SIS-Chef Christoph Kollatz

Bei SIS kracht und raucht es nicht mehr

23.06.2008
Christoph Kollatz, CEO von Siemens IT Solutions and Services (SIS), hat die Nachfolgeorganisation von SBS nach vielen turbulenten und verlustreichen Jahren in die Gewinnzone geführt. CW-Redakteur Joachim Hackmann sprach mit ihm über vermeintlich ruhige Zeiten, die Neuausrichtung und die enge Bindung an den Siemens-Konzern.
SIS-Chef Kollatz: Der Erfolg fußt auf einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Mitarbeiter und des Management-Teams. Seit dem zweiten Quartal unseres Geschäftsjahres 2006/07 lag die Marge über fünf Prozent.
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CW: Nach einer turbulenten Phase scheint SIS in ruhige Fahrwasser gekommen. Ist Ihre Arbeit getan?

KOLLATZ: In der Tat hatten wir eine sehr intensive Zeit während des Turnarounds der damaligen SBS. Und auch die spätere Bündelung des IT- und Softwaregeschäfts in der neuen Einheit Siemens IT Solutions and Services hat uns beansprucht. Das heißt jedoch nicht, dass ich heute nur noch darauf schauen muss, dass alles seinen vorgezeichneten Weg geht. Mit bleibt aber wieder mehr Zeit, um mit Kunden und Partnern zu reden und um das Geschäft nach vorne zu bringen.

CW: Der Turnaround mutet so wunderbar an, dass Zweifel an der Nachhaltigkeit aufkamen. Nach vielen verlustreichen Quartalen haben Sie punktgenau im zweiten Geschäftsquartal 2007 die geforderte Marge von mehr als fünf Prozent präsentiert. Wie kam die erstaunliche Wende zustande?

KOLLATZ: Der Erfolg fußt auf einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Mitarbeiter und des Management-Teams. Seit dem zweiten Quartal unseres Geschäftsjahres 2006/07 lag die Marge über fünf Prozent, mit einer Ausnahme im letzten Quartal. Die Wende kam dadurch zustande, dass wir in der Zeit davor substantielle Veränderungen angestoßen und die Probleme an den Wurzeln gepackt haben. Ziel war eine nachhaltige Ergebniskorrektur und eine Organisationsstruktur mit einer Basis, die uns dauerhaft nach vorne bringt.

Probleme bei den Wurzeln gepackt

CW: Was waren die Wurzeln, an denen Sie die Probleme gepackt haben?

KOLLATZ: Wir haben eine ganze Reihe von Themen fundamental geändert. Zum einen haben wir das Unternehmen neu ausgerichtet, indem wir uns auf bestimmte Branchen konzentrieren. Heute investieren wir vor allem dort, wo wir von der starken Siemens-Position profitieren und mit den Konzern-Einheiten zusammenarbeiten können. Zum anderen haben wir den Schwerpunkt auf die Segmente gelegt, in denen wir traditionell stark vertreten sind. Wir wollten das Portfolio nicht mehr beliebig breit gestalten. Neben diesen strategischen Maßnahmen haben wir Dinge in Ordnung gebracht, die in den Jahren zuvor nicht vollständig bereinigt worden waren. Dazu zählten einige notleidende Projekte, und wir hatten Services im Portfolio, die wir nicht konkurrenzfähig betreiben konnten. Im Zuge der Bereinigung haben wir uns beispielsweise von den Product Related Services getrennt. Das war ein guter Schritt für alle Beteiligten, denn das Geschäft ist jetzt bei Fujitsu-Siemens Computers als Hardwarehersteller einfach besser aufgehoben.

CW: Die Verbindung von Hardware und Service erachten Anbieter wie EDS/HP sowie IBM als Wettbewerbsvorteil. Nun erwächst Ihnen dort eine Konkurrenz, der Sie nichts Adäquates entgegenzusetzen haben.

Kollatz: Unsere Strategie ist einzigartig. Wir kombinieren IT-Know-how mit dem Industrie-, Energie- und Medizingeschäft der anderen Siemens-Einheiten, die oftmals Weltmarktführer sind. Das kann kein anderer Wettbewerber. Wir als IT-Dienstleister positionieren uns als Partner eines Kunden und Unternehmens. Gemeinsam schaffen wir Lösungen im IT-Umfeld und verbessern damit die Wettbewerbsfähigkeit des Kunden. Wir wollen an der Differenzierung unserer Kunden mitarbeiten und darüber hinaus für eine kostengünstige IT-Basis sorgen. Da sehen wir uns nach wie vor in der Gesamtverantwortung. Ein großer neuer Vertrag in diesem Sinne ist die Zusammenarbeit mit Nokia Siemens Networks. Im Rahmen dieses Auftrags integrieren wir übrigens auch die Leistungen unserer ehemaligen PRS-Kollegen als Unterauftragnehmer.

Weitere Portfoliobereinigung möglich

CW: Gibt es - neben dem Verkauf von PRS - weitere Pläne, das Portfolio zu bereinigen?

Kollatz: Wir wollen als ganzheitlicher IT-Partner für unsere Kunden auftreten. Unser Name, Siemens IT Solutions and Services, unterstreicht diesen Anspruch. Daran soll sich auch nichts ändern. Wir haben aber immer schon mit Partnern zusammengearbeitet, um optimale Lösungen zu finden. Das sind neben den verschiedenen Siemens-Einheiten beispielsweise auch SAP, Microsoft, Siemens Enterprise Networks und Fujitsu Siemens Computers - um nur einige zu nennen. Dabei können sich Wertschöpfungsanteile über die Zeit verschieben, weil wir immer die Kundenbrille aufsetzen und fragen: Was bringt den größten Nutzen?

CW: Welche Dienste stehen besonders auf dem Prüfstand?

Kollatz: Ich würde hier nicht von Prüfstand sprechen. Wir beobachten, dass sich Kunden je nach Reife der unterschiedliche der Märkte - Großbritannien und die USA sind beispielsweise deutlich weiter als kontinentaleuropäische Länder - stärker für das selektive Outsourcing entscheiden. Diesem Trend müssen wir uns stellen. Deshalb müssen wir Schwerpunkte setzen und Segmente identifizieren, in denen wir besonders wettbewerbsfähig sind. Das sind Dienste etwa im Umfeld von Rechenzentren und Computerarbeitsplätzen und natürlich im Lösungsumfeld.

Kollatz: Wir haben uns in Großbritannien alle wesentlichen Projekte noch einmal genau angeschaut. Wir erwarten nun keine weiteren Überraschungen und sind sehr zuversichtlich, dass wir die gesteckten Ziele erreichen.
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CW: Der Schwenk zum selektiven Outsourcing ist vor allem bei Großkunden zu beobachten. Ist das Ihre bevorzugte Klientel?

Kollatz: Die Gruppe, die in der Zusammenarbeit mit Siemens IT Solutions and Services den größten Nutzen sieht, sind Kunden vom gehobenen Mittelstand aufwärts - dazu gehören natürlich auch internationale Konzerne.

CW: SIS hat zuletzt viele Deals im Ausland gewonnen. Ist das gewollt, oder gibt es im Ausland einfach mehr Möglichkeiten?

Kollatz: Der regionale Schwerpunkt liegt in Europa und Deutschland. Knapp 15 Prozent des Umsatzes kommen aus den USA. Unser internationales Geschäft wächst dabei stärker als das deutsche Geschäft. In Nordamerika, in einigen asiatischen Staaten sowie in Osteuropa verzeichnen wir zweistellige Wachstumsraten. Jüngste Beispiele für gewonnene Projekte mit großen, internationalen Kunden sind Nike, Coca Cola und Daimler. Aufgeschlüsselt nach Branchen wachsen wir stark im Gesundheitswesen, Energieversorgung, Industrie sowie der öffentlichen Hand.

Keine weiteren faulen Deals

CW: Ein Projekt mit der öffentlichen Hand in Großbritannien hat Ihnen die letzte Quartalsbilanz verhagelt. Ein Vertrag mit dem britischen Arbeitsministerium wurde gekündigt, weil SIS sich offenbar verkalkuliert hatte. Gibt es weitere problematische Abkommen?

KOLLATZ: Wir haben sofort reagiert und uns in Großbritannien alle wesentlichen Projekte noch einmal genau angeschaut. Offene Themen wurden bereinigt und haben sich in der Bilanz des zweiten Quartals niedergeschlagen. Wir erwarten nun keine weiteren Überraschungen und sind sehr zuversichtlich, dass wir die gesteckten Ziele erreichen. Auch weltweit haben wir die wichtigen Projekte geprüft und sind uns sicher, dass wir sie unter Kontrolle haben.

CW: In Deutschland betreiben Sie mit dem Herkules-Deal der Bundeswehr ebenfalls ein Großprojekt der öffentlichen Hand. Kann es auch hier zu größeren Problemen kommen?

KOLLATZ: Herkules ist ein sehr anspruchsvolles Projekt, das wir gemeinsam mit der Bundeswehr und IBM betreiben. Wir liegen gut im Zeitplan und haben die ersten großen Meilensteine planmäßig hinter uns gebracht. Derzeit arbeiten wir am Rollout auf die neuen Technologieplattformen. Das Team ist gut aufgestellt und wird die anstehenden Herausforderungen oder mögliche Probleme gemeinsam mit dem Kunden meistern.

CW: SIS konnte stark im Ausland zulegen. Ist das Marktwachstum in Deutschland so schwach?

Kollatz: In der Tat hinkte der deutsche IT-Markt in den vergangenen Jahren immer ein bis zwei Prozentpunkte hinter dem weltweiten Wachstum her. Dennoch sehen wir gerade in unserem Heimatmarkt viel Potenzial durch die Zusammenarbeit mit Siemens.

Starke Konkurrenz durch Offshorer

CW: Stoßen Sie auf indische Wettbewerber in den Ausschreibungen deutscher Kunden?

Kollatz: Ja, genau wie wir auf Wettbewerber aus den USA stoßen. Wenn es sich um Themen handelt, in denen man keine tief gehende Branchenexpertise benötigt und keine langjährige Zusammenarbeit und Partnerschaft erforderlich ist, dann ergeben sich eher Einstiegspunkte für diejenigen Wettbewerber, die stark das Kostenargument bemühen. Wir spielen auf beiden Feldern - wir realisieren einerseits innovative, wertsteigernde Lösungen und können gleichzeitig Standarddienste sehr günstig liefern. Das funktioniert aber nur, weil derzeit mehr als 35 Prozent unserer Mitarbeiter in so genannten Niedriglohnländern arbeiten.

CW: Spiegelt sich diese Quote auch in Projekten wider?

Kollatz: Es kommt auf das jeweilige Projekt an. Es gibt Projekte mit einem Offshore-Anteil von 70 bis 80 Prozent. Andere Vorhaben betreiben wir mit sehr wenigen Offshoring-Ressourcen.

CW: Wie integrieren Sie die Offshoring-Leistung in die lokalen Projekte? Für die hiesigen Mitarbeiter besteht ja zunächst einmal keinen Anlass, indische Kollegen einzubinden und Aufgaben zu verlagern.

Kollatz: Wir haben haben dafür klar definierte, standardisierte Prozesse und unsere Mitarbeiter sind entsprechend informiert und geschult. Es gibt zudem so genannte Offshore-Manager, die frühzeitig in die Diskussion mit den Kunden und in die Vorbereitung der Angebote eingebunden werden. Zudem betone ich immer wieder, dass die Zusammenarbeit im internationalen Netzwerk Arbeitsplätze nicht bedroht, sondern vielmehr sichert. Nur wenn wir es nicht schaffen, dem Kunden ein attraktives Gesamtangebot zu unterbreiten, sind Jobs gefährdet.

Kollatz: Den Umbau im Rahmen eines weltweiten Turnaround-Projektes - in dem es kracht und raucht - haben wir Anfang letzten Jahres abgeschlossen.
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CW: Bauen Sie Arbeitsplätze in Deutschland ab oder auf?

KOLLATZ: Wir haben derzeit rund 350 offene Stellen in Deutschland. Wir suchen erfahrene Berater und Projektleiter, die bereits internationale Vorhaben geleitet haben, sowie Branchenspezialisten für die Segmente Energie, Gesundheitswesen und Maschinenbau. Junge Leute mit hervorragender Ausbildung führen wir an neue Aufgaben heran. Großen Bedarf gibt es etwa an Experten für Business-Intelligence-Lösungen sowie für das Product-Lifecycle-Management.

Entlassungen waren unvermeidbar

CW: Angesichts der enormen Entlassungswelle, die die gesamte IT-Branche vor wenigen Jahren noch losgetreten hat, empfinden viele Betroffenen die Klagen aus der Branche über den Fachkräftemangel als Hohn. Warum wurden die Mitarbeiter nicht entsprechend umgeschult und fortgebildet?

KOLLATZ: Für uns hat Weiterbildung und Umschulung unserer Mitarbeiter immer erste Priorität. Der Abbau von Arbeitsplätzen ist für die Unternehmen immer die äußerste Lösung. Natürlich ist es auch unter wirtschaftlichem Kalkül sinnlos, Verträge mit Mitarbeitern zu beenden, um sie kurze Zeit später wieder einzustellen. Fortbildung hat bei uns daher einen hohen Stellenwert und ist Bestandteil der Tarifabkommen. In unserer damaligen Turnaround-Phase gab es zwei grundsätzliche Themen: Zum einen hatten wir schlicht viel zu viele Mitarbeiter an Bord. Zum zweiten gab es Bereiche, in denen SIS nicht dauerhaft wettbewerbsfähig aufgestellt war. Deshalb haben wir uns von bestimmten Aufgaben getrennt. Wir haben mit Mitarbeitern gesprochen, um zu erfahren, wer das Potenzial und den Wunsch hatte, sich weiterzuentwickeln. Für andere haben wir eine sozialverträgliche Lösung gefunden.

CW: Ist der Umbau nun abgeschlossen?

KOLLATZ: Den Umbau im Rahmen eines weltweiten Turnaround-Projektes - in dem es kracht und raucht - haben wir Anfang letzten Jahres abgeschlossen. Aber das bedeutet nicht Stillstand. Im Gegenteil. Ein Unternehmen muss sich ständig den Märkten und technologischen Entwicklungen anpassen - und das gilt doppelt in einer schnelllebigen Branche wie unserer. Zudem wirken sich mitunter auch Änderungen der Siemens-Organisation auf uns aus. Wandel ist für einen IT-Dienstleister systemimmanent. Ein einfaches Beispiel: Kunden erwarten im Outsourcing eine laufende Steigerung der Produktivität. Das bedeutet für uns ein kontinuierliches Streben nach Verbesserung.

CW: Derzeit beschäftigt Sie vermutlich der Konzernumbau bei Siemens intensiv. SIS zählt nicht zu den drei strategischen Säulen, sondern ist nur Shared Service Center für Siemens.

KOLLATZ: Siemens ist unser größter Kunde und steuert etwa 30 Prozent zum Umsatz bei. Als eine der größten Positionen betreiben wir die IT-Infrastruktur des Konzerns im Rahmen der Shared-Service-Initiative, und uns ist dieses Thema sehr wichtig. Es ist aber falsch, uns auf Shared Services zu reduzieren. Wir kooperieren zudem in der Breite mit den Siemens-Sektoren bei der Entwicklung neuer Lösungen. Wir haben den Anspruch, unter anderem in den Branchen eine führende Rolle zu spielen, in denen Siemens unterwegs ist. Deswegen ist es wichtig, dass wir integrierter Bestandteil des Konzerns sind und mit den drei Sektoren eng zusammenarbeiten.

SIS lässt HP und IBM ziehen

CW: Mit der Konzentration auf das Siemens-Geschäft verlieren Sie die Konkurrenz wie IBM und HP aus den Augen. Messen Sie sich nicht mehr mit den größten IT-Dienstleistern?

KOLLATZ: Unser Ziel ist nicht ein Platz unter den weltweit größten drei IT-Dienstleistern. Aber wir haben durchaus den Ehrgeiz, in ausgewählten Segmenten eine führende Stellung einzunehmen, und sind überzeugt, dass wir als Anbieter mittlerer Größe dauerhaft Erfolg haben werden.

CW: Also strebt SIS drei Rollen an: Shared Service Center für Siemens, IT-Dienstleister für externe Kunden, IT-Unterstützung in Projekten für Kunden der drei Siemens-Kernbereiche.

KOLLATZ: Richtig, wir bauen unser externes Geschäft weiter aus, betreiben die IT für Siemens und entwickeln integrierte, stark branchenorientierte Lösungen zusammen mit den Siemens-Sektoren. Der Kunde profitiert von dieser Kooperation, denn er erhält bessere Lösungen aus einer Hand, als wenn er sich einzeln einen Technologie- und einen IT-Partner aus unterschiedlichen Unternehmen suchen müsste.

Kollatz: Es gibt keinen Kontrahierungszwang und keine exklusiven Vereinbarungen mit den Siemens-Sektoren. Wir müssen uns täglich im Wettbewerb beweisen.
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CW: Wie weit sind Sie in diesem Vorhaben?

KOLLATZ: Das ist eine Reise, auf die wir uns vor zirka einem Jahr gemacht haben. Wir haben heute schon sehr viel erreicht, tolle Erfolge am Markt erzielt und eine Reihe hochinteressanter gemeinsamer Projekte mit den Siemens-Sektoren realisiert. Zum Beispiel: Komplettlösungen bei den zwei indischen Flughäfen Hyderabad und Bangalore, den Wasserwerken Bratislava oder auch Projekte wie Smart-Metering für intelligente Stromablesung und geringeren Energieverbrauch in Italien und Großbritannien. Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir nach etwa drei bis fünf Jahren den ganzen Erfolg der jetzt angelaufenen Kooperationen ernten werden.

CW: Wie läuft das in der Praxis? Bislang sind die Vertriebskollegen und Techniker in den Sektoren auch ganz gut ohne SIS zurechtgekommen.

KOLLATZ: Siemens hat für mehr als 20 Branchen so genannte Market Development Boards definiert, in denen jeweils die Einheiten mit entsprechendem Fachwissen vertreten sind. In etlichen dieser Branchengremien sind auch wir vertreten. Dort werden mögliche Kundenvorhaben besprochen und erörtert, wie wir sie gemeinsam vorantreiben können. Zudem arbeiten wir mit den Stammhäusern der anderen Sektoren systematisch zusammen, indem wir etwa diskutieren, welche Innovationen geplant sind und welche Rolle SIS dabei spielen kann. Zum Dritten kommen viele Anfragen aus den Landesgesellschaften. SIS führt viele der Vorhaben, wenn Kontakte zum Kunden-CIO gefragt sind, anderenfalls sind oft die Sektoren in der Verantwortung.

Siemens kennt keinen Kontrahierungszwang

CW: So ein Modell steht immer im Verdacht, dass es den Wettbewerb aussperrt. Wenn SIS der bevorzugte IT-Partner ist, kommt nicht zwangsläufig der beste Anbieter zum Zuge.

KOLLATZ: Es gibt keinen Kontrahierungszwang. Wir arbeiten dort, wo es für den Kunden sinnvoll ist, mit den Siemens-Sektoren langfristig zusammen. Natürlich kann sich in bestimmten Projekten auch ein anderer Partner als besonders qualifiziert erweisen. Für die Siemens-Bereiche ist jedoch die Langfristigkeit der Zusammenarbeit und die Gewissheit, dass das Wissen im Hause bleibt und sich auch mehrt, besonders attraktiv. Dennoch gibt es keine exklusiven Vereinbarungen mit den Sektoren. Wir müssen uns täglich im Wettbewerb beweisen.

CW: Die enge Bindung an Siemens rückt die externen Kunden ins zweite Glied. Wenn Siemens ruft, bringt SIS die gesamte Energie ein. Das dürfte alle anderen Kunden beunruhigen.

KOLLATZ: Das habe ich bislang noch nicht ein einziges Mal von einem Kunden erfahren. Ganz im Gegenteil, die Kunden wollen von den Erfahrungen profitieren, die SIS im Konzern gesammelt hat. Und zudem verlängert in unserer Branche kaum ein Mitbewerber so häufig die Outsourcing-Verträge mit seinen Kunden - das spricht doch klar für Zufriedenheit.

CW: Sie haben das Ziel formuliert, dass SIS doppelt so schnell wie die weltweite Volkswirtschaft wächst. Das haben Sie noch nicht geschafft.

KOLLATZ: Der Schwerpunkt lag während der Turnaround-Phase und unmittelbar danach auf der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die haben wir deutlich über das Wachstumsziel gestellt. Jetzt sind wir so weit vorbereitet, dass wir stark in die Geschäftsentwicklung investieren. Das Ziel bleibt, mittelfristig doppelt so schnell wie die Wirtschaft zu wachsen.

Kollatz: Siemens IT Solutions and Services ist auf Wachstum ausgerichtet. Es gibt sowohl bei Siemens als auch am externen Markt noch viele Möglichkeiten, zu wachsen.
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CW: Siemens hat erneut angekündigt, das IT-Budget zu kürzen. Wir stark trifft das SIS?

KOLLATZ: Wir arbeiten hier schon in gemeinsamen Teams mit Siemens, um die IT-Kosten entsprechend den Zielen zu senken.

Wachstum im externen Markt

CW: Das Vorhaben schmälert Ihre Einnahmen. Halten Sie dennoch am Umsatzziel fest?

KOLLATZ: Siemens IT Solutions and Services ist auf Wachstum ausgerichtet. Es gibt sowohl bei Siemens als auch am externen Markt noch viele Möglichkeiten, zu wachsen und Einschnitte an anderen Stellen mehr als auszugleichen.

CW: Der Konzern fordert von SIS eine Marge zwischen fünf und sieben Prozent. Bislang hat sich SIS - mit Ausnahme des Einbruchs im vergangenen Quartal - immer am unteren Rand dieses Korridors bewegt. Wann wird die Gewinnspanne besser?

KOLLATZ: Wir stehen zu unseren Zielen für 2010, die einen Margenkorridor von fünf bis sieben Prozent vorsehen.

CW: Gefährdet die etwas schwankende allgemeine Wirtschaftsentwicklung das Ziel?

Kaollatz: Nein, dazu stehen wir. Analysten rechnen zwar mit leicht abgeschwächtem Wachstum. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass wir uns ein Stück weit vom der allgemeinen Marktentwicklung abkoppeln können, weil wir intensiv an der Differenzierung unserer Kunden mitwirken. Insgesamt sind die Signale des Marktes noch recht uneinheitlich. So beobachten wir etwa in der gebeutelten Finanzbranche, dass die Vergabe von kleinen Projekten stark rückläufig ist, weil die Budgets gekürzt wurden. Andererseits investieren Kunden stärker in das Outsourcing. Das zeigt, dass sich durch den Kostendruck in Zeiten der Bankenkrise auch neue Chancen ergeben.

CW: Welche Wachstumsziel haben Sie in Deutschland?

Kollatz: Wir erwarten einen positiven Beitrag zum SIS-Wachstum.

SIS in Kürze

Januar 1995: Siemens Business Services (SBS) wird als Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI) unter Leitung von Friedrich Fröschl gegründet.

Dezember 1998: Fröschl erwägt einen Börsengang in den USA, um potenzielle Übernahmen zu finanzieren. Er strebt eine weltweit führende Position an. Ein Auftrag in Großbritannien untermauert den Anspruch. Die britischen Sparkassen lagern für eine Milliarde Pfund an SBS aus.

November 2001: Der gewonnene Deal erweist sich als faul. Er reißt SBS tief in die Verlustzone. Das Siemens-Management zweifelt an der SBS-Entwicklung. Fröschl muss gehen. Nachfolger wird Paul Stodden, der zuvor bereits Fujitsu-Siemens Computers saniert hatte.

Dezember 2001: Stodden führt SBS wieder in die Gewinnzone, indem er die hohen Ansprüche zurechtstutzt, erste Märkte räumt und ein straffes Kosten-Management verfolgt. Die Marge liegt unter zwei Prozent. Das Siemens-Management fordert mindestens fünf Prozent bis zum Jahr 2004.

August 2003: Der Umsatz schrumpft, die Marge entwickelt sich nicht wie erhofft. Stodden erwägt Entlassungen, sollte sich die schwierige Marktsituation nicht bessern.

Juni 2004: Stodden geht. Adrian van Hammerstein, zuvor CEO von Fujitsu-Siemens Computers, kommt.

März 2005: SBS will bis Ende des Geschäftsjahres 1000 Stellen streichen. Das Management verpflichtet alle Geschäftsbereiche, IT-Services von SBS zu beziehen.

April 2005: Der neue Siemens-CEO Klaus Kleinfeld verpflichtet SBS auf eine Marge von über fünf Prozent in genau zwei Jahren.

September 2005: Von Hammerstein geht, Christoph Kollatz kommt.

Oktober 2005: SBS kündigt an, innerhalb von zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro zu sparen und 5400 Stellen zu streichen.

Januar 2006: SBS trennt sich vom Wartungsgeschäft. In den folgenden Monaten häufen sich die Spekulationen über die Zukunft von SBS ("SBS wird zerschlagen, "Atos Origin verhandelt über eine Akquisition", "CSC hat Interesse an einer Übernahme").

April 2007: SBS geht in Siemens IT-Solutions und Services (SIS) auf und liefert punktgenau eine Marge von knapp über fünf Prozent ab. SIS arbeitet noch enger mit Siemens-Geschäftsbereichen zusammen.

März 2008: Erneut verhagelt ein gescheitertes IT-Projekt in Großbritannien die Bilanz.