Die Zukunft der Consumer Electronic

Apps auf dem Fernseher

19.10.2012 von Kolja Kröger
In jedem vierten Haushalt steht 2012 ein internetfähiges TV. Dadurch steigen aber auch die Angriffsmöglichkeiten für Kriminelle, warnen Sicherheitsexperten.
Ab ins Netz - mit mobile TV und interaktivem Fernsehen.
Foto: Toshiba

Ohne Netzanschluss geht es nicht mehr: Fernseher, Hifi-Anlagen und Spielekonsolen überleben nur dann, wenn die Kunden mit ihnen ins Internet kommen und sie zudem untereinander vernetzen können. Zu diesem Schluss kommt die Studie zur "Zukunft der Consumer Electronics", die der Verband Bitkom zusammen mit Deloitte erstellt hat. Während Security-Anbieter vor neuen Gefahren warnen, malen sich die Herausgeber der Untersuchung ganz neue Wertschöpfungsketten aus: Mit Apps auf verschiedenen immer mobileren Geräten als Lieferanten individualisierten Contents und Social Media als viralem Werbekanal.

In jedem vierten Haushalt steht Ende kommenden Jahres ein internetfähiger Flachbild-Fernseher, schreiben die Autoren um Michael Schidlack - und langfristig hängen 85 Prozent der verkauften Consumer-Geräte am Netz. Zur großen Freude der Cyberkriminellen, meint allerdings der Virenanalyst Christian Funk von Kaspersky Lab.

Cyberkriminelle wollen ans Geld der Endkunden

"Die Angriffsmöglichkeiten für Kriminelle werden im Heimanwenderbereich breiter", sagt Funk. Dabei können Betrüger die im PC-Bereich erfolgreichen Betrugsmethoden und -Technologien auf neue Geräteklassen ummünzen." Die üblichen Verdächtigen: Phishing, Spam und Erpressungs-Software. Wenn die neuen Geräte zum Vertriebskanals werden, mit Sofort-Kaufen-Buttons beim Teleshopping und E-Paper-Abo, fließt auch Geld über die Kanäle - etwa in Form von Kreditkarten-Daten. Das weckt Begehrlichkeiten.

Das Thema Sicherheit streift die Bitkom-Untersuchung nur am Rande, stellt stattdessen die Marktreiber der Medienbranche von morgen vor: Mobilität, Apps und Social Media: Wenn das Tablet dank Spracherkennung erkennt, welche Serie über das Smart-TV streamt, ruft es Hintergrund-Infos auf oder schickt seinen Besitzer in eine virtuelle Diskussionsrunde mit anderen Fans der Serie. Und mit Nutzerkommentaren und -bewertungen heizt der Stream-Anbieter wiederum die Nachfrage an.

Ähnliche Programme gibt es bereits, etwa "IntoNow" von Yahoo! in den USA. Für die Content-Anbieter bietet Social Media die Möglichkeiten von Referential und Targeted Marketing - also Weiterempfehlungen ("gefällt mir") und zielgruppenspezifische Werbung. Die Kombination aus beidem "wird die Vermarktung von digitalen Inhalten nachhaltig prägen und hier eine Art Vorreiterrolle für andere Märkte übernehmen", heißt es in der Studie.

Apps sind überall

Fürs Auto bieten viele Hersteller bereits Smart-Phone-Apps an.

Ob Apps sich auch auf dem Küchenherd durchsetzen, ist fraglich - doch auf die Fernsehgeräte haben sie es schon geschafft. Die kleinen Programme, mit denen Apple sein iPhone ausstaffiert hatte, bestechen durch ihre Einfachheit und perfekte Abstimmung auf die Hardware. Jeder große TV-Hersteller hat laut Bitkom schon App-Angebote für seine Geräte herausgebracht. Zum Erfolgsmodell würden Apps aber nur, wenn sie dem Konsumenten einen tatsächlichen Mehrwert bringen.

Fernsehsender bekämen Kanäle für sendungsbegleitende Inhalte auf der Mattscheibe, ebenso aber auch auf Smartphone und Tablet. Als große Chance sehen die Autoren HTML5, um Cloud-basierte Apps ohne Plattform-Zwang wie Android oder iOS unter die Leute zu bringen. Sky hat im Frühjahr bereits seinen Dienst SkyGo gestartet, über den die Kunden ihre abonnierten Inhalte auch über Zweit-Fernseher nutzen können. Dazu gibt’s eigens produziertes Material etwa zu Sportveranstaltungen aufs Smartphone.

Zudem könnten sich Geräte-Hersteller mit einer Online-Videothek zusammentun und deren App fest installieren, erklärt die Studie. Auf diesem Weg würden beide profitieren. Durch die Konvergenz brechen alte Wertschöpfungsketten auf und zwingen Anbieter zu Kooperationen. Denkbar wären auch Verlage, die ihren E-Paper-Abos mit Tablet inklusive verkaufen. Die Kooperationen könnten bis zur Entwicklung von reinen Social-Media-Handsets reichen. Schon jetzt nutzen Jugendliche in den USA ihre Netzwerke meist von unterwegs.

Auf den eigenen Verstand hören

Kaspersky-Virenanalyst Funk will diese Entwicklung nicht bremsen, rät aber zu Wachsamkeit. Es ist kein Wunder, dass er den Einsatz von IT-Sicherheitslösungen empfiehlt - denn damit verdient Kaspersky Geld. Gleichzeitig aber betont Funk: "Bei sensiblen Aktionen im Heimunterhaltungsnetzwerk sollten Nutzer immer die Updates von Betriebssystemen, Apps oder Plug-ins beziehen und den gesunden Menschenverstand walten lassen." Allerdings zeigt die Erfahrung, dass User besonders daheim gerne leichtsinnig werden, auf Backups, Sicherheits-Software verzichten und sogar Spam-Mails anklicken.

11 abgefahrene Technik-Trends (Update)
Martin Jetpack
Jetpacks alias Raketenrucksäcke sind bald keine Zukunftsmusik mehr. Der Martin Jetpack soll Mitte 2013 auf den Markt kommen und ungefähr 100.000 Dollar kosten. Er soll sie mit bis zu 100 km/h 50 km weit durch die Lüfte tragen. Allerdings variieren die gesetzlich erlaubten Einsatzgebiete von Land zu Land. Ins Büro pendeln per Jetpack ist also nicht ohne weiteres möglich
Hamburger aus dem 3D-Drucker
Biotinte aus Stammzellen, künstlich gewachsenes Muskelfleisch aus dem 3D-Drucker - der Hamburger von morgen ist vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack.
3D-Drucker druckt Waffen
Pistolen und Sturmgewehre aus dem heimischen 3D-Drucker? Die Idee gefällt beileibe nicht jedem - ist aber schon heute umsetzbar.
Hand als Touchscreen
Zusammen mit Microsoft haben Wissenschaftler einen Projektor entwickelt, der von der Schulter des Anwenders Bilder auf beliebige Flächen strahlt. Eine Kamera erkennt die Auswahl des Nutzers. Vielleicht wird die Hardware künftig klein genug für die Brille? Oder die Halskette?
Fotografieren ohne Fokusieren
Bei der Lichtfeld-Fotografie müssen Sie nicht auf den Autofokus warten oder gar manuell fokusieren. Einfach abdrücken - fertig. Erst nach dem Foto entscheiden Sie sich für den Bereich, der scharf dargestellt werden soll. Die Firma Lytro baut dazu in die Objektive sehr viele Mikro-Linsen ein, die mehr Licht einfangen können als klassische Linsen.
Pentagon baut angeblich „Avatar“ ähnlich wie im Kinofilm
Im Kinofilm „Avatar“ von 2009 steuert ein Soldat einen künstlich erzeugten Alien-Körper per Gedankenkraft. Das Pentagon-Projekt „Avatar“ soll in die gleiche Kerbe schlagen.
Smartphone erkennt Gefühle
Samsung arbeitet an einer Technik, die über die Tippgeschwindigkeit und die eingegebenen Befehle den Gemütszustand des Nutzers erkennen soll. Spielt mir mein Smartphone künftig beruhigende Musik vor, wenn ich nervös oder wütend bin?
Dampfbad macht Smartphones wasserdicht
Hersteller Liquipel bedampft Smartphones mit einer Nano-Schicht, die Wasser abhält. Wasser kann zwar in das Gehäuse eindringen, CPU & Co. kommen aber nicht zu Schaden. Das Gerät läuft einfach weiter. Liquipel will die Nanoschicht zusammen mit Samsung, HTC & Co. während der Fertigung auftragen, bietet aber aktuell schon eine Nachbehandlung bereits gekaufter Modelle an.
Computer bringt lange Mails auf den Punkt
Sicher kennen Sie das auch: Ihr Kollege oder Ihr Freund schreiben ellenlange Mails. Aber lange Rede, kurzer Sinn - mit einem Satz wäre es oft auch getan. Ein 16jähriger Australier hat sich das wohl auch gedacht und arbeitet an einem Algorithmus, der lange Texte automatisch kürzen soll. Finanziert wird er übrigens durch einen in Hong Kong lebenden Milliardär namens Li Ka-shing.
Internet aus der Glühbirne
Zumindest aus der LED-Birne - durch extrem schnelles Blinken werden Daten übertragen. Lampe aus bedeutet 0 und Lampe an 1. Daraus lässt sich ein Datenstrom aus Einsen und Nullen generieren. In Testreihen wurden durch diese Technik schon DSL-Geschwindigkeit erreicht. Problem ist noch der Upload von Daten. Direktes Licht sei dagegen nicht unbedingt nötig, da auch über reflektiertes Licht Daten übertragen werden. Spenden Straßenlaternen in einigen Jahren nicht nur Licht, sondern auch Internetzugang?
PC mit den Augen steuern
Das Unternehmen Tobii lässt Sie mit den Augen durch Webseiten scrollen oder im Spiel Asteroids Himmelskörper per Blick vernichten. Tobii werkelt schon länger an der Technik, will sie aber jetzt zur Marktreife bringen.
Biegsame Smartphones
Statt auf Silizium setzen die Wissenschaftler des Laboratory of Nanoscale Electronics and Structures auf Molybdänsulfit. Dessen einzelne Schichten sind nur drei Atome hoch und das Material ist flexibel. Theoretisch wären damit aufrollbare Smartphones und Tablets denkbar - wenn man auch für das Display eine Lösung findet.
Kontaktenlinsen als Display
Amerikanische Forscher haben eine Kontaktlinse entwickelt, die als Display fungiert. Das eingeblendete Bild scheint einen Meter vor dem Betrachter zu schweben. Die Mini-Auflösung und die Stromversorgung bereiten den Forschern derzeit noch Kopfzerbrechen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO. (ph)