Ariba reüssiert als Einkaufsberater

21.09.2004 von Gerhard Holzwart
Nach herben Umsatzeinbrüchen, Bilanzskandalen und dem Absturz an der Börse zeigte sich der einstige E-Procurement-Spezialist Ariba im operativen Geschäft zuletzt überraschend stabil. Die Company profitiert allem Anschein nach davon, dass sie ihr früheres Kerngeschäft auf das gesamte Ausgaben-Management großer Unternehmen ausgeweitet hat. Noch ist künftiges Wachstum aber nicht gesichert.

David McCormick, President von Ariba, reklamiert für sein Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal - muss sich aber zunehmender Konkurrenz von ERP-Anbietern wie SAP erwehren.

Totgesagte leben länger. Geraume Zeit war die Entwicklung der 1996 gegründeten Company geradezu typisch für den Werdegang einer New-Economy-Firma: Bis Ende 2000 hatte Ariba den Nimbus eines Shooting Stars und Wallstreet-Lieblings. Im B-to-B-Segment gab es nur einen vergleichbaren "Darling" der Finanzanalysten. Der hieß Commerce One und ist längst wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Auch für Ariba kam zunächst der unausweichliche Absturz. Die Absage der 2,5 Milliarden teuren Übernahme des SCM-Anbieters Agile Software im Frühjahr 2001, das Zerbrechen einer Marketing-Allianz mit IBM kurze Zeit später und das sich seinerzeit schon abzeichnende schnelle Ende des Hypes um elektronische Marktplätze waren quasi nur die Vorboten. Es folgten dramatische Umsatzeinbrüche, hohe Verluste, der Absturz an der Börse von 16 Milliarden auf weniger als 500 Millionen Dollar Marktkapitalisierung, revidierte Abschlüsse für die Fiskaljahre 2000

und 2001 sowie der übliche Kehraus beim Management.

Heute hat sich Ariba auf Quartalsbasis bei rund einem Drittel der zum Höhepunkt der Internet-Euphorie erzielten Umsätze stabilisiert und es in zwei Berichtsperioden auch wieder geschafft, im operativen Geschäft schwarze Zahlen zu schreiben (siehe Grafik "Ariba: Auf und ab beim Profit"). Das Unternehmen scheint wieder auf Kurs zu steuern. Insidern zufolge hat der seit Herbst 2001 als Chairman und CEO amtierende frühere Finanzchef Robert Calderoni einen harten Sanierungskurs gefahren. Er profitierte davon, dass es der Company, nachdem das ursprünglich hoch eingeschätzte Business mit Internet-Marktplätzen weggebrochen war, in ihrem verbliebenen Kerngeschäft E-Procurement gelang, eine Art "eigene Marke" zu kreieren. Entscheidend für Ariba dürfte aber der in den zurückliegenden eineinhalb Jahren vorgenommene Ausbau des Produktportfolios gewesen sein, das heute unter dem Label "Enterprise Spend Management" (ESM) eine modular aufgebautes Set an

Software-Lösungen für den Einkauf enthält.

Mehr Services durch Freemarkets-Übernahme

Abgerundet wurde diese Strategie Anfang des Jahres mit dem Kauf des auf Beschaffungs-Dienstleistungen spezialisierten Dienstleisters Freemarkets, der sich zum größten Wettbewerber von Ariba entwickelt hatte. Dessen früherer CEO und heutiger Ariba-President David McCormick sieht in der knapp 500 Millionen teuren Fusion eine Maßnahme, die Ariba weitgehend ein Alleinstellungsmerkmal im Markt verschafft hat. Ariba sei, so der Manager im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE, heute im Prinzip der einzige Softwareanbieter und Service-Provider, der die Palette eines zeitgemäßen Beschaffungswesens, also das klassische E-Procurement, Einkaufsanalyse, Vertrags-Management sowie diverse Sourcing-Dienstleistungen wie die Auswahl geeigneter Lieferanten oder die Abwicklung von Ausschreibungen, so breit abdecke.

Laut McCormick stößt das Softwarehaus damit in eine "absolute Marktlücke". Mehr als die Hälfte aller Einkaufsleiter der weltweit 2000 größten Unternehmen wüssten nur oberflächlich über die Struktur und Zusammensetzung ihrer Ausgaben Bescheid. Große Etatposten wie Beratungsdienstleistungen oder Geschäftsreisen gelten nach wie vor als "schwarze Löcher". Angesichts des zunehmenden Kostendrucks werde aber das Thema Beschaffung immer mehr als kritischer Erfolgsfaktor gesehen. Schützenhilfe erhält McCormick in diesem Zusammenhang von Gartner. Die Auguren prognostizierten unlängst, dass bis Ende dieses Jahrzehnts in mehr als der Hälfte aller Top-2000-Companies der so genannte Chief Procurement Officer direkt an den Vorstandvorsitzenden berichten werde.

Outsourcing-Geschäft nimmt zu

Nach zwei profitablen Quartalen musste Ariba zuletzt der Fusion mit Freemarkets Tribut zollen

Bei den eigenen ESM-Produkten und -Services gehe es, so der Ariba-Manager, nicht um die vordergründige Übersicht über die unternehmensweiten Ausgaben, die sich etwa aus einem ERP-System ableiten lasse. Beim Spend Management nach der Lesart von Ariba handele es sich vielmehr um Features, mit denen man beispielsweise bei einem weltweit operierenden Konzern einzelne Produktkategorien definieren und den unterschiedlichen regionalen Lieferanten zuordnen könne. Damit erhalte man einen analytischen Gesamtüberblick und könne pro Artikel das komplette Einkaufsvolumen ermitteln. Gleichzeitig lassen sich auch klassische "Non-Catalog-Products" wie Dienstleistungen in eine Übersicht integrieren. Immer mehr Kunden gingen jedoch noch einen Schritt weiter und lagerten essenzielle Teile des Einkaufs wie Vertragsmanagement und Sourcing komplett aus, betonte McCormick.

Das Verhältnis zu den ERP-Anbietern sieht McCormick zwiespältig. "Produkttechnisch" betrachte man sich nicht als Wettbewerber; mit den eigenen Tools setzte man vielmehr als Layer auf die jeweils vorhandene ERP-Plattform auf. Der Ariba-President räumte jedoch ein, dass SAP & Co. zumindest in ihrem Marketing das Einkaufsthema immer stärker forcieren und eigene komplette Lösungen in Aussicht stellen. Daneben spüre man die zunehmende Konkurrenz klassischer Beratungshäuser und IT-Dienstleister, die sich das Spend Management ebenfalls immer häufiger auf ihre Fahnen schreiben. Der mit Abstand größte Wettbewerber sei jedoch die in Anwenderkreisen immer noch verbreitete Neigung, bei der Modernisierung des Beschaffungswesens "nichts zu tun". Immer mehr Beispiele von Kunden, wo der Einsatz von Ariba-Programmen zu größeren Einsparungen im Einkauf geführt hätte, tragen laut McCormick jedoch zu einem Stimmungsumschwung im Markt bei.

Profitabilität und Schuldenabbau im Fokus

Wann sich dieser in den Geschäftszahlen seiner Company bemerkbar macht, ließ der Ariba-Manager offen. Mittelfristig gehe man aber schon davon aus, dass eine Rückkehr zu jährlichen Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent möglich sei. Bei der Wallstreet stehe man jedenfalls im Wort, gab McCormick zu. Angesichts zuletzt stagnierender Quartalsumsätze zwischen 50 und 60 Millionen Dollar sowie aufgrund des Mergers mit Freemarkets neu aufgelaufener Verluste habe Profitabilität "oberste Priorität". Bei der Zusammenlegung beider Firmen habe man den Investoren eine jährliche Kosteneinsparung von minimum 35 Millionen Dollar garantiert. Dadurch verbessere sich die operative Marge selbst bei gleich bleibenden Umsätzen um knapp zehn Prozent, rechnete McCormick vor. Ein Teil davon soll auch zu Tilgung der aufgelaufenen Schulden aus der New-Ecomomy-Ära verwendet werden, die sich auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag belaufen.