"Google Android streckt seine Tentakeln tief in angestammtes Microsoft-Territorium aus", schrieb kürzlich die US-amerikanische COMPUTERWOCHE-Schwesterzeitschrift PC World. Was war geschehen? Archos, Anbieter von Netbooks und Multimedia-Geräten für mobiles Surfen und Fernsehen, hatte angekündigt, eine Internet Media Tablet mit Android-Betriebssystem herauszubringen. Spätestens im dritten Quartal 2009 will der Hersteller das Gerät präsentieren. Kurze Zeit später reihte sich der nächste Hersteller in die Android-Fraktion ein: Asustek, Erfinder der neuen mobile Geräteklasse der Netbooks, verriet gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg, man arbeite an einem EeePC mit Google-Betriebssystem. Auf der CeBIT bestätigte Asus-COO Eric Chen die Pläne.
Beides sind nur Ankündigungen, doch sie lassen aufhorchen, denn die Hersteller wollen mit Open-Source-basierenden Geräten in Kundensegmenten reüssieren, die bislang fest in Microsoft-Hand sind. Asustek und Archos arbeiten jeweils in einem Massenmarkt, der unter hohem Preis- und Margendruck steht. Das kostengünstige Google-Betriebssystem ist daher eine zwangsläufige Alternative zu Windows-Betriebssystemen. Doch der finanzielle Vorteil dürfte nicht der einzige Beweggrund sein.
Die Netbooks integrieren zumeist energieeffiziente, aber leistungsschwache Atom-Prozessoren von Intel, ihr Arbeitsspeicher umfasst in der Regel 1 GB. Mit Windows XP kommen die so ausgestatteten Geräte noch leidlich zurecht, doch das aktuelle Microsoft-Betriebssystem Vista ist ressourcenhungrig und deshalb für Netbooks ungeeignet. Linux-Distributionen wie Ubuntu oder eben Android sind bescheidener in ihren Ansprüchen an die Hardware und daher echte Alternativen, zumal sie auch in Sachen Anwenderoberfläche überzeugen. " Android sieht viel versprechend aus", loben die Redakteure der "PC World". "Das Betriebssystem ist intuitiv und leicht zu bedienen. Das hat das G1 von T-Mobile gezeigt." Spannend bleibt, ob es den Herstellern gelingt, Androids Vorteile vom Handy auf Tablet-PCs und Netbooks zu transferieren.
Microsoft-CEO Ballmer: "Android ist keine Bedrohung"
Voller Interesse beobachten auch die Marktforscher von Ovum die Entwicklung im Hardwaregeschäft. "Im Lauf dieses Jahres wird eine neue Netbook-Generation mit deutlich günstigeren Geräten auf den Markt kommen", erwartet Laurent Lachal, Research Director mit Spezialgebiet Open Source bei Ovum. "Mit Preisen von 200 Euro und weniger werden sie nur halb so viel kosten wie die aktuellen Netbooks." Das ist das ideale Umfeld, in dem Android gedeihen kann. Das Betriebssystem, das für Smartphones vorgesehen ist, hat nach Einschätzung von Lachal das Potenzial, sich als weit verbreitete Plattform zu etablieren.
Auch im Handy-Markt könnte Android in der nächsten Zeit erhebliche Anteile gewinnen. Im November 2008 noch tönte Steve Ballmer, CEO von Microsoft, Android stelle keine Gefahr für Windows Mobile dar. Google werde es nicht gelingen, die Telefonhersteller von einem quelloffenen und kostenlosen Betriebssystem zu überzeugen. Sie würden sich sträuben, Google-Applikationen kostenlos zu installieren. Doch da könnte sich Ballmer täuschen.
Bislang gibt es nur das G1 von T-Mobile mit Google-Betriebssystem. Demnächst soll das G2 unter der Bezeichnung Vodafone Magic folgen. Gefertigt wird es ebenfalls von HTC. Der taiwanische Anbieter hat darüber hinaus weitere Geräte in Planung. Zudem arbeiten namhafte Hersteller an Mobilfunktelefonen mit quelloffener Software. Dazu zählen etwa Motorola, Samsung, LG Electronic, Huawei und Toshiba. Selbst Sony Ericsson plant Gerüchten zufolge ein Google-Handy.
"Android ist das Windows der Zukunft", lobte Reinhard Clemens, Geschäftsführer des IT-Dienstleister T-Systems, die Software auf einer CeBIT-Konferenz. Große Hoffnungen setzt die Telekom-Tochter in den Bedarf der Geschäftskunden nach mobilen Applikationen, zumal die dafür erforderliche Bandbreite zur Verfügung steht. Doch der Aufwand, die Anwendungen an jedes Handy und Betriebssystem anzupassen, wurmt den Anbieter offenbar. Hier könnte Google helfen, denn "Android entkoppelt die Software vom Gerät ", erwärmte sich Clemens für das alternative Betriebssystem. Zudem bemängelte er den hohen Energieverbrauch der Windows-Mobile-Geräte.
Trotz aller Argumente, die für den Wechsel von Microsoft zu den Open-Source-Alternativen sprechen, entwickelt T-Systems derzeit jedoch mobile Geschäftsapplikationen fast ausschließlich auf Basis von Windows-Betriebssystemen. Noch kann sich der Anbieter nicht der Marktmacht Microsofts entziehen: Das meistinstallierte Betriebssystem über alle Hardwareplattformen hinweg kommt auch auf absehbare Zeit von Microsoft.