Cisco als Gegner, IBM und HP als Partner

Avaya schließt Nortel-Integration ab

22.01.2010 von Jürgen Hill
Mit der Akquisition von Nortel wandelt sich Avaya vom Anbieter zum Netzwerk-Vollsortimenter und Technologielieferanten.
Mit Nortel bietet sich für Avaya die Chance, im Netzgeschäft Fuß zu fassen.

Die Integration der Nortel-Produkte in die Avaya-Familie markiert im Prinzip den Abschluss der Übernahme der Nortel Enterprise Solutions (NES). Gleichzeitig bedeutet sie für Avaya eine strategische Neuausrichtung, denn das Unternehmen versteht sich laut Frank Pieper, Geschäftsführer und Leiter Großkunden, "künftig nicht mehr als Lösungsanbieter, sondern als Technologielieferant".

Für rund 900 Millionen Dollar hatte Avaya im September 2009 die Sparte Enterprise Solutions von Nortel übernommen. Der kanadische TK-Ausrüster musste sich von ihr trennen, nachdem der Konzern - einst ein 250 Milliarden Dollar schweres Lieblingskind der Aktienzocker - eine milliardenschwere Schuldenlast angehäuft hatte.

Auf der anderen Seite bot sich für Avaya die Chance, mit dem Deal im Netzgeschäft Fuß zu fassen und so eine offene Flanke zu schließen. Aus einer Abspaltung von Lucent Technologies entstanden, war Avaya primär als TK-Unternehmen bekannt. Hierzulande spielte Avaya vor allem nach der Übernahme von Tenovis eine Rolle.

Nach der Integration von Nortel offeriert Avaya neben IP-Kommunikationslösungen (im Bild: IP Office 500) klassische Netzkomponenten.
Foto: Avaya

Mit der Integration von Nortel fühlt sich das Unternehmen, das 2007 nur mit Hilfe von Finanzinvestoren am Markt bestehen konnte, nun stark genug, in der Oberliga des Netzgeschäfts mitzuspielen. Und hier heißt der Gegner Cisco. In IBM oder HP sieht Pieper dagegen eher Partner, denen man in ihrer Funktion als Systemintegratoren die erforderliche Technik liefert, die diese dann als Generalunternehmer im Projektgeschäft verbauen. Ebenso soll die Zusammenarbeit mit Service-Providern wie T-Systems, British Telecom oder Orange weitergeführt werden.

Ende der UC-Partnerschaft mit Microsoft

Frank Pieper, Geschäftsführer Avaya, baut auf die Zusammenarbeit mit HP und IBM und sieht Cisco als wichtigsten Konkurrenten.
Foto: Avaya

Ändern wird sich dagegen das Verhältnis zu Microsoft. Die zwischen Microsoft und Nortel (speziell beim Produkt ICA+) bestehende Unified-Communications-Partnerschaft hat Avaya laut Geschäftsführer Pieper zu Mitte 2010 gekündigt. Dies bedeute allerdings nicht, so schiebt der Manager nach, dass man ab diesem Zeitpunkt mit Microsoft nicht mehr kommunizieren werde: "Eine Zusammenarbeit auf Interoperabilitätsebene wird weiterhin erfolgen." Diese Vorgehensweise spiegelt das erstarkte Selbstvertrauen der Company wider, die davon überzeugt ist, dass ihre Unified-Communications-Produkte im Backend den Anforderungen von Enterprise-Anwendern eher gerecht werden als Microsofts Office Communications Server, dem man gerade einmal die Rolle als Frontend zubilligt.

Für Anwender, die angesichts dieser Entwicklung um die Nutzbarkeit ihrer teuer angeschafften Produkte fürchten, hat Pieper eine Beruhigungspille parat: "Unsere Support-Policy sieht vor, dass wir nach der Abkündigung eines Produkts noch für sechs Jahre Wartung und Service offerieren."

SIP und Mietlösungen im Fokus

Technisch setzt Avaya in Sachen IP-Kommunikation mittlerweile konsequent auf das Session Initiation Protocol (SIP). Pieper rechnet damit, dass sich bei mittelständischen Unternehmen der während der Finanzkrise entstandene Trend fortsetzt, IP-Telefonie nur noch pro genutzten Port zu mieten. In den Kinderschuhen dürfte seiner Ansicht nach dagegen die Entwicklung "Communications as a Service" stecken bleiben. Vor allem größere Unternehmen würden hier Zurückhaltung zeigen. Und last, but not least werde Microsoft im Jahresverlauf seine Unified-Communications-Suite weiter ausbauen. "Aber darauf sind wir eingestellt", gibt sich Pieper siegessicher.

Avayas Produktportfolio

Die Produktstrategie von Avaya lässt sich nach der Integration von Nortel grob in vier Bereiche unterteilen:

Unified Communications:

Herzstück des Unified-Communications-Angebots ist die SIP-basierende Kommunikationsplattform "Avaya Aura". Sie soll um das Agile Communications Environment von Nortel erweitert werden.

Contact Center:

Avaya Aura ist ferner ein Bestandteil der Call-Center-Technik, die das Unternehmen unter dem Begriff "Contact Center" vermarktet. Hier sollen Anwendungen beider Unternehmen wie etwa Agent Desktop, Aufgabenverteilung oder Analysewerkzeuge vereint werden.

SME Communications:

Für kleinere und mittlere Unternehmen sind weiterhin die Produkte IP Office, Business Communications Manager, Norstar, Partner und Integral 5 im Programm. Allerdings gibt es Pläne, diese Plattformen zu einer Hybrid-IP-Lösung zu konvergieren.

Data Products:

Neu im Programm sind klassische Netzkomponenten, die Avaya mit der Nortel-Übernahme erwarb. Teilweise handelt es sich dabei um Produktlinien, die noch auf Bay Networks zurückgehen. Das Angebot reicht vom Ethernet Switching, Router und Wireless Networking über Access Control und Unified Management bis hin zur Virtualisation Suite für virtuelle Rechenzentren.