzisieren, mit denen Sie den Umsatzschwund in traditionellen Sprachgeschäft auffangen wollen?

VERWAAYEN: Dafür zeichnen die Bereiche verantwortlich, die wir unter dem Begriff "New Wave" subsumieren. Dazu zählen vor allem Breitbanddienste und Mobility sowie Networked IT-Services für multinationale Geschäftskunden. Mit diesen neuen Umsatzfeldern erwirtschaften wir über 30 Prozent unserer Einnahmen. Außerdem ist es wichtig, dass wir unsere Schulden weiter abbauen, durch kreative Innovation neue Umsatzströme erzeugen und unseren Erfolg mit einer klaren Langzeitstrategie aufrechterhalten.

CW: Wie sieht die aus?

VERWAAYEN: In unserem Heimatmarkt Großbritannien setzen wir komplett auf eine Breitbandstrategie, die gleichbedeutend mit Konvergenz ist. Das heißt, wir bieten unseren Kunden konvergente Services an, die Festnetz- und Mobilfunk-übergreifend sind. Ein Beispiel dafür ist das kürzlich angekündigte "BT Fusion". Dabei handelt es sich um ein Breitbandprodukt, das sich in Gestalt eines Mobiltelefons präsentiert. Der Kunde wird damit sowohl mobil als auch im Festnetz telefonieren können und hat zusätzlich über einen WLAN-Router breitbandigen Zugriff auf das Internet (siehe "Mobiltelefon mit Festnetzanschluss").

Während sich das Angebot für Consumer und Kleinbetriebe in erster Linie um konvergente Fetznetz- und Mobilfunkdienste dreht, liegt der Ansatzpunkt unseres Business-Plans für weltweit agierende Geschäftskunden zwischen der IT und dem Netzwerk.

Sowohl die Dienste für Privatkunden als auch die für international agierende Unternehmen realisieren wir auf Grundlage unseres 21st Century Networks, einer weltweit durchgängigen IP-Infrastrukturplattform.

CW: Sie sagen, Ihr Geschäftsmodell für Geschäftskunden ist zwischen dem Netzwerk und der IT angesiedelt. Was heißt das genau?

VERWAAYEN: Wir wollen Unternehmen mit vielen Standorten davon überzeugen, dass sie nicht in jedem Land oder Gebäude ein Data Center vorhalten müssen, sondern ihre Computerservices zentral organisieren. Das ist möglich, weil die Netze von heute absolut sicher und zuverlässig sind. Der Kunde kann also die Netzverbindungen von BT nutzen, um dieselbe Applikation von einem Data Center aus weltweit auf jedem Desktop bereitzustellen. Wir nutzen das Netzwerk als einen sicheren Liefermechanismus für die Applikationen aller Art und garantieren die Verfügbarkeit.

CW: Bedeutet dies, dass Sie Unternehmen wie IBM Global Services, EDS, Hewlett-Packard oder Accenture Konkurrenz machen wollen?

VERWAAYEN: Wir trachten nicht danach, einer IBM oder Accenture nachzueifern. Das wäre lächerlich. BT konzentriert sich auf seine Stärke, und die liegt darin, für den Kunden eine Networked-IT-Service-Plattform zu organisieren. Das gibt uns die Möglichkeit, in vielen Projekten mit Partnern zusammenarbeiten. BT kooperiert sehr intensiv mit den Besten ihrer Zunft, zum Beispiel mit Accenture, CSC und Hewlett-Packard.

CW: Um eine IT-Service-Plattform anzubieten, müssen Sie aber die Anwendungen verstehen. Wo schöpft BT sein IT-Know-how?

VERWAAYEN: Die IT-Kompetenz existierte im Konzern schon immer in Gestalt des Systemintegrators Syntegra. Bei meinem Amtsantritt agierte das Unternehmen jedoch sehr eigenständig und isoliert. Wir haben Syntegra unterdessen voll in die Geschäftsprozesse von BT integriert. Es ist fester Bestandteil unserer Arbeit. Außerdem stellen wir gezielt IT-Experten ein.

CW: Ihr Modell hört sich stark nach Application-Service-Providing an.

VERWAAYEN: Nein, damit hat das nichts zu tun, weil wir, plakativ gesagt, keine Mietmaschine betreiben. Unsere Mission ist es, für Unternehmen mit vielen Standorten weltweit ein Seamless Network zu realisieren, also ein Netz, wo die Art des physischen Access keine Rolle mehr spielt. Das können wir mit unserer IP-Plattform leisten wie kein anderer. Mit anderen Worten: Jeder Mitarbeiter des Kunden muss den Eindruck haben, als würde jeder Partner, mit dem er weltweit kommuniziert, im Zimmer nebenan sitzen. Wir liefern dazu nicht nur Komponenten und Connectivity, sondern sprechen mit dem Kunden auch über das Lösungsgeschäft. BT garantiert nicht nur Verfügbarkeit, sondern auch Ergebnisse.

CW: Die angesprochenen Lösungen beziehen Sie aber von Partnern?

VERWAAYEN: Sie denken zu sehr in den Strukturen der altmodischen IT. Nach dem Prinzip: Kunde, friss oder stirb. Die Beziehung sieht heute aber ganz anders aus. Der Kunde gibt den Ton an, hat ein fundiertes Wissen und seine bereits bestehenden IT-Systeme, wie zum Beispiel SAP-Plattformen. Deshalb ist er bei Projekten immer als Co-Architekt mit von der Partie, auch weil er sein Business am besten versteht. Was er in der Regel benötigt, sind zusätzliche Potenziale. Wir wollen ihm dabei helfen, durch unsere IP-Infrastrukturplattform seine IT-Systeme effektiver und kostengünstiger zu strukturieren.

CW: Wie steht es um komplexe Outsourcing-Verträge oder zum Beispiel Business Performance Outsourcing?

VERWAAYEN: Das klassische Outsourcing ist nicht unsere Baustelle. Wir lassen die Finger davon, weil andere Anbieter in diesem Marktsegment einen viel besseren Job machen als wir. Zum Beispiel unser Partner Hewlett-Packard. BT wird nur dann als Outsourcer aktiv, wenn es um Networking geht.

CW: Und im Consulting?

VERWAAYEN: Wir bieten Beratung nur dann an, wenn es sich um Plattformkapazitäten dreht. Ansonsten kooperieren wir auch in diesem Bereich mit Partnern.

CW: Ist in Ihrer Domäne, den Networked IT-Services, in den kommenden Jahren mit einem organischen Wachstum zu rechnen?

VERWAAYEN: Ich gehe davon aus, dass der Trend anhält. Wir haben in jedem der vergangenen Quartale ein Wachstum verzeichnet, das deutlich über dem Gesamtmarkt lag.

CW: Es gibt Analysten, die sagen, BT würden die ganz großen Aufträge fehlen.

VERWAAYEN: Wie erklären Sie sich dann, dass wir in den letzten drei Jahren ein Auftragsvolumen von über 25 Milliarden Euro erreicht haben? Wohlgemerkt, ich spreche nicht von Zielen, sondern von Fakten. Ist ein Outsourcing-Deal mit Unilever mit einem Volumen von einer Milliarde Euro kein bedeutender Auftrag? Spielen Projekte in der Größenordnung von 700 und 800 Millionen Euro keine Rolle? Unabhängig davon was die Analysten sagen, messe ich BT daran, was wir tun und bereits geschafft haben. Und da ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass wir schneller wachsen als jeder andere Anbieter im TK-Markt. Networked IT-Services machen einen substanziellen Anteil unseres Wachstums aus. Es ist mir egal, ob andere Anbieter größer sind, so lange unser Geschäft wächst und wir unsere Kunden halten. Das gelingt uns in 90 Prozent der Fälle. Darüber hinaus gewinnen wir überall in der Welt Ausschreibungen, auch in Deutschland. Wir verzeichnen ein

organisches Wachstum, und das wird von den Kunden registriert.

CW: Ist es für die Realisierung konvergenter Dienste nicht nachteilig, dass BT seine Mobilfunkeinheit - heute mmO2 - verkauft hat?

VERWAAYEN: Warum sollte es ein Nachteil sein? Nennen Sie mir ein Unternehmen, das Festnetz- und Mobilfunkeinheiten hat und solche Dienste anbietet.

CW: Zum Beispiel France Télécom und die Deutsche Telekom.

VERWAAYEN: Die haben zwar Mobilfunk- und Festnetzbereiche, aber bis heute keinen vergleichbaren Service angekündigt, der mit BT Fusion mithalten kann. So etwas existiert dort nicht - und wissen Sie warum? Zum einen wegen der Regulierung und zum anderen, weil diese Carrier ihr eigenes Mobilfunkgeschäft nicht untergraben wollen. Die Tatsache, dass wir auf keine Mobilfunkeinheit Rücksicht nehmen müssen, gibt uns den Freiraum für radikale Innovationen.

CW: Aber BT wird in der Partnerschaft mit Vodafone bei BT Fusion auch darauf achten, dass möglichst viel Verkehr über sein Festnetz läuft.

VERWAAYEN: Nein, weil für BT Fusion die Tarifstruktur unseres Festnetzes gilt. Für uns ist das also Zusatzgeschäft. Wenn andere Netzbetreiber aber das Preisgefüge des Festnetzes auf den Mobilfunk übertragen müssen, implodiert ihr Geschäft. Das ist exakt das Problem, vor dem jetzt Anbieter wie die Deutsche Telekom oder France Télécom stehen (siehe "France Télécom will mit integrierten Diensten wachsen").

CW: So innovativ wie sich Ihr Unternehmen jetzt mit BT Fusion gibt, war es aber nicht immer. Die Regulierungsbehörde Ofcom hat BT mit der Zerschlagung gedroht, weil es im Festnetz auf der "letzten Meile" durch seine Preispolitik Investitionen der Konkurrenten in neue Dienste und damit mehr Wettbewerb verhinderte.

VERWAAYEN: Das ist jetzt kein Thema mehr. BT hat sich entschlossen, einen Geschäftsbereich zu gründen, der unter Aufsicht einer neutralen Kommission Vorleistungsprodukte im Ortsnetz bereitstellt, die für alle gelten. Wir haben anerkannt, dass nicht jeder Kupfer- oder und Glasfaserleitungen in die Haushalte legen kann und die letzte Meile deshalb einen Engpass darstellt, der reguliert werden muss. Was die regulatorischen Rahmenbedingungen betrifft, haben wir nach harten Verhandlungen Klarheit über die Nutzungsrechte der Ressourcen im Local Loop geschaffen. Das ist eine Grundvoraussetzung, die ich mir auch in Deutschland wünsche und die nur in dem Bewusstsein zu erreichen ist, dass ein wettbewerbsfähiger Markt für alle Parteien gut und unverzichtbar ist.

CW: Wo steht BT in fünf Jahren?

VERWAAYEN: Unser Business wird eindeutig in der Konvergenz liegen. Auf Dauer wird sich BT als eine Breitband-Service-Company für Geschäfts- und Privatkunden präsentieren.

CW: Hat BT mit seinem Projekt 21th Century Network einen Vorsprung vor der Deutschen Telekom und France Télécom?

VERWAAYEN: Das weiß ich nicht. Fragen Sie die Deutsche Telekom, was sie dazu meint.