Outsourcing

Aufwand von Neuausschreibungen ist erheblich

23.09.2009 von Timo Kopp
Wer Outsourcing-Verträge neu verhandelt oder den Partner wechselt, erhofft sich günstigere Preise. Doch der Aufwand ist groß.

Viele Unternehmen nutzen die Wirtschaftskrise, um ihre Outsourcing-Partner unter Druck zu setzen und auf diese Weise günstigere Konditionen zu bekommen. Die eleganteste und einfachste Methode, um das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern, ist eine im Vertrag verankerte Benchmarking-Klausel, die sicherstellt, dass die Preise in bestimmten Abständen an das aktuelle Marktniveau angepasst werden. Die beiden Parteien können sich auch ohne diese Klausel auf eine regelmäßige Kontrolle der Preise verständigen. Gelegentlich werden dafür Benchmarking-Spezialisten beauftragt - nicht nur von Kundenseite: Selbst Provider lassen ihr Portfolio überprüfen, um sparsamen Auftraggebern mit sachlichen Argumenten zu begegnen.

Aufwändiger ist das Marktpreis-Benchmarking. Hier werden die Preise der IT-Dienste des Anbieters mit denen anderer Provider verglichen, um den jeweils günstigsten Preis im Markt zu erhalten. Auch von der Neuausschreibung, mit der verschiedene IT-Dienstleister gezwungen werden, sich gegenseitig zu unterbieten, erhoffen sich die Anwender günstigere Preise. Doch so trivial, wie es oft dargestellt wird, ist eine neue Ausschreibung und der Übergang zu einem anderen Provider nicht. In jeder Phase des Vorhabens - von der Ausschreibung über die Due Diligence bis hin zur Transition - werden Ressourcen auf beiden Seiten des Verhandlungstischs gebunden. Zudem läuft der Anwender Gefahr, Fehler zu begehen, die die Gesamtkosten im Laufe der Partnerschaft in die Höhe treiben (siehe auch: "Verlängern oder neu ausschreiben?").

Ausschreibung: Vorgehensweise

Entscheidend sind vor allem Qualität und Detaillierungsgrad. Der Auftraggeber sollte sich frühzeitig klarmachen, welche Ziele er mit dem Outsourcing-Vorhaben anstrebt: Geht es nur um eine Senkung der Preise? Sollen Qualität und Flexibilität der IT gesteigert werden? Oder will man sich im Zuge einer Internationalisierung langfristig an einen global aufgestellten Partner binden? Zu beachten sind zudem Preismodelle, Service-Level-Agreements (SLAs) sowie die Frage, welche Leistungen der Kunde und welche der Provider zu erbringen hat.

Tipps für Neuausschreibung

  • Formulieren Sie die Outsourcing-Ziele so konkret und detailliert wie möglich.

  • Gewichten Sie Ihre Anforderungen.

  • Orientieren Sie sich in der Ausschreibung an "normalen" Mengengerüsten. Sparen sie heikle Fragen für die Due-Diligence-Phase auf.

  • Prüfen Sie "Türöffner-Angebote" besonders kritisch!

  • Lassen Sie sich nicht von einer guten Präsentation blenden. Entscheidend sind die Preise und Leistungskennzahlen!

  • Laden Sie nicht mehr als zwei Provider zur Due Diligence ein.

In jedem Fall muss der Auftraggeber seine Anforderungen gewichten. Wie wichtig sind ihm Aspekte wie die Übernahme vorhandenen Equipments, die Nutzung dedizierter und damit sicherer Maschinen oder der Support durch Muttersprachler vor Ort? Die Fülle solcher Entscheidungen wirkt sich auf den Vertrag und die Kosten aus. Eine Grauzone zwischen Anspruch und Leistung lässt sich kaum vermeiden. Wie groß sie ist, hängt jedoch von der Präzision ab, mit der die Anforderungen formuliert und gewichtet werden.

Details folgen später

Auch wenn es bei der Ausschreibung darum geht, die Realität möglichst genau abzubilden, sollte der Anwender hier nicht gleich alle Karten auf den Tisch legen. Heikle Bereiche - etwa die detaillierte Auflistung der Schnittstellen - sind in der nachfolgenden Due-Diligence-Phase besser aufgehoben. Zunächst prüfen die Dienstleister die zu übernehmenden Assets beim potenziellen Kunden - also Alter und Wert des Equipments, Effizienz der Prozesse, Wartungsverträge, Mitarbeiter, Gehaltsstrukturen etc. Dabei ist es ratsam, sich an "normalen" Mengengerüsten zu orientieren. Soll der SAP-Betrieb ausgelagert werden, sind das etwa die Größe der betreffenden SAP-Installation - Server, Instanzen, Speicher, implementierte Module, Anzahl der User - und die aus Kundensicht benötigten Service-Levels. Ziel der Ausschreibung ist es, ein genaues Bild des Mengengerüsts, der Service-Levels und des Leistungsumfangs für den ausgeschriebenen Bereich zu erhalten.

"Türöffner-Angebote"

Manche Anbieter positionieren sich bei der Ausschreibung preislich deutlich unter den Offerten der Wettbewerber, um den Auftrag überhaupt zu bekommen. Diese "Türöffner-Angebote" sind vor allem anzutreffen, wenn der Auftraggeber strategisch wichtig für den Lieferanten ist - etwa um seinen Kunden-Pool mit einem Markennamen zu schmücken oder sein Engagement in dem betreffenden Industriesegment auszuweiten. Der Auftraggeber sollte solche Offerten akribisch prüfen. Nicht selten erkauft er sich mit den vermeintlichen Vorteilen handfeste Probleme.

Wurden die Anforderungen detailliert beschrieben, kann sich ein Türöffner-Angebot für den Anwender schon rechnen. Er sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass der Provider in diesem Fall ein besonderes Interesse daran hat, zusätzliche Services seines neuen Kunden zu übernehmen. Das ist legitim - viele andere, auch teurere Dienstleister verfahren so. Insgesamt ist die Angebotsspanne in Ausschreibungen sehr groß. Abweichungen um das Dreifache sind eher die Regel als die Ausnahme.

Die Präsentationsphase

Angebot und Präsentation geben den Dienstleistern die Gelegenheit, ihre Unternehmenskultur und ihre Leistungen im Detail vorzustellen. Da es hier darum geht, das Vertrauen des potenziellen Kunden zu gewinnen, hat das Präsentationsteam eine wichtige Bedeutung. Doch auch wenn es überzeugend auftritt, sollte sich der Auftraggeber immer an den genannten Zahlen zu Preisen und Leistungen orientieren. Ist der Service-Manager bei der Präsentation anwesend, kann er ihn zumindest oberflächlich prüfen: Handelt es sich um einen viel beschäftigten Manager, der mehrere Kunden parallel betreut? Ist es ein Blender? Oder traue ich ihm zu, meine Belange mit Nachdruck zu vertreten?

Die Due-Diligence-Phase

Nach dem RFP und den Präsentationen muss der Anwender entscheiden, welche Dienstleister er ins letzte Rennen einlädt. Im Rahmen der Due Diligence kommen zwei Provider - mehr sollten es nicht sein - zum Kunden, um die auszulagernden IT-Systeme mit ihren Tools zu vermessen und Fachinterviews mit den IT-Verantwortlichen zu führen. Dieser Prozess kann zwischen einer Woche und einem Monat dauern. Er ist für den Dienstleister wie für den potenziellen Auftraggeber mit einem hohen Aufwand verbunden - vor allem, wenn es sich um eine erstmalige Auslagerung handelt.

Im Anschluss an die Due Diligence werden die Dienstleister aufgefordert, ein finales Angebot abzugeben. Häufig liegt der Preis dann unter der auf die Ausschreibung eingereichten Offerte. Die Provider begründen dies meist mit der "Hebung von Synergien" durch geplante Konsolidierungsmaßnahmen. Erkennt der Dienstleister, dass er einen zu niedrigen Preis in den RFP geboten hat, wird er den Leistungsumfang jetzt eher ausdünnen und bestimmte Services optional anbieten. Ein Beispiel: War in der Ausschreibung von einer Mandantenkopie für ein SAP-System oder 20 Transporten pro Jahr ins Produktivsystem die Rede, und der Anbieter merkt, dass dies nicht für den Betrieb reicht, bleiben die Transporte zwar im Preis enthalten, für jeden weiteren Transport und jede Kopie kassiert er jedoch zusätzlich. Der Basispreis würde in diesem Fall gegenüber dem RFP-Angebot stagnieren oder sogar schrumpfen, die Kosten für den Kunden unterm Strich aber steigen. Daher sollte dieser das finale Angebot danach kontrollieren, ob Leistungen aus dem Basispreis herausgenommen und in eine optionale Preiskomponente umgewandelt wurden.

Die Transitionsphase

Vor dem laufenden Betrieb erfolgt der Übergang. Der neue Dienstleister muss sich gemeinsam mit der internen IT oder dem bisherigen Provider überlegen, welche Bereiche wann und wie übergeben werden, und diese Entscheidungen anschließend umsetzen. Diese Phase birgt finanzielle Unsicherheit. Selbst etablierte Provider tun sich manchmal schwer, eine belastbare Aufstellung der Kosten für den Übergang von einem zum anderen Anbieter zu liefern.

Die Abweichungen in den Angeboten für Transition und Rückbau können immens sein. Damit stehen sie den Preisunterschieden für den laufenden Betrieb in nichts nach. Entscheidend ist, dass alle Dokumentationen auf dem aktuellen Stand sind. Dann lassen sich die Applikationen ohne Anpassungen weiterverwenden. Und wenn sich der Schulungsaufwand im üblichen Rahmen bewegt, bleibt die Zahl der Manntage für ein Übergangsprojekt überschaubar. Als Richtwert für die Migrationskosten gelten zwischen acht und 17 Prozent des gesamten Outsourcing-Volumens. Zumindest bei Verträgen mit kurzen Laufzeiten sind da eventuelle Preisvorteile durch den Provider-Wechsel schnell aufgezehrt. (sp)