Cloud-Services

Angst vor Wirtschaftsspionage schreckt Anwender ab

11.11.2010 von Ima Buxton
Anzeige  Vom derzeitigen Cloud-Boom könnten vor allem heimische Anbieter profitieren. Rechtliche Unsicherheiten und die Angst vor Wirtschaftsspionage schreckt deutsche Anwender ab, meint Thomas Köhler von der Beratungsgesellschaft CE21 im Interview.
Thomas R. Köhler ist Geschäftsführer der CE21 - Gesellschaft für Kommunikationsberatung mbH in Bonn/München. Er ist Autor zahlreicher Standardwerke zu ICT-Themen unter anderem "Communications Resourcing" (Addison-Wesley Verlag), "IT Services aus dem Netz" und "IT von A bis Z" (beide F.A.Z-Buch).


Der Begriff Cloud-Computing dominiert derzeit die Fachmedien wie selten ein Begriff zuvor. In ähnlichen Zusammenhängen ist aber auch über das Thema Software-as-a-Service zu lesen. Wie sind die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen?

Köhler: In der Tat ist die Abgrenzung nicht ganz trivial. Die Begriffe sind stark von den Anbietern an diesem Markt geprägt, die eher unscharfe Definitionen verwenden. Hinzu kommen Angebote wie PaaS, Platform-as-a-Service, und IaaS, Infrastructure-as-a-Service, die die Verwirrung aus Anwendersicht komplett machen. Heute wird Cloud Computing meist als Oberbegriff für alle netzbasierenden Dienste verwendet. Aus Unternehmenssicht ist aber entscheidend, welcher Nutzen mit dem Angebot verbunden ist.

IT-Ressourcen nur teilweise ausgelastet

Nutzen Unternehmen Cloud-Lösungen primär aus Kostengründen?

Köhler: Unternehmen nutzen Cloud-Computing in der Tat um Kostenvorteile zu realisieren, noch wichtiger ist für viele Firmen aber der Flexibilitätsgewinn. Die Unternehmens-IT wächst und schrumpft dann im Gleichklang mit den Business-Anforderungen. Wer seine Software selbst betreibt, muss sich hingegen immer an der Spitzenlast orientieren. Ein einfaches Beispiel aus dem Alltag dafür ist der Vertrieb von Lebkuchen, die fast ausschließlich in zwei bis drei Monaten vor Weihnachten nachgefragt werden. In der übrigen Zeit werden die dafür vorhandenen ICT-Resssourcen - etwa hinsichtlich Callcentern - nicht oder nur zum Teil benötigt. Unternehmen nutzen also immer nur einen Teil ihrer IT-Ressourcen - anders beim Cloud-Computing. Das ist der große Vorteil, den Cloud basierte Lösungen mit sich bringen.

Wirtschaftsspionage ist ein Problem, das sich längst nicht mehr nur auf Staaten wie Russland und China, sondern auch auf "befreundete" Länder wie die USA bezieht.
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Welche Hemmnisse bestehen außerdem?

Köhler: In der Tat ist die Adaptionsrate in Deutschland niedriger als in fast allen anderen Industrieländern wie den USA oder Großbritannien. Dies ist zum Teil auf Mentalitätsaspekte zurückzuführen: In den Vereinigten Staaten etwa probiert man eher mal eine Lösung aus und schaut dann, ob sie auch funktioniert. Deutsche Unternehmen agieren im Schnitt konservativer und wollen vor dem Einsatz genau wissen, was sie erwartet. Hinzu kommen unter Umständen - bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten - Probleme mit dem Datenschutz, etwa wenn nicht klar ist in welchen Ländern die Datenverarbeitung stattfindet. Dem gehen viele Unternehmen von vorneherein aus dem Weg. Lokale Anbieter, die vertraglich zusichern können, wo sich die Cloud-Systeme befinden, sind hier klar im Vorteil.

ICT-Anbieter müssen Datenzugänge für Geheimdienste schaffen

Was die Sicherheit betrifft: Sind Cloud-Lösungen aufgrund des speziellen Know-hows der Anbieter oft nicht sogar sicherer als On-Premise-Lösungen?

Köhler: Datensicherheit bedeutet in diesem Zusammenhang Schutz vor dem Abfluss von Informationen. Dabei ist das Thema Datenverlust noch eher beherrschbar. Größere Sorge bereitet den Firmen zunehmend das Thema Wirtschafts- und Industriespionage und dabei stehen nicht nur China und Russland - wie auf der Website des Verfassungsschutzes nachzulesen - unter Generalverdacht.

In den USA hat Präsident Barack Obama erst kürzlich eine Gesetz auf den Weg gebracht, wonach ICT-Anbieter in den USA Datenzugänge für die Geheimdienste schaffen müssen. Das ist nachzulesen in der New York Times vom 27. September 2010. Zur Verfügung gestellt werden müssen dabei unter anderem auch Zugänge zu verschlüsselten Diensten. Insbesondere Know-How-getriebene Unternehmen hierzulande fürchten zunehmend, dass über internationale Cloud-Lösungen Informationen an Wettbewerber "durchsickern". Für Anbieter mit lokalem Fokus ist dies ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Welche Daten gehören auch jenseits aller Sicherheitsdiskussionen nicht ins Netz?

Köhler: Es ist durchaus denkbar, dass ein Unternehmen seinen IT-Bedarf vollständig aus dem Netz bezieht. Doch die Vorteile der Cloud-Services liegen für die Anwender im Bereich standardisierter oder standardisierbarer Services. Alle individuellen Prozesse und Anwendungen, aus denen Betriebe Wettbewerbsvorteile ziehen, sind im Unternehmen besser aufgehoben.

Bereitstellung von Services künftig bis zum Desktop

Wie gehen Unternehmen idealerweise vor, wenn sie den Einsatz von Cloud-Services planen?

Köhler: Ganz wichtig und von vielen Firmen schon praktiziert ist die Überprüfung von Referenzinstallationen mit der Fragestellung: Funktioniert die Anwendung und funktioniert sie für meine Branche?

Weiterhin müssen die Versprechen der Anbieter abgeklopft werden, ob die Bereitstellung bis auf den Desktop hin gewährleistet wird. Ein Service, der nur in der Cloud statt findet und dessen Verfügbarkeit nicht End-to-End zugesichert wird, ist im Bereich unternehmenskritischer Anwendungen unter Umständen fehl am Platz. Die Anbieter müssen sich künftig verpflichtet fühlen, Netzdienstleistungen bis an den einzelnen Arbeitsplatz zu garantieren - und das kann im Augenblick nur leisten, wer ein eigenes Netz hat.

Wie wird der Business-Software-Markt in 10 Jahren Ihrer Ansicht nach aussehen?

Köhler: Cloud Computing wird die Art der Informationsverarbeitung nicht wie oft behauptet in allen Details umkrempeln. Aber es wird sie signifikant verändern. In den nächsten zehn Jahren werden zunächst die standardisierten Anwendungen wie eMail-Messaging, ERP oder auch zahlreiche Kommunikationsservices vom Konferenzdienst bis hin zu Telefonanlagenfunktionen in die Cloud wandern. Darüber hinaus wird es zunehmend auch Unternehmen geben, die ihre gesamte IT aus der Cloud beziehen - wenngleich dies Einzelfälle bleiben werden.

Ich sehe Cloud Computing darüber hinaus auch als Enabler für ganz neue Arbeitsformen "im Sinne des Gedankens des "vernetzt Leben und Arbeiten", die zur Folge haben, dass sich die klassische Unternehmensstruktur mit Zentrale und Filiale allmählich auflöst.

Neue Konzepte verändern die Arbeitswelt von morgen

In einigen Branchen, in denen überwiegend Wissensarbeit geleistet wird, könnten sich sogar extreme Konzepte durchsetzen wie etwa "Bring your own PC". Bei diesem Modell können Mitarbeiter ihre eigenen Laptops oder Smartphones mit gewissen Mindestanforderungen mit ins Unternehmen bringen und damit auf unternehmenseigene Applikationen zugreifen. Der Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass CIOs und die Firmenleitung erkannt haben, dass sie diese Geräte ohnehin nicht aus dem Unternehmen fern halten können. Die IT-Services kommen in diesem Fall natürlich aus der Cloud.