Kaffeesatzlesen zum neuen Apple-Handy

Beim nächsten iPhone bleibt alles anders

15.07.2011 von Manfred Bremmer
Rein technisch ist das Apple iPhone dem Gros der Smartphone-Konkurrenz unterlegen. Doch für die Anhänger der Jobs-Company zählen andere Werte. Daran wird sich auch mit iPhone 5/iPhone 4S kaum etwas ändern.

Nachdem das iPhone 4 seit gut einem Jahr verfügbar ist, wächst in der Fangemeinde bereits die Unruhe: Wo bleibt der Nachfolger? Messbar ist das vor allem an den immer kürzer werdenden Abständen, in denen selbst ernannte Experten Details zum neuen Top-Smartphone ausplaudern. Auch Apple selbst steht natürlich - wie andere Hersteller auch - immer im Verdacht, seine Anwender mit gezielten Indiskretionen bei der Stange zu halten.

Was bisher geschah: Das Ur-iPhone wurde von der Konkurrenz noch belächelt...
Foto: Apple

Was bisher publik wurde, legt jedenfalls den Rückschluss nahe, dass die chinesische Firma Hon Hai Precision Co. mittlerweile mit der Massenherstellung des Geräts begonnen hat. Medienberichten zufolge soll das neue iPhone noch im laufenden dritten Quartal auf den Markt kommen, also spätestens Ende September.

Apple steht unter Zeitdruck. Zwar verkauft sich das iPhone 4 nach wie vor gut - dazu tragen das Ende der Carrier-Bindung (plus CDMA-Modell), der Launch einer weißen Version und der Verfügbarkeit in weiteren Ländern bei. Aktuelle Marktzahlen deuten aber an, dass die Konkurrenz bereits von der Verspätung profitiert. Samsung etwa setzte seit dem Verkaufsstart im Mai drei Millionen Stück seines Topmodells "Galaxy S II" ab, insgesamt brachten die Koreaner im ersten Halbjahr knapp 30 Millionen Smartphones unter die Leute. Dennoch ist Apple optimistisch: Zum Start will die Steve-Jobs-Company einige Millionen ihres neuen Produkts absetzen, bis Jahresende sollen dann insgesamt bereits 25 Millionen Stück über die weltweiten Ladentische wandern.

Facts oder Fiction?

Was kann man über ein Gerät sagen, von dem noch nicht einmal seine endgültige Bezeichnung (iPhone 5 oder 4S) bekannt ist? Beginnen wir die Kaffeesatzleserei mit der äußeren Form: Dank der langen Wartezeit hatten anscheinend viele Photoshop-Künstler Zeit, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Entsprechend voll ist das Web mit vermeintlichen Skizzen oder Schnappschüssen des neuen Modells. Die einzelnen Entwürfe widersprechen sich dabei teilweise stark.

Mit dem iPhone 3G wurde die Situation schon ernster - Pushmail, UMTS und GPS wurden bereits unterstützt.
Foto: Apple

Noch am plausibelsten erscheint ein am iPad 2 angelehntes Design mit leicht gewölbter Aluminium-Rückseite. Andere Berichte deuten dagegen an, dass sich Apple beim neuen iPhone ganz am Vorgänger orientiert hat. Es soll lediglich breiter und flacher ausfallen - so flach, dass sich die Jobs-Company extra eine längere Entwicklungszeit genehmigt hat. Die Endmontage der dünnen Geräte, so will das "Wall Street Journal" erfahren haben, soll wegen der hohen Fehlerquote entsprechend schleppend verlaufen.

Ähnlicher Formfaktor

Was die Abmessungen anbelangt, kann man davon ausgehen, dass Apple bei einem 3,5-Zoll-Display bleibt oder maximal auf einen Vier-Zoll-Screen wechselt - möglicherweise ohne Einfassung, um den bisherigen Formfaktor beizubehalten. Bei der Auflösung besteht wegen des mit 960 mal 640 Pixeln superscharfen Retina-Displays dagegen kein Handlungsbedarf.

In den Medien gibt es immer wieder Spekulationen über ein günstigeres iPhone-Mini-Modell. Marktexperten sind sich aber einig, dass Apple einen Preisvorteil eher über äußerlich identische Geräte mit abgespeckter Technik im Inneren realisieren könnte als über ein neues Gerät mit kleineren Abmessungen.

Das iPhone 3GS lag technisch erstmals (fast) auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Multitasking wurde aber zunächst noch nicht unterstützt.
Foto: Apple

Apropos Technik: Von wenigen Highlights abgesehen, wird es beim neuen iPhone wahrscheinlich wenig revolutionär Neues geben. Insofern wäre Apples Strategie stimmig: Kontinuität ist Teil des Erfolgsrezepts. Elegantes Design und Techniken wie Facetime für Videotelefonie im iPhone 4 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass schon dieses Gerät eine evolutionäre Weiterentwicklung des Vorgängers war. Der Großteil der jetzigen und vermutlich auch künftigen iPhone-Nutzer ordnet technische Details ohnehin einem schicken Gerätedesign, flüssiger Bedienbarkeit und einem gut gefüllten App Store unter.

Feintuning erforderlich

Trotzdem wird Apple nach den Angriffen von Konkurrenten wie HTC, Motorola oder Samsung auch Anpassungen unter der Haube vornehmen müssen - und sei es nur, damit das neue iPhone bei den technischen Daten in Produktvergleichen nicht allzu schlecht dasteht. Entsprechend kann man Berichten durchaus Glauben schenken, wonach Apple im neuen iPhone auch den im iPad 2 verbauten A5-Chipsatz verwenden wird - Dual-Core-CPUs mit Gigahertz-Taktung sind inzwischen im Highend-Bereich Standard. Auch mit der kolportierten Acht-Megapixel-Kamera, die angeblich mit einem Doppel-LED-Blitz ausgestattet werden soll, zöge der Marktführer bestenfalls mit der Konkurrenz gleich.

Das iPhone 4 beeindruckt primär durch sein neues Design und das superscharfe Retina-Display. Der Rest ist eher Standardkost.
Foto: Apple

Als weitere Neuheiten tippen viele Analysten auf die Unterstützung von Near Field Communication (NFC) und des künftigen Mobilfunkstandards LTE. Diese Spekulatio-nen scheinen jedoch eher grundsätzlichen Überlegungen entsprungen, wie Apple weiter wettbewerbsfähig bleiben kann. Es ist unwahrscheinlich, dass entsprechende Module bereits mit dem neuen iPhone kommen werden. So gibt es zwar schon Smartphones mit NFC-Chip, etwa das Google-Handy "Nexus S" oder das angekündigte "Blackberry Bold 9900". Die zugrunde liegende Technik, die eine unkomplizierte drahtlose Datenübertragung über ultrakurze Entfernungen und damit etwa bargeldloses Bezahlen ermöglicht (Near Field Communication), hat sich im Markt aber noch nicht durchgesetzt. Außerdem, so das schlagkräftigere Argument, fehlt Apple noch der entsprechende Masterplan, um damit Kasse zu machen.

Keine Experimente

Auch LTE-Unterstützung ist eher unwahrscheinlich. Zwar gibt es in den USA bereits einige (Android-)Geräte, die den Mobilfunk der vierten Generation unterstützen. Global betrachtet werden LTE-Netze aber gerade erst aufgebaut. Zudem nutzen sie ganz unterschiedliche Funkfrequenzen. Nachdem Apple bereits im Februar eine CDMA-Version für Verizon herausgebracht hat, ist es wahrscheinlich, dass das neue iPhone GSM- und CDMA-Netze unterstützt.

iPhone 4
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Im Vergleich zum Vorgänger wirkt das iPhone 4 kantiger und technischer.
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Neu ist die Antennenkonstruktion, die den Rahmen nutzt.
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Die Rückseite ist jetzt auch aus Glas. Das fühlt sich sehr hochwertig an, verschmiert aber leider stark.
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Das iPhone 4 ist das dünnste aus der iPhone-Reihe und unter einem Zentimeter dick.
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Der Generationswechsel.
Das neue Ladegeräte
Neu gegen alt: Auch die Ladegeräte unterscheiden sich. Das neue Modell besteht nur noch aus einem schmalen Stecker.

Daneben gibt es noch Spekulationen über eine universelle - und vermutlich noch kleinere - SIM-Karte für alle Länder und Netze. Die Idee: Statt fest mit einem Carrier und einem Netz verbandelt zu sein, lädt der iPhone-Nutzer die für das jeweilige Netz im In- und Ausland benötigten Daten über den iTunes AppStore auf den Flash-Speicher der SIM-Karte. Damit würden für den Nutzer die mitunter enormen Preisunterschiede beim Roaming der Vergangenheit angehören. Aktuell ist schwer abzuschätzen, ob Apple schon jetzt den offenen Bruch mit den Carriern und einen möglichen Boykott seiner Produkte riskieren will. Möglicherweise warten die Kalifornier mit diesem fast schon teuflisch genialen Plan bis zum iPhone 6, vielleicht wurde er auch nur geprüft und schon längst wieder verworfen. Doch bekanntlich wäre Apple nicht so erfolgreich, wenn das Unternehmen nicht immer wieder für Überraschungen sorgen würde.

iOS 5 als Softwareplattform

Was das Betriebssystem des neuen iPhones anbelangt, ist kein Rätselraten erforderlich: Apple hat bereits Anfang Juni auf der Hausmesse WWDC das Software-Update iOS 5 für iPhone und iPad präsentiert. Inzwischen wurde den Entwicklern bereits die zweite Betaversion davon bereitgestellt, damit sie die neuen Features bis zum Launch im Herbst in ihren Anwendungen berücksichtigen. Die Software bringt eine Reihe von Neuerungen, darunter das Notification Center, das - ähnlich wie bei Android - Benachrichtigungen am oberen Ende des Bildschirms anzeigt. Die Meldungen werden mit dem Herunterziehen sichtbar. An den beliebten Chat-Client Blackberry Messenger erinnert der Messaging-Dienst iMessage. Zu den weiteren neuen Features zählen eine stärkere Integration von Twitter, die drahtlose iTunes-Synchronisation oder der Backup-Service iCloud. Das iPad - auch hier wird übrigens über einen Nachfolger vor Jahresende gemunkelt - erhält zusätzlich Tabbed Browsing über Folders.

Was in Sachen iPhone 5 auch immer herauskommen mag: In diesem Jahr müssen sich die Fans in Geduld fassen. Anders als beim Vorgänger wird sich Apple diesmal kaum die Blöße geben, einen Prototypen in einem Biergarten liegen zu lassen.