„Beim Outsourcing fallen die letzten Bastionen“

12.12.2001
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit Juli verantwortet Rudolf Bauer die deutsche Niederlassung von IBM Global Services. Die CW-Redakteure Christoph Witte und Joachim Hackmann sprachen mit dem General Manager Central Region und Geschäftsführer der IBM Deutschland GmbH.

CW: Zurzeit rätselt die Branche über das Wunder <a target="_blank" href="http://www.ibm.com/">IBM</a>. Allen geht es schlecht, nur Big Blue geht es einigermaßen. Anfang der 90er war die IBM noch der übermächtige Player ...

Bauer: ... dann kam der Absturz.

CW: ... na ja, kann man so nicht sagen, aber zumindest war die Dominanz weg. Jetzt scheint sich die IBM wieder zu alter Stärke aufzuschwingen, und zwar mit <a target="_blank" href="http://www-5.ibm.com/services/de">IBM Global Services</a> als Motor für den gesamten Konzern.

Bauer: Es hat sich gezeigt, dass niemand mit reinem Boxengeschäft glücklich wird. Jeder redet von Lösungen, die sich aus der Kombination von Produkten, Techniken und Services ergeben. Die Idee, das Konstrukt, das Konzept und Design für die Lösung entstammen dem Bereich Business Innovation Services (BIS), der innerhalb von IBM Global Services für die Beratung und Systemintegration zuständig ist.

Kurz gesagt verantwortet BIS den Plan-Design-Build-Bereich, also das, was auch die klassischen Beratungsfirmen machen. Denen haben wir jedoch voraus, dass wir die volle Servicebreite anbieten können - und das wird zunehmend wichtiger.

Früher gab es noch die strenge Teilung zwischen Consulting und Integration. Der Berater kam ins Unternehmen, unterbreitete dem Auftraggeber eine Studie, und daraus wurde eine Ausschreibung gemacht. Heute sagen uns die Anwender: Wenn die IBM uns zu etwas rät, dann soll sie es auch selbst einführen und betreiben.

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CW: Wird die Frage nach der Neutralität gar nicht mehr gestellt?

Bauer: Bedingt, denn nach wie vor gibt es eine Plattformneutralität. Natürlich möchte die IBM liebend gerne MQ Series, Websphere und die Z-Series verkaufen. Aber als Integrator finden wir die bunte IT-Welt vor und müssen uns mit dem beschäftigen, was der Kunden hat oder will. Anders sieht es bei der „Servicekettenneutralität“ aus: Sie ist hinfällig. Ein Kunde will nicht zwangsläufig einen IBM-Server, wenn ein IBM-Consultant ihn berät, er will aber sehr wohl die IBM als ausführenden Dienstleister.

CW: Da stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sich Abhängigkeiten vermeiden und Service- und Beratungsqualität sicherstellen lassen?

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Rudolf Bauer:

"Die Servicekettenneutralität ist hinfällig. Die Kunden wollen den beratenden Anbieter auch als ausführenden Dienstleister."

Bauer: Dafür gibt es unter anderem Service-Level-Agreements, die man beliebig verfeinern und an Strafen und Belohnungen koppeln kann.

CW: Es ist aber doch etwas komplett anderes, das Fuhrpark-Management oder den IT-Betrieb von externen Dienstleistern betreiben zu lassen. Ohne IT sind viele Unternehmen nicht handlungsfähig. In der Regel sichern sich die Firmen gegen solche Gefahren durch eine Second-Source-Strategie ab. Im Fall des IT-Outsourcings gibt es das nicht.

Bauer: Ich kenne keinen Fall, wo ein Kunde durch diese Abhängigkeit ernsthaft Schaden genommen hat. Der Kunde sitzt auch hier am längeren Hebel, denn der Outsourcing-Anbieter hat sehr viel zu verlieren. Außerdem erstrecken sich Verträge auch nicht immer auf die gesamte Unternehmens-IT, sondern beziehen sich auf IT-Dienstleistungen für bestimmte Zwecke und in definierten Bereichen.

CW: Hat sich der Outsourcing-Markt in der letzten Zeit geändert?

Bauer: Wir haben bereits in der Vergangenheit ein gutes - oder besser - moderates Geschäft gemacht. Deutschland ist bislang kein Outsourcing-Land. Bisher gab es eine gewisse Reserviertheit diesem Thema gegenüber, die getragen wurde vom Stolz auf die Effizienz der eigenen IT oder der Definition der IT als Kernkompetenz. Wenn es eine Entscheidung für die Auslagerung der IT gab, war sie meist kostengetrieben und zielte auf den RZ- und Infrastruktur-Betrieb. Die Anwendungsseite wurde oft vernachlässigt.

Mittlerweile setzt sich aber zunehmend eine strategische Komponente durch. Zu dem Kostenspareffekt kommt der Innovationsanspruch hinzu, das heißt, die Kunden verlangen vom Dienstleister, dass er den Transformationsprozess des Unternehmens zum E-Business unterstützt.

CW: Tritt der Kostenaspekt seit Sommer dieses Jahres nicht wieder in den Vordergrund?

Bauer: Ohne Zweifel ist er wieder wichtiger geworden. Der Kostendruck führt dazu, dass Unternehmen, die früher vom Outsourcing nichts hören wollten, dem Thema plötzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Hinzu kommen nun auch Sicherheitsbedenken. Der IT-Manager, der immer auf die dicken Wände und das feuerfeste Glas in seinem Rechenzentrum vertraut hat, musste erkennen, dass der GAU vorstellbar ist. Wer sich Gedanken über Sicherheit und Hochverfügbarkeit macht, kommt schnell auf das Thema Outsourcing zu sprechen.

Es gibt aber auch einen Beweggrund, der in keinem Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Monate steht: Es ist das Thema Business-Transformation. Aufgaben wie Customer-Relationship-Management und Supply-Chain-Management rücken von der Peripherie ins Zentrum eines Unternehmens und müssen integriert werden. In der Regel sind es Restrukturierungsmaßnahmen, die die Frage aufkommen lassen, ob der IT-Betrieb zum Kerngeschäft zählt. Die Antwort darauf fiel vor zwei Jahren noch anders aus als heute.

Schließlich wird es die „Deutschland AG“ so nicht mehr geben. Zum Jahreswechsel gilt die neue Gesetzgebung für Beteilungsverkäufe. Fachleute rechnen damit, das Deutschland zum „Land der Merger und Akquisitionen“ wird. Dabei müssen immer zwei Anwendungslandschaften zusammenfinden. In solchen Fällen haben Anwender in Großbritannien und Frankreich sehr häufig externe Dienstleister mit der Konsolidierung und dem Betrieb der IT beauftragt. Das alles führt dazu, dass die letzten Bastionen der Outsourcing-Zweifler fallen.

CW: Wenn Sie einen Ausblick wagen, welche Rolle spielt das Outsourcing künftig?

Bauer: Künftig wird es Alternativen geben, wir nennen das E-Sourcing oder E-Utility. Im Rahmen dieser Services können Kunden eine bestimmte Infrastruktur oder Anwendung je nach Bedarf beziehen. Im trivialen Fall kann das heißen, dass nur der Spitzenbedarf abgedeckt wird, indem der Betreiber freie RZ-Kapazitäten zur Verfügung stellt.

CW: Macht das E-Sourcing, also der Bezug von IT-Leistungen nach Bedarf, das klassische Outsourcing zum Auslaufmodell?

Bauer: Nein es ist nur eine Variante des Outsourcings, denn IT lässt sich flexibel und intelligenter beziehen, der Kunde ist nicht zu einer Grundsatzentscheidung gezwungen. Derartige Dienste sind beispielsweise interessant, wenn neue Geschäftsmodelle eingeführt werden.

Mit E-Sourcing kann man auf den Aufbau eigener IT und Mitarbeiter verzichten. Es fallen keine Startinvestitionen an, und man ist schneller. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es nur generische Leistungen geben kann, und es wird, verglichen mit dem heutigen Outsourcing, teurer sein.

CW: Wann wird das Realität?

Bauer: In ein bis zwei Jahren wird es entsprechende Dienste geben.