Banken entdecken das IT-Outsourcing neu

23.07.2002 von Wolfgang Herrmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit dem wachsenden Kostendruck ist in Banken und Sparkassen die Diskussion um die Auslagerung von IT-Funktionen neu entbrannt. Outsourcing-Dienstleister wie die Hamburger ZVS offerieren die Übernahme kompletter Prozessketten und versprechen niedrige Preise.

Als die Deutsche Bank im April erstmals öffentlich darüber nachdachte, die IT-Infrastruktur einem externen Dienstleister zu überlassen, war das Medienecho gewaltig. Ein Outsourcing der vermeintlich strategischen Vermögenswerte galt nicht wenigen als Risiko für den Bankbetrieb und die Beschäftigten. Ob die Vorteile eine IT-Auslagerung letztlich überwiegen, ist nach Ansicht einiger Branchenexperten noch nicht nachgewiesen. Für Peter Wendt, Geschäftsführer der Zahlungsverkehrs- und Transaktionsservicegesellschaft mbH (ZVS), kommen solche Meldungen nicht überraschend. „IT-Outsourcing im Bankenumfeld gab es im Prinzip schon immer. Es wurde nur anders genannt.“

Schon seit jeher sei es Bestreben der Geldinstitute gewesen, IT-Ressourcen in Verbundrechenzentren zu konzentrieren. Beispiele liefern etwa die RZ-Verbünde Fiducia der Volksbanken & Raiffeisenbanken oder der süddeutsche RZ-Dienstleister IZB. Neu ist laut Wendt, dass die Unternehmen heute „ganze Bankprozesse und Wertschöpfungsketten auslagern“. Neben dem Zahlungsverkehr komme dabei auch die Kredit- und die Wertpapierabwicklung in Frage, „im Prinzip alles jenseits der Kundenseite“.

Mit dem Outsourcing von IT-Funktionen wollen die Banken in erster Linie Skaleneffekte im Backoffice erzielen und auf diese Weise Kosten senken. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Beispielsweise können mehrere kooperierende Banken vereinbaren, dass ein Geldinstitut Prozesse für die übrigen Partner übernimmt.

Die einfachere Alternative besteht für Wendt darin, IT-Funktionen in ein gemeinsames Zentrum auszulagern. Eben dies taten die Hamburger Sparkasse und die Sparkasse Bremen mit der Gründung der ZVS im Juli 2000. Heute verarbeitet der Dienstleister täglich rund 240000 Zahlungsbelege von 29 norddeutschen Geldinstituten, darunter neben Stadt- und Kreissparkassen auch die Landesbank Kiel.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Deutsche Bank mit ihrer Tochter European Transaction Bank (ETB). Verhandlungen mit der Dresdner Bank über eine gemeinsame Abwicklung des Zahlungsverkehrs gestalteten sich zuletzt schwierig. Doch Experten gehen davon aus, dass Großbanken auf diesem Weg dreistellige Millionensummen sparen können.

In der Finanzbranche ist ein regelrechter Markt für Transaction-Services entstanden, erläutert Wendt. Ursächlich dafür sei vor allem die zu hohe Wertschöpfungstiefe der Kreditinstitute im Zahlungsverkehr: „Vergleicht man die Fertigungstiefe mit der Autoindustrie, würde das bedeuten, dass VW eine eigene Rinderzucht für das Leder seiner Autositze betreibt.“

Vor diesem Hintergrund haben die Banken mit stetig steigenden Kosten zu kämpfen. Weil die Kundenanforderungen ebenfalls zunehmen, sind Investitionen in Produkte und Technologie unerlässlich, gleichzeitig aber geraten die Preise für Finanzprodukte unter Druck. Für die Geldinstitute ergibt sich daraus ein Zwang zu verbesserter Produktivität, sprich geringeren Kosten pro Transaktion, bei mindestens gleich guter Qualität. Solche Produktivitätsvorteile sind stark durch Skaleneffekte getrieben; die Banker stehen vor der Entscheidung, sich auf strategische Geschäftsfelder zu konzentrieren und andere Dienstleistungen extern einzukaufen.

Ausgangspunkt für die Kostenbetrachtungen der ZVS war die komplette Prozesskette, berichtet Wendt, der in Personalunion als Direktor der Hamburger Sparkasse (Haspa) agiert. Im Fall des Zahlungsverkehrs stützte sich die Analyse auf den Standardpreis für den beleghaften Zahlungsverkehr. Gemeint sind damit Überweisungen, die nicht auf elektronischem Weg abgewickelt (beleglose Transaktionen), sondern in Form eines Papierbelegs von Bankkunden eingereicht werden.

Kostenvorteile

Eine Studie der Management-Beratung Bain & Company ergab, dass Geldinstitute mit eigener Zahlungsverkehrsabwicklung durchschnittlich 0,36 bis 0,87 Euro für die Verarbeitung eines Belegs ausgeben. Der Outsourcer ZVS erledige diese Aufgabe für 0,13 bis 0,50 Euro. Bei einem konservativen Ansatz ergebe sich für ein mittelgroßes Geldinstitut ein Sparpotenzial von 0,15 Euro pro Beleg, rechnet Bain vor. Für jeweils 1,5 Millionen Belege komme dies einer Ersparnis von rund 225000 Euro gleich.

„Outsourcing im Bankenumfeld gab es im Prinzip schon immer.“ Peter Wendt, ZVS

Kostenvorteile durch die Auslagerung von IT-Funktionen erhofft sich auch die Dresdner Bank. Sie gründete einen zunächst hausintern agierenden Dienstleister für Application-Service-Providing (ASP) in eine eigenständige Tochtergesellschaft aus (siehe CW 28/02, Seite 1). Einsparungen ergeben sich dabei unter anderem bei den Administrationskosten für die Client-PCs im Firmenkundenbereich.

Knackpunkt Personalaufwendungen

Wichtiger als die gemeinhin angeführten Kostenargumente sind für Wendt langfristige Vorteile, die ein Outsourcing mit sich bringen kann. An erster Stelle stehe die „Reduzierung des Personalbindungsrisikos“. Geldinstitute müssen nach der Auslagerung kein eigenes Personal mehr für die meist komplexen Prozesse vorhalten. Wegen der zunehmenden Automatisierung der Bankprozesse werde der Personalbedarf in den Banken ohnehin weiter sinken.

Die größte Hürde für die Hamburger Sparkasse sei gewesen, ein sozialverträgliches Modell für die insgesamt 300 Mitarbeiter zu finden. Die Lösung: Statt eines komplizierten Betriebsübergangs „leiht“ sich die ZVS Mitarbeiter der Hamburger Sparkasse - mit allen Rechten und Pflichten, wie Wendt betont. In technischer Hinsicht gestaltete sich die Auslagerung des Zahlungsverkehrs weniger schwierig. Die ZVS nutzt eine Multi-Server-Umgebung aus rund 30 Intel-Rechnern unter Windows NT 4.0. Für die Datenhaltung sorgt Microsofts SQL Server, Kernanwendung ist die Unisys-Software „Avis NT“ für die Zahlungsverkehrsabwicklung.

In Zukunft will die ZVS „noch mehr Funktionen für den Fabrikprozess suchen“ und weitere Kunden aus der Finanzbranche gewinnen. Wendt kann sich vorstellen, etwa Dokumentenarchive oder den Auslandszahlungsverkehr für Geldinstitute zu übernehmen. Branchenexperten warnen indes vor übertriebenen Erwartungen. Bis sich derartige „Kreditfabriken“ in der verkrusteten deutschen Bankenlandschaft durchsetzen, dürfte noch einige Zeit vergehen.