So vermeiden Sie Fettnäpfchen

Auslands-Knigge für IT-Profis

30.12.2012 von Anke Quittschau und Christina Tabernig
New York, Rio, Tokio. Wenn IT-Profis ein Projekt im Ausland annehmen, dann wartet dort auch fremde Sitten und Gebräuche – und damit Fettnäpfchen. Wir sagen Ihnen, wie man sich gegen peinliche Auftritte in Brasilien, Indien, Großbritannien, den USA und in der russischen Föderation wappnet.
IT-Profis sind häufig im Ausland oder haben Kontakt mit anderen Nationalitäten. Gut, wenn man sich in Sitten und Gebräuchen auskennt.
Foto: lassedesignen, Fotolia.com

Die große weite Welt fasziniert uns nicht nur zur Sommer- und Ferienzeit. Viele IT-Experten treibt es aus rein beruflichen Gründen immer öfter in alle Himmelsrichtungen. Globalisierung findet nicht nur im Internet statt, sondern auch am eigenen Leib. So wird man als IT-Profi ins ferne Brasilien oder nach Indien geschickt, um Projekte vor Ort zu begleiten oder eine neue Software einzuführen. Wer auf die feinen kulturellen Unterschiede des jeweiligen besuchten Landes achtet, hat meist einen besseren Start und tut sich auch im Laufe des Besuchs leichter mit den Kollegen, Lieferanten oder Auftraggebern.

Indien – ein Land zwischen Tradition und Hightech

Viele Spezialisten kommen aus Indien nach Deutschland und in andere westliche Länder. Greencards wurden gerade für Inder vermehrt beantragt und ausgestellt. Wie aber steht es damit, wenn Sie als IT-Spezialist nach Indien kommen?

TUI meets Indien
Interkulturelle Zusammenarbeit, TUI Infotec
Interkulturelle Zusammenarbeit auf die lockere Art: kreativ stellten sich Keyur Panchal und Jürgen Lumack während des Mitarbeitertages der TUI InfoTec ihrer Teamaufgabe, ausgedienter Hardware neues Leben einzuhauchen.
Tui Infotech
2006 wurde aus TUI Infotec ein Joint Venture, an dem die indische Sonata Software 50,1 Prozent und die TUI AG 49,9 Prozent hält.
indisch-deutsches Team, TUI Infotec
Ohne persönlichen Austausch klappts nicht: Internationale Teams müssen zwischendurch auch räumlich direkt zusammenarbeiten.
Heinz Kreuzer, TUI Infotec
"Innere Akzeptanz und Motivation der Mitarbeiter sind für den Erfolg von Offshoring entscheidend." Heinz Kreuzer, Vorsitzender der Geschäftsführung TUI InfoTec.
Isabelle Demangeat, Tui Infotec
"Ziel ist es, immer auch in der Perspektive des Gegenübers zu denken." Isabelle Demangeat, Beraterin für die interkulturelle Zusammenarbeit
CrickIT Day, Tui Infotec
Übung macht den Meister: Was für die interkulturelle Zusammenarbeit zählt, gilt auch für den indischen Nationalsport Cricket. (Im Vordergrund TUI InfoTec-Spieler Martin Haase)
CrickITDay, TUI Infotech
Heinz Kreuzer, Geschäftsführer TUI InfoTec, ehrt die Gewinner des von TUI InfoTec- und Sonata-Mitarbeitern in Eigenregie veranstalteten Cricket-Tunieres und übergibt den Wanderpokal, der innerhalb des Joint Ventures Tradition erlangen soll.

Seien Sie sich bewusst, dass Inder gerne viel versprechen, aber nur die Hälfte, wenn nicht sogar noch weniger einhalten. In Verhandlungen ist es wichtig, seinem indischen Partner einen kurzfristigen Nutzen darzustellen. Unser langfristiges Denken liegt ihnen fern. Bauen Sie Beziehungen zum Geschäftspartner auf. Eine E-Mail als Kaltakquise-Technik wird zu 99 Prozent nicht beantwortet. Lassen Sie sich lieber über eine dritte Person empfehlen.

Das bestehende Kastenwesen unterstreicht ein starkes Hierarchiedenken und so kommt es vor, dass bestimmte Berufe noch immer von bestimmten Kasten besetzt sind. Zum Beispiel sind Controlling-Positionen oft von Personen der Vaishya (die Kaste der Händler und Grundbesitzer) besetzt. Aber im Grunde kann man sich heute aus der niederen Kaste hocharbeiten - gerade bei europäischen Unternehmen.

Anke Quittschau (rechts) und Christina Tabernig von der Agentur korrekt! kennen sich aus in Sachen Etikette.
Foto: Korrekt

Der männliche IT-Profi sollte sich eher zurückhalten, wenn es um die Begrüßung von Frauen geht. Warten Sie, bis die Inderinnen Ihnen die Hand reichen. Männer untereinander reichen sich die Hand, die Begrüßung der Frau erfolgt oft durch die Namaste-Geste. Ein Kopfnicken, bei dem die Hände unter dem Kinn gehalten werden. Generell gilt: Eine fremde Frau zu berühren ist sehr unhöflich.

Russische Föderation – Business mit Wodka und Kaviar

Die Grenzen der EU verschieben sich immer weiter nach Osten, die Russische Föderation ist dadurch Nachbar der EU geworden. Das sollten Sie über die Kultur und Geschäftsgepflogenheiten wissen:

In erster Linie ist es ratsam, viel Zeit und Geduld für einen Besuch in Russland im Reisegepäck zu haben. Die Beziehungspflege ist das A und O im Russland-Geschäft. Sie sollten sich auf eine ausgeprägte Hierarchie-Struktur einstellen.

Ähnlich wie in Indien, geben Männer den Frauen nicht die Hand, sondern warten bis diese ihnen gereicht wird. Passiert dies nicht, sind ein leichtes Kopfnicken und ein kurzer Blickkontakt üblich. Längere Blickkontakte sind in Russland eher selten. Frauen werden sehr höflich behandelt. Herren untereinander begrüßen sich mit einem Handschlag. Der bekannte russische Bruderkuss wird höchstens unter engeren Beziehungen gepflegt - aber ganz bestimmt nicht bei einem Erstkontakt.

Bringen Sie gerade für Verhandlungen einen Dolmetscher mit. Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Partner fließende Englischkenntnisse vorweisen kann. Lassen Sie sich nicht zu schnell auf einen Kompromiss ein. Das ist ein Zeichen für Schwäche. Durchhaltevermögen und Stärke zahlen sich im Zweifel aus. Wenn Sie zu guter Letzt einen Vertrag abgeschlossen haben, sollten Sie diesen nicht überschätzen. Garantierte Lieferzeiten bedeuten meist nicht all zu viel.

Ein Klischee stimmt: Sie sollten trinkfest sein. Das erste Glas wird auf ex getrunken, danach geht es mit "männlichen" Zügen weiter. (Einer unserer Leser hat dazu eine andere Erfahrung gemacht, siehe Kommentar unten; Anm. d. Red.)

Großbritannien - It’s hard to be a gentleman

In Großbritannien glauben wir uns einigermaßen heimisch zu fühlen. Was den deutschen IT-Profi aber ganz extrem von seinem Insel-Pendant unterscheidet, ist sein Hang zur Vermeidung von Unsicherheit. Sicherheit auszustrahlen ist für Deutsche sehr wichtig. Die Angelsachsen sehen das eher locker. Was sich darin äußert, dass Briten eher zielorientiert und nicht so prozessverliebt sind wie manch Deutscher.

Engländer bleiben auch in stressigen Situationen ruhig und beherrscht. Was sie allerdings zur Raserei bringt, ist, wenn sich jemand in der Warteschlange vordrängelt. Hier verstehen Briten mit ihrem meist schwarzen Humor keinen Spaß!

Und übrigens, nach dem ersten Handschlag zur Begrüßung heißt es normalerweise: "Don’t touch personal things". Daran sollten Sie sich auch halten. Zu viel Nähe verträgt der Brite nicht.

In Sachen Small Talk können Sie sich ganz vom Angelsachsen führen lassen. Sie dürften fast als Erfinder des Small Talks tituliert werden.

Small Talk
Das Geheimnis des Small Talk
Wir verraten Ihnen die wichtigsten Regeln für einen erfolgreichen Small Talk, damit sie mühelos kommunizieren.
Nur Mut!
Small Talk findet in der Regel nur unter Fremden statt. Aber auch wenn Sie Angst davor haben: ein bißchen Plaudern ist viel leichter als Sie denken!
Der erste Eindruck
Stellen Sie sich sympathisch dar, der erste Eindruck zählt. Aber sehen Sie Small Talk auch als Aufwärmphase. Gerade bei Geschäftspartnern aus anderen Kulturen kommt es nicht gut an, wenn Sie gleich mit der Tür ins Haus fallen.
Nehmen Sie sich selbst zurück
Damit geben Sie Ihrem Gegenüber Raum zum Reden und Sie erhalten oft wertvolle erste Informationen.
Finden Sie Gemeinsamkeiten
Das geht am besten, indem Sie offene Fragen stellen, mit denen Sie Interesse am Gegenüber bekunden.
Potenzielle Themen
Falls Sie sich schwertun, passende Fragen zu finden, beziehen Sie sich einfach auf das Umfeld oder den Anlass der Begegnung. "Wie haben Sie von dieser Veranstaltung gehört?" oder "Über welchen Kontakt sind Sie heute hier?" können der Auftakt zu einem netten Small Talk sein.
Achtung, Tabu-Zone!
Gefährlich wird es bei Gesprächsthemen, die polarisierend wirken wie z.B. Politik oder Religion. Falls Ihr Gegenüber da eine andere Meinung haben sollte als Sie, sind Sie schnell in die Falle getappt. Und hüten Sie sich vor negativen Themen wie verspätete Flüge! Gemeinsam jammern verbindet in den seltensten Fällen.
Halten Sie keine Monologe!
Die Wirkung auf Ihre Zuhörer dürfte absehbar sein.
Hören Sie aktiv und aufmerksam zu.
Ein gelegentliches Nicken oder "ja, ja" zeigt wenig Interesse und Wertschätzung. Hören Sie statt dessen wirklich zu und greifen Sie Informationen erinnernd wieder auf, die Ihr Gesprächspartner erwähnt hat: "Sie sagten vorhin, dass Sie..."
Halten Sie Blickkontakt.
Gerade auf einer größeren Veranstaltung ist die Versuchung groß, die Blicke schweifen zu lassen, um möglichst wenig zu verpassen. Das ist unhöflich gegenüber Ihrem aktuellen Gesprächspartner! Halten Sie deshalb Blickkontakt.
Viele Gesprächspartner
Das Wort 'SMALL Talk' beschreibt es perfekt: Auf größeren Veranstaltungen geht es um kurze Gespräche, um ein erstes Kennenlernen. Nutzen Sie die Möglichkeiten, indem Sie mit vielen verschiedenen Menschen in's Gespräch kommen.
Beenden Sie das Gespräch positiv.
Wie schon gesagt, verbinden negative Themen nur selten und hinterlassen oft einen faden Beigeschmack. Setzen Sie stattdessen einen positiven Schlußpunkt. "Unser Gespräch hat mir viel Spaß gemacht, ich hoffe, wir können es später fortsetzen." kann ein schöner Abschluss sein, wenn Sie es ehrlich meinen.
Small Talk ist zum Netzwerken da.
Beobachten macht Spaß, aber nutzen Sie auch die Chance, Beziehungen zu knüpfen, indem Sie sich aktiv auf die Suche nach neuen Gesprächspartnern machen. Halten Sie deshalb Ausschau nach Gruppen, die offen beieinander stehen oder Menschen, die Ihnen einen längeren Blickkontakt gewähren.
Vorbereitung ist nützlich
Gespräche kommen oft leichter zustande, wenn Sie sich im Vorfeld ein bißchen über Ihren Gastgeber/Ihre Kunden informiert haben.

Brasilien - Gepflogenheiten zwischen Copacabana und Zuckerhut

Nicht selten kommt es vor, dass gerade in Brasilien ein Einsatz von europäischen Spezialisten gefordert wird. Stellen Sie sich im Land des Zuckerhuts und Samba auf starke Hierarchien ein. Brasilianer sind höfliche, freundliche und harmoniebedürftige Menschen.

Pünktlichkeit ist nicht vorrangig. Nicht selten verzögert sich der Beginn eines Meetings. Probleme werden oft erst ganz am Ende eines Meetings im Nebensatz angesprochen. Jeithino ist die typische brasilianische Last-Minute-Lösung für ein Problem. Das gehört fest zu ihrer Geschäftskultur.

Der männliche Dresscode ist dem der Europäer ähnlich. Helle Anzüge sind allerdings öfter zu sehen. Frauen tragen elegante Kostüme oder Anzüge und legen Make-up auf. Auch in der Freizeit gilt es, auf gepflegte Kleidung zu achten.

Gepflegte Männer
Nackenrasur
Nacken auch zwischen den Friseurbesuchen ausrasieren, sieht gepflegter aus.
Haare
Kontrollieren Sie auch das Wachstum der Haare in Ohren, Nase oder auch zwischen den Augenbrauen.
Bart
Wenn Bart, dann bitte ein gepflegter Bart.
Dreitagebart
Dreitage-Bart gilt in einigen Branchen als ungepflegt oder zu lässig.
Brille
Brille täglich putzen.
Nägel
Hände und Fingernägel sind Ihre Visitenkarte. Eine professionelle Maniküre hilft.
Hemd
Hemden nur tragen, wenn der oberste Knopf noch zu geht. Sonst ist es eben eine Nummer größer.
Anzug
Besser einen Anzug weniger im Schrank, als schlechte Qualität. Wenn Sie aus dem Auto aussteigen, sollten Sie keine Ziehharmonika in den Kniekehlen haben.
Aufbügeln
Anzüge immer einen Tag ruhen lassen und zwischen den Reinigungen aufbügeln.
Glanz
Sobald ein Anzug vom Tragen oder Bügeln glänzt, muss er ausgetauscht werden.
Schuhe
Geputzte Schuhe sind ein Muss. Achtung: Manche Menschen schließen von der Pflege Ihrer Schuhe auf Ihre Kompetenz.
Ledersohle
Herren sollten zum Anzug nur Schuhe mit Ledersohle tragen - auch im Winter.

Mehr zum Thema: "10 Tipps für Geschäfte am Zuckerhut: Business-Knigge Brasilien"

USA - Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Immer wieder hört man, US-Amerikaner seien oberflächlich. Dieser Eindruck entsteht leicht, wenn man die amerikanische Höflichkeit, die sich im täglichen Miteinander durch freundliche Worte auch Wildfremden gegenüber äußert, auf die Waagschale legt. US-Amerikaner benutzen eine Vielzahl von Floskeln und Konjunktiven, um den ersten Kontakt zu erleichtern und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Europäer tendieren oft dazu, die Worte zu ernst zu nehmen, und sind dann enttäuscht, wenn aus der Höflichkeit nicht zwangsläufig lebenslange Freundschaft wird.

Auch wenn die Art der geschäftlichen Kommunikation sehr locker wirkt und alle sich beim Vornamen nennen: Ein Amerikaner weiß sehr genau, wer welche Rolle oder Position im Unternehmen hat und wird diese trotz einer lockeren Ansprechweise immer im Hinterkopf haben. Achten Sie bei einem lockeren Umgangston bitte immer auf Ihre Wortwahl. Derbe Umgangssprache hat im Geschäftsleben nichts zu suchen, und vermeiden Sie "Kraftausdrücke". Nicht umsonst werden diese Worte im Fernsehen zensiert!

Bedenken Sie auch wie sensibel das Thema sexuelle Belästigung gehandhabt wird. Diskriminierung gibt es in vielen Facetten und die falsche Bemerkung zur Kleidung oder eine unbedachte Berührung oder ein zu eindringlicher Blick kann schnell missverstanden werden.

Also doch kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Diese zeigen sich eher im Projekt selbst: Die Bereitschaft und Flexibilität bei der Umsetzung von Projekten ist sehr viel größer als in Deutschland. Nach dem Motto "let's try it". Und die Devise heißt oft "learning by doing".

Wer sein Wissen bezüglich der Gepflogenheiten in den USA testen möchte, dem empfehlen wir unser Quiz: "Knigge international: Sind Sie fit für die USA?" sowie die Artikel "Arbeiten für Amerikaner: Woran Deutsche scheitern" und "Die Amerikanisierungsfalle". (kf)

Knigge international

Christina Tabernig und Anke Quittschau von der Beratungsagentur korrekt! sind Expertinnen auf dem Gebiet der Business-Etikette. Zum Thema interkulturelles Verhalten haben sie die Hör-CD "Knigge international" veröffentlicht. Zusätzlich zu den hier genannten Ländern finden Interessierte weitere Informationen unter anderem zu Japan, China, Arabien und Südeuropa. Erschienen ist die CE in der Reihe: CD Wissen Coaching vom audio media Verlag in Kooperation mit dem Handelsblatt. Hier erfahren Sie in leicht verständlichen Dialogen, wie Sie einen Russen korrekt ansprechen, welche Small-Talk-Themen in Indien möglich sind oder auf welche Dinge Sie in Arabien oder Südeuropa im Geschäftsleben achten sollten.