Wer in den Unternehmen heute die Anwendungsentwicklung und Anwendungswartung verantwortet, hat keinen leichten Job. Manager für das Application Development and Maintenance (ADM) müssen innovative Lösungen für immer mehr kritische Anwendungen in immer kürzerer Zeit industriell bereitstellen. Dabei erweist es sich zunehmend als schwierig, die Schere zwischen den speziellen Anforderungen der Fachbereiche und dem andauernden Optimierungsdruck zu schließen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Organisationen den Anspruch eines effizienten und ganzheitlichen Applikationsportfolio-Managements verfolgen.
Vor diesem Hintergrund sollten sich die Verantwortlichen häufiger den Methoden und Instrumenten öffnen, die zum Beispiel professionelle ADM-Dienstleister nutzen und anbieten. Dabei sind vor allem CIOs gefragt, denn immer noch herrschen alt hergebrachten Mustern in den Abläufen einer ADM-Organisationen vor. Die Erfahrung aus entsprechenden Projekte lehrt, dass sich ein konsequenter Umbau und eine zielgenaue Ausrichtung auf ein umfassendes Applikationsportfolio-Management lohnt und für die Zukunft unabdingbar ist.
Erfahrung aus aktuellen Untersuchungen
Nach wie vor verursachen ADM-Organisationen einen signifikanten Anteil an den gesamten IT-Kosten. Oft liegt er deutlich über 50 Prozent, trotzdem kommen oftmals weniger als 15 Prozent als Neuerungen beim Business an. Die Kosten- und Nutzen-Relationen liegen im Dunkeln. Obwohl diese Herausforderungen nicht wirklich neu sind und analytische wie auch organisatorische Methoden und Verfahren zumindest in aller Munde sind, stagniert die Entwicklung von ADM-Organisationen seit Jahren.
Das Ergebnis sind Ressourcenengpässe, mangelnde Flexibilität und eine zu geringe Geschäftsprozessunterstützung. Große Unternehmen betreiben oft 1.000 und mehr Applikationen mit komplexen Schnittstellen basierend auf einem bunten Mix aus Plattformen und Entwicklungswerkzeugen. Alleine dieser unterschiedliche Mix birgt Optimierungspotenziale von bis zu 15 Prozent.
Keine Standards, wenig Flexibilität
CIOs und Leiter von ADM-Organisationen kämpfen bei der Lösung der Problemstellungen mit verschiedenen Herausforderungen.
Fehlende Standardisierung: Tatsache ist, dass die Fachbereiche als Anforderungsteller, Sponsoren und prinzipielle Geldgeber am längeren Hebel sitzen. Sie diktieren oftmals unabhängig von anderen Abteilungen eines Unternehmens ihre Anforderungen. Eine zentrale inhaltliche Konsolidierung dieser Wünsche findet in der Regel nicht statt. Diese Fachbereiche dazu zu bewegen einige liebgewonnene individuelle Domänen zu Gunsten einer konsequenten Standardisierung sowie Vereinfachung aufzugeben und konsequenter als bisher die Kosten-Nutzen-Relation aufzuzeigen und nachzuhalten, fällt CIOs häufig schwer.
Althergebrachte Strukturen: Die meisten Unternehmen definieren die eigene Anwendungsentwicklung und -wartung immer noch - dem allgemeinen Stand des Ausbildung entsprechend - ganzheitlich. Sie erwarten von ihren meist hochqualifizierten Entwicklern, dass sie sämtliche Entwicklungsphasen und -aktivitäten abdecken können, von dem Anforderungs-Management und der Analyse, dem Design und der Konzeption über die eigentliche Implementierung und dem Testen bis hin zur Dokumentation und dem Projekt-Management.
Veränderungen an den Strukturen gestalten sich vor diesem Hintergrund und der hohen Personalabhängigkeit der Abläufe sehr langwierig und aufwändig. 75 bis 85 Prozent der Gesamtkosten in der Anwendungsentwicklung entfallen typischerweise auf die Mitarbeiter. Anpassungen sind dringend erforderlich: Weil die Firmen große Schwierigkeiten haben, jüngere, qualifizierte Mitarbeiter einzustellen, werden sie künftig vermehrt auf die Dienste ausländische Anbieter zugreifen müssen, etwa aus Indien oder China. Wer bis dahin seine Strukturen nicht entsprechend konsequent angepasst hat, wird auf der Strecke bleiben.
Was sich ändern muss
CIOs, die die Reserven der ADM-Organisationen heben und sie für die Zukunft aufstellen wollen, sollten vor allem zwei Strategien verfolgen.
Anwendungsportfolio-Management: Zum einen helfen die Konsolidierung und Konzentration auf die wesentlichen Business-Applikationen. Hierzu müssen der CIO und die Leitung der ADM-Organisation das Gesamtportfolio an Applikationen in eine Struktur bringen, die eine Analyse der relevanten Dimensionen erlaubt. Dabei helfen systematische, modellgestützte Ansätze mit den Instrumenten eines professionellen Anwendungsportfolio-Managements.
Service-orientierte Strukturen: Zum anderen ist der systematische und konsequente Umbau von ADM-Organisationen erforderlich. Ziel muss die Abkehr von den Entwicklungs- und Wartungs-getriebenen Strukturen hin zu Organisationseinheiten, die systematische Services unterstützen.
Wege zum Portfolio-Management
Das Anwendungsportfolio-Management umfasst die komplette Historie einer Applikation und ihrer Komponenten, von der ersten Idee über dem begleitenden Anforderungs-Management bis zu ihrer Entfernung der Software aus einer Systemlandschaft. Es ist ein kontinuierlicher Prozess zum Steuern und Kontrollieren der Unternehmens-Anwendungen.
Wesentlich ist, dass alle relevanter Daten erfasst werden, dazu zählen neben den technischen Kerndaten, die Projektkennzahlen, die Support-Volumina, der Stand der Dokumentation, die Sicherheitsanforderungen und existierenden Maßnahmen für die Information Security sowie zugeordnete Mitarbeiter und Kosten. Eine solche Erhebung ist oft ein umfassendes, länger laufendes Projekt und wird auch häufig erst zu Beginn von Outsourcing-Vorhaben in Angriff genommen.
Das Anwendungsportfolio-Management ist im Vergleich zum herkömmlichen Anwendungs-Management umfassender. Letzteres konzentriert sich auf die Anwendungen selbst und deren Lebensphasen (Design, Build und Run). Das Portfolio-Management von Applikationen bettet diese Aufgaben in eine umfassende und fortlaufende Strategie und Planung ein. Es berücksichtigt alle relevanten Aspekte hinsichtlich Organisation, Prozesse und Rollen. Das schließt auch grundsätzliche Entscheidungen darüber ein, welche strategische Werkzeuge oder Methoden (Benchmarking, Dashboard und Wissensmanagement) zum Einsatz kommen sollen.
Orientierung für den fortlaufenden IT-Bezug bietet eine "Portfolio Roadmap". Sie stellt alle für das Portfolio getroffenen Entscheidungen und die daraus abgeleiteten Maßnahmen inklusive der Sourcing-Initiativen in einen zeitlichen Rahmen dar. Dabei ist dieser Fahrplan auf eine durchgehende Verantwortung für Anwendungen und den priorisierten Geschäftsprozessen ausgerichtet.
Von der Service-Orientierung zur Softwarefabrik
Befragungen von Top-Entscheidern zeigen eine regelmäßig wiederkehrende Unzufriedenheit mit ihrer IT, wenn es um Umsetzung von Geschäftsinnovationen. Eine weltweite Analyse reifer ADM-Organisationen gibt Hinweise darauf, an welchen Stellschrauben IT-Leiter drehen können, um Verbesserungen zu erzielen. So fällt beispielsweise auf, dass gut aufgestellte IT-Abteilungen in vielen Bereichen der Anwendungsentwicklung vermehrt auf externe Dienstleistungen (Managed Services) zurückgreifen und damit Mittel für Projekte freimachen. So kann etwa Managed Testing helfen, rund 10 Prozent der gesamten jährlichen Entwicklungskosten einzusparen.
Um jedoch Managed Services in die eigenen Abläufe integrieren zu können und eine bessere Service-Orientierung zu erreichen, bedarf es einer Differenzierung der Rollen und Spezialisierung der Mitarbeiter. In weit entwickelten ADM-Organisationen gibt es keine allumfassenden Entwickler mehr sondern etwa Business Analysts und Prozess-Berater, Software-Ingenieure, IT-Architekten, Projekt-Manager, Projektassistenten, Programmierer, Lektoren sowie Qualitäts- und Testspezialisten und Software-Sicherheitsexperte.
Mit einer solchen Aufstellung verändert sich die Organisation zu einer Softwarefabrik. Dass sich der Wandel lohnt, belegt der Blick auf weltweite ADM-Organisationen, die diese Transformation bereits hinter sich haben. Sie sind heute in der Lage, vordefinierte Ergebnisse zu berechenbaren Kosten in signifikant kürzerer Zeit bei geringeren Risiken zu liefern.
Was das Portfolio-Management besser kann
In folgenden Kernprozessen geht das Anwendungsportfolio-Management über das herkömmliche Anwendungs-Management hinaus sind:
-
Strategie, Planung und Analyse des Portfolios unterliegen einem fortwährenden Prozess.
-
Das Portfolio-Management umfasst auch die Dienstleistersteuerung und die laufende Sourcing-Optimierung.
-
Das Service Level Management orientiert sich an der Kritikalität der Anwendungen.
-
Es gibt ein laufendes Prognose- und Anforderungs-Management.
-
Das Kapazitäts-, Dokumentations- und Wissens-Management sind integraler Bestandteil.
-
Die Information-Security wird übergreifend betrachtet.
-
Die Integration neuer Anwendungen erfolgt nach vordefinierten Kriterien.
-
Lösungen für eine Re-Transition und Dekommissionierung sind enthalten.
-
Ziel sind fortlaufende Optimierungen einschließlich Produktivitätsverbesserung in der Anwendungsentwicklung und -wartung.