Integrationsaufwand schreckt trotz Einsparpotenzialen bisher ab

Anwender zeigen Portalen die kalte Schulter

03.09.2004

Im Prinzip ist es der Wunsch der meisten Anwender: Eine einheitliche Arbeitsoberfläche für ihre Mitarbeiter zu haben, von der aus diese einen übersichtlichen Zugriff auf mehrere Informationsquellen haben und von wo aus sich sogar unterschiedliche Anwendungen bedienen lassen - genau das sollen Unternehmensportale leisten. Trotzdem sieht die Wirklichkeit in deutschen Unternehmen anders aus. Wie die Analysten der Techconsult GmbH herausgefunden haben, nutzt bisher lediglich ein Fünftel der Anwender hierzulande diese Technik.

Gut zwei Drittel (67 Prozent) der Firmen zeigen Portallösungen die kalte Schulter. Sie haben sie weder im Einsatz, noch planen sie ein derartiges Projekt für die nächsten 18 Monate, so eines der Ergebnisse der Studie "Portale in Deutschland 2004 und 2005". Insgesamt 628 mittlere und große Unternehmen wurden dafür zu Themen wie dem gegenwärtigen Einsatzgrad, ihren Planungen oder den Hemmnissen befragt, die einer Portal-Einführung im Weg stehen. Dabei zeigte sich, dass immerhin 33 Prozent bereits Erfahrungen mit Portalen gesammelt haben und knapp 18 Prozent "konkrete Planungen" hinsichtlich einer erstmaligen oder zusätzlichen Portal-Anschaffung anstellen. Grundsätzlich, so Techconsult, seien "Unternehmen in Deutschland gegenüber der Portaltechnologie positiv eingestellt."

Einem stärkeren Einsatz von Portalen stehen vor allem drei Faktoren im Weg: Gut die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) gab an, dass andere Projekte Vorrang haben, was auch damit zusammenhängt, dass viele anscheinend den unmittelbaren Nutzen eines Portals nicht erkennen können. Der vielerorts noch immer herrschende Budget- und Personalmangel stellt einen weiteren Grund dar, weshalb die Einführung entsprechender Lösungen nicht angegangen wird - 51 Prozent nannten diesen Grund. Es gibt aber auch technische Faktoren, die aus Sicht der Anwender gegen Portale sprechen: So schreckt 45 Prozent der Antwortenden die Komplexität der Integration von Portal und Back-end-Anwendungen ab.

Vielleicht hängt die Zurückhaltung der Anwender aber auch damit zusammen, wie die Anbieter und ihre Lösungen von den Unternehmen wahrgenommen und beurteilt werden. Am besten bekannt für ihre Portallösungen sind Microsoft, SAP und IBM (bei einer gestützten Befragung nannten 73, 71 beziehungsweise 70 Prozent diese Hersteller), gefolgt von Oracle, Sun und Novell (53, 48 beziehungsweise 39 Prozent). Was die tatsächliche Verbreitung angeht, haben die Walldorfer die Nase vorn: 32,5 Prozent der Unternehmen mit Portalen gaben an, SAP-Produkte einzusetzen. IBM- und Microsoft-Portale sind mit jeweils 30 Prozent ebenfalls weit verbreitet.

Anbieter hinken Anforderungen hinterher

Allerdings stellt Techconsult fest, dass die Anwender auch Kritik an den Portalanbietern üben. Zwar sind die Kunden sehr zufrieden, wenn es sich beispielsweise um Kriterien wie eine einfache und verständliche Bedienung oder um den rollenspezifischen Zugriff der Portalbenutzer auf Daten und Anwendungen handelt.

Wenn es jedoch um einen kosteneffizienten Betrieb oder eine einfache Integration des Portals in die bestehende Infrastruktur geht, zeigt sich ein anderes Bild: "In keinem der wichtigen Bereiche können die Anbieter die Erwartungen der Anwender erfüllen beziehungsweise übertreffen", lautet daher das Fazit der Analysten.

Verbesserungen sind auch im Hinblick auf die Integration von Daten und Anwendungen erwünscht. Zwar zählen diese Kriterien nicht zu den wichtigsten Anforderungen der Unternehmen (siehe hierzu auch Kasten: "Portal-Anforderungen"). Dennoch kritisiert Techconsult, dass die Hersteller in diesem Bereich nur bedingt überzeugen können und in einigen Punkten den Anforderungen der Anwender hinterherhinken. Beim Thema Sicherheit sind die Kunden sogar "nur mit Abstrichen" mit den Anbietern zufrieden. Handlungsbedarf sehen sie insbesondere beim wichtigsten Kriterium in dieser Kategorie, "Maßnahmen zur Abwehr von Viren und externen Zugriffen".

Die genannten Kritikpunkte dürften mit ausschlaggebend dafür sein, dass verhältnismäßig viele Unternehmen ihre Portallösungen selbst oder auf Basis einer Standardprodukts weiter entwickeln. Knapp die Hälfte (45,5 Prozent) der Befragten gaben an, eine dieser Strategien zu verfolgen.

Gegenwärtig sind es vor allem Banken und Versicherungen, die Portale bereits aktiv nutzen: Laut Studie weist diese Branche einen kumulierten Einsatzgrad von 30,5 Prozent auf, der damit deutlich über dem Durchschnitt liegt. Unabhängig vom jeweiligen Industriesegment stellt Techconsult mit zunehmender Mitarbeiterzahl auch eine wachsende Bereitschaft fest, Portale einzusetzen. 36 Prozent der von den Analysten befragten Unternehmen mit mehr als 1000 Angestellten setzen die Technik bereits ein.

Handel setzt auf Portale

Knapp überdurchschnittlich hoch ist die Nutzung von Portalsoftware im Handel, der dafür jedoch im Branchenvergleich in Bezug auf geplante Projekte die Nase vorn hat. Dementsprechend finden sich hier auch hohe Budgets für Portal-Projekte: 116000 Euro wollen die Händler in diesem Jahr dafür bereitstellen (2005: 112000 Euro). Auch die Budgetscher Energie- und Wasserversorger beziehungsweise TK-Unternehmen liegen mit 119000 Euro (2005: 108000 Euro) etwa auf diesem Niveau und damit über dem Durchschnitt.

Fragt man nach dem Einsatzzweck der Portale, so stellt sich heraus, dass sie in erster Linie für die eigenen Mitarbeiter genutzt werden. Von 130 antwortenden Unternehmen gaben 86 Prozent an, diesen Zweck zu verfolgen. An zweiter Stelle folgten Kunden- beziehungsweise Bürgerportale, die gut die Hälfte anbieten. Knapp die Hälfte (45 Prozent) stellt seinen geschäftlichen Partnern ein spezielles Portal zur Verfügung. Schlechter sieht es im Bereich Händler/Lieferanten aus: Gerade mal ein gutes Viertel (27 Prozent) gaben an, diese Zielgruppe im Auge zu haben.

Defizite bei Anwendungsintegration

Interessant ist die Frage, welche Inhalte die Unternehmen über die Portale bereitstellen. In diesem Kontext spielt zudem eine Rolle, inwiefern Anwender es ihren Mitarbeitern ermöglichen, aus der Portaloberfläche heraus direkt auf Applikationen zuzugreifen. Vielfach integriert sind Inhalte, die aus externen Quellen stammen: Syndikalisierte Inhalte, News-Ticker oder Ähnliches zählen bei 76 Prozent der antwortenden Unternehmen zu den festen Bestandteilen ihrer Portale. Daneben sind Knowledge-Management-Lösungen (73 Prozent), Content-Management-Systeme (71 Prozent) oder Reporting-Tools (ebenfalls 71 Prozent), häufig von den Portalen aus zugänglich. Auch der Internet-Zugang gehört in vielen Fällen (70 Prozent) zum Standardangebot.

Erstaunen lässt die Tatsache, dass Systeme für Enterprise-Ressource-Planning (ERP), Supply-Chain-Management (SCM) oder auch Office-Anwendungen noch nicht mal bei der Hälfte der Unternehmen im Portal integriert sind. Immerhin planen viele Firmen, weitere Applikationen hinzuzufügen: SCM-Lösungen stehen hier mit 15 Prozent an erster Stelle, gefolgt von solchen für das Customer-Relationship-Management (CRM), Dokumenten-Management und Data Warehouse/Business Intelligence.

Gerade durch die Integration von verschiedenen Anwendungen lassen sich durch den Einsatz von Portalen Einsparungen erzielen. Nur wenige Anwender scheinen sich jedoch um diesen Aspekt Gedanken zu machen. 22 Prozent halten eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für komplett unmöglich. Laut Techconsult konnte bisher nur etwa jedes siebte Unternehmen genaue Zahlen nach der Einführung einer Portallösung ermitteln.

Dabei kamen sie zu recht interessanten Ergebnissen. So reichte die Spanne der durch die Einführung einer Portallösung zu erzielenden Einsparungen von 0 bis 60 Prozent, im Schnitt waren es 20,8 Prozent. Außerdem kommen die Techconsult-Analysten zu dem Schluss, dass die Einsparungen in vielen Fällen höher waren, als dies die Anwender im Vorfeld der Portaleinführung vermutet hatten.

Anwendern, die ein Portal planen, empfehlen die befragten Unternehmen, bereits vor Projektbeginn ein genaues Ziel zu definieren. Zusätzlich sollte bereits in dieser Phase daran gedacht werden, einen Wirtschaftlichkeitsnachweis zu erstellen. Schließlich mahnen sie große Sorgfalt bei der Auswahl des Anbieters an. Anwender sollten vor allem auf einfache Bedienung und die leichte Verständlichkeit der jeweiligen Lösung Wert legen (weitere hilfreiche Kriterien siehe Kasten "Das erwarten Anwender von einem Portal").

Martin Seiler, mseiler@computerwoche.de

Hier lesen Sie ...

- welche und wie viele Unternehmen Portale einsetzen und was sie dafür in diesem und im nächsten Jahr ausgeben;

- wofür Anwender derartige Lösungen einsetzen und wem sie dieses Angebot bereitstellen;

- welche Funktionen Portale enthalten;

- wie es um die Integration von Anwendungen steht;

- welche Faktoren der Verbreitung von Portalen entgegen stehen;

- welche Anbieter die wichtigste Rolle spielen und wo Unternehmen noch Defizite in deren Produkten feststellen;

- welche Einsparungen Portale bringen können.

Portal-Anforderungen

1. Einfache und verständliche Bedienung;

2. rollenspezifischer Zugriff der Portal-Benutzer auf Daten und Anwendungen mittels Berechtigungen;

3. effiziente Maßnahmen zur Abwehr von Viren und externen Angriffen;

4. einfache Pflege und Administration;

5. kosteneffizienter Betrieb;

6. zentrales Nutzer-Management mit rollen- und regelbasierter Zugriffskontrolle;

7. gute Dokumentation;

8. gute Service- und Support-Leistungen des Anbieters;

9. einfache Integration des Portals in die bestehende Infrastruktur;

10. verschlüsselte Datenübertragung. Quelle: Techconsult

Abb.1: Skepsis gegenüber Portalen überwiegt

Zwei Drittel der befragten Unternehmen haben noch kein Portal und planen auch keines. Quelle: Techconsult

Abb.2: Unternehmen geben SAP-Portalen den Vorzug

Deutsche Anwender setzen vor allem auf SAP-, IBM- und Microsoft-Produkte, wenn sie Portallösungen realisieren. Quelle: Techconsult