Manipulierte Geldautomaten

ATM-Hacker: Skimming auf dem Vormarsch?

08.07.2016
Trotz moderner Technik greifen Kriminelle immer wieder sensible Daten von Bankkunden ab. Doch die Milliardeninvestitionen der Branche in mehr Sicherheit scheinen sich zu lohnen: Datenklau lohnt sich immer weniger.

Zum Praktikum in den USA - schon sind die Kreditkarten-Daten von kriminellen Hackern abgegriffen und werden missbraucht. Das Beispiel einer 26-jährigen Mainzerin belegt, was die deutsche Finanzbranche seit Jahren bemängelt: Ausgerechnet die US-Amerikaner - beim Bezahlen mit Plastik ganz vorne dabei - schludern bei der IT-Sicherheit. Während Skimming-Angriffe und sonstige manipulative Angriffe auf Bankomaten in Deutschland dank moderner Technik seit Jahren abnimmt, bieten andere Länder Hackern ein Einfallstor, indem Bank- und Kreditkarten weiterhin mit leicht kopierbaren Magnetstreifen ausgerüstet werden.

EMV zerschlägt Skimming-Strategien

"Kriminelle versuchen daher, mit allen Mitteln an Kartendaten zu kommen - und übersehen dabei, dass sie diese kaum noch nutzen können", sagt Margit Schneider von Euro Kartensysteme. Die Einrichtung kümmert sich im Auftrag der deutschen Kreditwirtschaft um das Sicherheitsmanagement für Zahlungskarten.

Entgegen des langjährigen Abwärtstrends haben Datendiebe im ersten Halbjahr 2016 an deutschen Geldautomaten wieder häufiger zugeschlagen: Bundesweit wurden 94 Geldautomaten mit dem Ziel manipuliert, die Kartendaten und Geheimnummern von Bankkunden auszuspähen - zwei Drittel der Vorfälle ereigneten sich in Berlin. Der Bruttoschaden durch Skimming- beziehungsweise Man-in-the-middle-Angriffe ist allerdings weiter gesunken: auf das Rekordtief von 844.000 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 wurden noch 341 Bankomaten in Deutschland ausgespäht oder manipuliert, der Schaden belief sich damals auf 11,3 Millionen Euro.

Die Branche führt die sinkenden Schadenssummen durch Skimming-Angriffe vor allem auf den Einsatz der EMV (Europay International, Master Card und Visa)-Spezifikation zurück. EMV-Karten sind mit einem Prozessor ausgestattet - der Datensatz wird verschlüsselt, die Karte bei Gebrauch auf Echtheit geprüft. Und zwar bei jedem Einsatz, sowohl am Geldautomaten, als auch an der Ladenkasse. Bereits seit Ende 2010 sind in Deutschland sämtliche der gut 100 Millionen Girocards mit EMV-Chips ausgestattet.

Weil sich diese Technik weltweit zunehmend durchsetzt, können gestohlene Kartendaten in immer weniger Staaten missbräuchlich eingesetzt werden. Kriminelle Hacker müssen also weit reisen oder gut vernetzt sein, um in Deutschland ausgespähte Daten zu Geld zu machen. Im ersten Halbjahr 2016 wurden vor allem in den USA (32 Prozent Schadensanteil) und Indonesien (30 Prozent) Umsätze mit hierzulande geklauten Daten festgestellt. Indonesien beispielsweise will erst bis zum Jahr 2022 auf EMV umstellen.

Tatort Cyber-Bankraub
Cyber-Bankraub
Seit dem Jahr 2013 haben die Kriminellen Angriffe auf bis zu 100 Banken, E-Payment-Systeme und andere Finanzinstitute in rund 30 Ländern gestartet.
Cyber-Bankraub
Die Cyber-Kriminellen nutzten mehrere Methoden, um die Banken auszurauben
Cyber-Bankraub
Kaspersky hat einige Hinweise zusammengefasst, die auf eine entsprechende Infektion von Windows-Systemen hindeuten können.

Bankdatenklau: Neue Gefahr durch NFC?

Die Milliardeninvestitionen der deutschen Finanzbranche in mehr Sicherheit zahlen sich aus. Vom aktuellen Schaden bleiben nach Branchenschätzungen "höchstens" 200.000 Euro an heimischen Banken und Sparkassen hängen. Denn wegen internationaler Abkommen müssen die Länder mit den niedrigeren Sicherheitsstandards für betrügerische Geschäfte mit geklauten Bankdaten aufkommen.

Doch Sicherheitsexpertin Schneider mahnt: "Wir dürfen uns nicht auf den Erfolgen ausruhen. EMV wird und muss weiterentwickelt werden." Denn auch Kriminelle - und insbesondere kriminelle Hacker - gehen mit der Zeit, wie beispielsweise das Fachdezernat für Falschgeld und Skimming-Delikte der Hamburger Polizei feststellt. Im Mai berichteten die Ermittler von der Festnahme einer international agierenden Bande, die "hochprofessionell" Geldautomaten manipulierte. Zudem ging den Ermittlern ein Kanadier ins Netz, der sich "professionelle Skimming-Technik" von Bulgarien aus nach Hamburg liefern lassen wollte.

Als mögliches neues Einfallstor für Skimming-Betrüger und Geldautomaten-Hacker gilt die Funktechnologie NFC (Near Field Communication), die beim kontaktlosen Bezahlen zum Einsatz kommt. Hierbei wird quasi im Vorbeigehen der Chip von EC- und Kreditkarten an der Kasse ausgelesen. Kritiker argwöhnen, dass sensible Daten so viel zu leicht in falsche Hände geraten könnten. In einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC unter 1035 Erwachsenen gaben Anfang 2016 fast neun von zehn Deutschen - oder 85 Prozent - an, sie sähen die Gefahr, dass bei mobilen Bezahlverfahren Daten geklaut und missbraucht werden.

Die Sorge scheint nicht unbegründet: Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt in seinem jüngsten Bericht zum Thema Skimming: "Künftig wird mit technisch verfeinerten und teilweise gänzlich neuen Angriffsszenarien zu rechnen sein, wobei insbesondere mögliche Schwachstellen im NFC-Bereich ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet darstellen."

Kleiner Trost für Skimming-Opfer: In der Regel ersetzen die Banken und Sparkassen den durch den Hack entstandenen Schaden in voller Höhe - vorausgesetzt die Bankkunden haben beim Umgang mit Bezahlkarte und PIN ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt. (dpa/fm)

Die größten Cyberangriffe auf Unternehmen
Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre.
Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen.
Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar.
Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt.
Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft.
Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty".
Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert.
Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert.
Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst.
Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen.
Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten.
Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert.
J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren.
The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert.
Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China.
Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.