Anwender hadern mit Lizenzmodellen

22.06.2005 von Martin Bayer
Mit komplexen Lizenzbestimmungen setzen die Softwareanbieter ihre Kunden zunehmend unter Druck. Diese wehren sich jedoch, indem sie ihre Softwarelandschaft effektiver organisieren und verwalten.

Hier lesen Sie ...

  • welche Probleme Anwender mit dem Lizenz-Management haben;

  • was es bei der Einführung von Software zu beachten gilt;

  • warum den Anbietern nicht immer daran gelegen ist, für Durchblick im Lizenzdschungel zu sorgen.

Oracle hat wieder einmal die Produktzuordnungen geändert", stöhnt Friedel Rothkötter, Director IS Technology & Operations beim Kölner Kabelnetz-Konzern ISH. Laufend müsse man die Matrix von Produkten und den dazugehörigen Lizenzmodellen neu anpassen. Es falle nicht leicht, hier den Überblick zu behalten. Einen Lichtblick gibt es immerhin: Seit der US-amerikanische Datenbankspezialist seinen Kunden ein "Statement of Change" schickt, müsse er sich wenigstens nur noch mit den Veränderungen auseinander setzen, atmet der IT-Manager auf. Früher habe er sich mit seinem Rechtsanwalt regelmäßig durch den gesamten Lizenzkatalog arbeiten müssen, um die geänderten Regeln aufzuspüren.

"Den meisten Anwendern fällt es schwer, eine korrekte Lizenzierung sicherzustellen", berichtet Helmut Franz, Senior Berater bei der MSG Systems AG in Frankfurt am Main. Vor allem Hersteller, die keine Kontrollmechanismen in ihre Lösungen implementierten und häufig ihre Lizenzmodelle wechselten, stellten ihre Kunden vor schier unlösbare Probleme. "Hunderte von Softwareherstellern bieten ihre Produkte an", beschreibt der Berater die aktuelle Situation. Bei der Vielzahl der daraus resultierenden Lizenz- und Wartungsmodelle sei es praktisch unmöglich, die Kontrolle zu behalten.

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Viele Unternehmen haben das Thema Lizenz-Management in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt. Seit jedoch verschärfte gesetzliche Regeln zur Unternehmensführung und -steuerung (Compliance) gelten und Vorstände für unzulässigen Softwareeinsatz haften, sei eine zunehmende Sensibilisierung zu spüren.

"Das Bewusstsein für das Thema wächst", pflichtet Holger Bley bei, verantwortlich für den Geschäftsbereich Softwarelizenz-Management der Hisolutions AG. Im Grunde sei fast jedem IT-Verantwortlichen bewusst, dass er in Sachen Lizenzverwaltung ein Problem hat. "Die meisten wissen um ihre Leichen im Keller."

Sparen mit Lizenz-Management

Verlässliche Studien zum Thema Lizenz-Management sind Mangelware. Branchenintern beruft man sich meist auf eine Untersuchung von KPMG aus dem Jahr 2002. Demnach ließen sich die Softwarekosten um bis zu 15 Prozent reduzieren. Mittlerweile gehen viele Experten von einem noch höheren Einsparpotenzial aus. Norbert Schauermann von G&S Consulting spricht von rund 30 Prozent der jährlichen Ausgaben für Softwarelizenzen. Auch Holger Bley von Hisolutions vermutet angesichts weiterführender Effekte wie Anpassung der Wartungsverträge und Möglichkeiten der Zweitverwertung ein Potenzial von deutlich über 15 Prozent. Aspera-Chef Bernhard Böhler verweist auf Kundenprojekte und verspricht Einsparmöglichkeiten im Rahmen von 15 bis 20 Prozent der jährlichen Softwareinvestitionen. Gartner-Analyst William Snyder taxiert das Potenzial auf zehn bis 40 Prozent der Softwarelizenzkosten.

Bley zufolge gibt es zwei Hauptgründe, warum Anwender Ordnung in ihren Lizenzhaushalt bringen wollen. Ihnen gehe es hauptsächlich darum, angesichts verschärfter Compliance-Regeln das operative Risiko zu vermindern und Kosten zu reduzieren. Zudem, so vermutet der Berater, verlangten Hersteller Klarheit über den Einsatz ihrer Software. Da die Anbieter angesichts des verschärften Wettbewerbs nicht mehr so viel Geld verdienten wie in früheren Boom-Jahren, versuchten sie aus ihren Bestandskunden herauszuholen, was möglich sei. Verifizieren lasse sich diese These aber nicht, schränkt Bley ein. "Die Kunden sprechen nur sehr ungern darüber."

Nicht schweigen wollte im vergangenen Jahr IT-Manager Rothkötter. Als sich ISH nach einer Server-Konsolidierung Hoffnungen gemacht hatte, die Kosten für Oracle-Lizenzen zu senken, zog der Datenbankspezialist alle Register. Nach einem Audit, das Oracle laut Rothkötter phantasievoll zu seinen Gunsten auslegte, sollte ISH auf einmal mehr Oracle-Lizenzen kaufen. Den Versuch, dennoch einige Lizenzen aus der Wartung zu nehmen, konterte Oracle mit der Kündigung des gesamten Supportvertrags. Um den Druck zu erhöhen, habe der Datenbankanbieter für jeden wartungsfreien Tag eine Reinstatement-Gebühr von 150 Prozent gefordert, berichtet Rothkötter.



"Die Hersteller versuchen, ihren Lizenzumsatz zu steigern", lautet das nüchterne Fazit von MSG-Berater Franz. Zwar sei der Versuch legitim, Unterlizenzierungen zu beseitigen. Schließlich habe ein Softwarehersteller ein Recht darauf, dass seine Produkte korrekt eingesetzt würden. "Allerdings vermisst man häufig die Kundennähe", moniert der Berater. In einem kundenorientierten Geschäftsmodell wäre es Aufgabe des Herstellers, kooperativ zu beraten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. "Das geschieht leider immer weniger." Die langfristige Beziehung zu einem einzelnen Kunden, den man dann auch pfleglich behandeln müsse, habe für viele Softwarehersteller nur noch einen geringen Stellenwert. Die meisten global operierenden Anbieter agierten derzeit rein ertragsorientiert.

Spezialwissen ist gefragt

Ganz so düster will Norbert Schauermann, Geschäftsführer der Beratungsfirma G&S Consulting, die Situation nicht sehen. Im Grunde liege es im Interesse der Anbieter, dass die Kunden richtig lizenziert seien. Schließlich müsse den Herstellern daran gelegen sein, längerfristige Beziehungen aufrechtzuerhalten. Allerdings nennt auch Schauermann, dessen Firma sich hauptsächlich mit Lizenzoptimierung im Oracle-Umfeld beschäftigt, die Probleme, die viele Kunden umtreiben. "Wenn die Materie nicht so komplex wäre, würde es uns wahrscheinlich gar nicht geben."

Das größte Optimierungspotenzial sieht Schauermann in den Nutzungsbestimmungen der Softwareanbieter. Die wenigsten wüssten über Aspekte wie Mindestlizenzierung oder Übertragbarkeit von Lizenzen Bescheid. Die Anbieter wiesen zwar auf die Bestimmungen hin, klärten ihre Kunden aber in den seltensten Fällen wirklich darüber auf. Wenn diese keine Erläuterungen einforderten oder die Bestimmungen nur ausdruckten und abhefteten, fehle das notwendige Wissen.

Daher sei es notwendig, Spezialwissen über die Softwarelieferanten und deren Lizenzmodelle in den Unternehmen aufzubauen. Ferner müsse eine Organisation für das Lizenz-Management geschaffen werden. Es gehe darum, Rollen und Zuständigkeiten zu definieren und die damit verbundenen Prozesse abteilungsübergreifend im Unternehmen zu verankern.

Viele Unternehmen hätten sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf den technischen Aspekt des Lizenz-Managements konzentriert und in klassische IT-Asset-Management-, Scan- und Discovery-Tools investiert, ergänzt Bernhard Böhler, Geschäftsführer von Aspera, das Lizenz-Management-Tools und -Services anbietet. Vielerorts hake es daran, Brücken zwischen Abteilungen zu schlagen und Kompetenzen zu verteilen: "Lizenz-Management ist ein Organisations- und Prozessthema." Anwender müssten lernen, zwischen Software und Lizenz zu differenzieren. Während die Software die technische Komponente darstellt, geht es bei der Lizenz um die Nutzungsrechte. Oft behaupteten Unternehmen, sie besäßen ein Lizenz-Management. Im Grunde haben sie jedoch nur ein Scan-Tool, das den Softwareeinsatz protokolliert, aber keinen Abgleich mit dem Lizenzstatus erlaubt.

"Anwender kaufen bestimmte Nutzungsrechte", lautet Böhlers einfache Formel. Diese Vereinbarungen müssten sie auch einhalten. Andererseits müsse es der Anbieter der Lizenzen den Kunden auch möglich machen, diese zu verwalten, fordert er. "Hier gibt es aber Defizite." Das fange schon damit an, dass die wenigsten Anbieter Artikelkataloge bereitstellten, in denen alle Produkte nach den Lizenzmodellen aufgelistet seien.

Druck auf Anbieter wächst

Besserung verspricht sich Böhler von einer ISO-Norm, die bereits 2006 verabschiedet werden könnte. Basierend auf dem Itil-Standard bekämen die Anwender damit einen Leitfaden an die Hand, um ein Software-Asset-Management (SAM) zu implementieren. Böhlers Wunsch wäre, dass sich auch die Hersteller anschlössen und auf ein einheitliches Format einigten. "Aber das ist eine Utopie."

Allerdings wächst der Druck auf die Softwareanbieter, ihre Lizenzmetriken messbar und nachvollziehbar zu machen, berichtet Gartner-Analystin Alexa Bona. Angesichts des härter werdenden Wettbewerbs seien große Softwarehersteller wie SAP und Oracle auf der Suche nach neuen Märkten und bemühten sich, vor allem mittelständische Kunden zu adressieren. "Hier haben sie jedoch mit komplexen Lizenzmodellen keine Chance."

In der Tat beginnen einige große Softwarehäuser, sich Gedanken über ihre Lizenzmodelle zu machen. So hat beispielsweise Microsoft angekündigt, noch im Sommer dieses Jahres eine vereinfachte Version seiner "Product Use Rights" herauszubringen. IBM und SAP denken sogar über neue Lizenzmodelle nach. So kündigte SAP-Chef Henning Kagermann Änderungen der eigenen Preisliste an. Ab 2006 solle sich das Pricing stärker am Wert der Software für die Kunden orientieren. In das gleiche Horn stieß IBMs Softwarechef Steve Mills. In einem Gespräch mit der computerwoche räumte er ein, dass sich die Wertvorstellung der Anwender, was Software betrifft, wandle: "Anwender wollen nicht nur für den Code zahlen." Die Anbieter von Lizenz-Management-Lösungen sind jedoch skeptisch, was die neuen Ideen betrifft. "Wie soll man das messen?", fragt beispielsweise G&S-Geschäftsführer Schauermann. Die Ermittlung des Vorteils sei schwierig, ergänzt Aspera-Manager Böhler. Letztendlich laufe es auf die Frage hinaus, was der Kunde bereit sei zu geben. "Dann bin ich auf einem orientalischen Basar." Ein Insider berichtet schmunzelnd von einem geflügelten Wort aus IBMs Softwaresparte: "Sobald ein Kunde unser Lizenzmodell versteht und anwenden kann, müssen wir es ändern."