Mobile BI

Allzeit gescheit - Geschäftswissen wird mobil

10.10.2012 von Manfred Bremmer
Die Zeiten, in denen wichtige Entscheidungen nur in den Büros von Vorständen und Abteilungsleitern getroffen werden, gehen zu Ende. Die BI-Spezialisten, aber auch kleinere Nischen-Player bringen mobile Lösungen für jedermann.
Nach Anlaufzeit hat Mobile BI inzwischen deutlich an Relevanz gewonnen.
Foto: Reno Martin/Shutterstock

Angesichts einer Arbeitswelt, die zunehmend mobil wird, ist es nicht überraschend, dass auch die für wichtige Geschäftsentscheidungen nötigen Informationen überall verfügbar sein müssen - und das in möglichst gut konsumierbarer Form. Als Lösung setzen inzwischen mehr und mehr Unternehmen auf eine Mobile-BI-Lösung. Diese ermöglicht es ihnen, aufbereitete Informationen über Visualisierungs-Tools wie Dashboards, Tabellen und Grafiken auf ihren mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets, Notebooks) abzurufen.

Hohe Erwartungshaltung

Wie die Marktforscher der Aberdeen Group in einer aktuellen Umfrage ermittelt haben, ist die Erwartungshaltung der Unternehmen, was Mobile BI betrifft, sehr hoch: Knapp die Hälfte (46 Prozent) der Studienteilnehmer begründete die Einführung einer entsprechenden Lösung damit, dass der mobile Zugriff auf Geschäftsinformationen ihrem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bringen werde. Gleichzeitig gaben 39 Prozent an, sie reagierten auf Bedürfnisse ihrer mobilen Mitarbeiter, die produktiver werden wollten. 22 Prozent erhoffen sich kürzere Reaktionszeiten, um auf den gestiegenen Wettbewerbsdruck reagieren zu können. Last, but not least begründeten immerhin 17 Prozent den Bedarf an einer mobilen BI-Lösung damit, dass sie das Problem beseitigen möchten, die richtigen Entscheidungsträger rechtzeitig auf kritische Informationen oder Situationen hinweisen zu können.

Kürzere Reaktionszeit benötigt

Glaubt man den von Aberdeen bereitgestellten Informationen, sind die Erwartungen nicht unbegründet. So benötigen die von den Marktforschern befragten Mobile-BI-Anwender im Schnitt nur 66 Stunden, um nach einem wichtigen Geschäftsereignis Entscheidungen zu treffen (Time-to-decision). Sie können damit in der Praxis drei Mal so schnell reagieren wie Unternehmen ohne mobilen Zugriff auf Geschäftsinformationen (190 Stunden). Außerdem gelang es ihnen, die Kundenzufriedenheit gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent steigern - das sind 70 Prozent mehr als die Vergleichsgruppe ohne mobile BI-Lösung.

Laut Aberdeen gibt es aber auch innerhalb der Gruppe der Mobile-BI-Nutzer erhebliche Unterschiede: So kommen die sogenannten Leader im Schnitt bereits in sechs Stunden nach einem Ereignis zu einer Entscheidung, während bei den "Followern" im Mittel volle vier Tage vergehen. Die Mitarbeiter der Technologieführer schaffen es außerdem in 85 Prozent der Fälle, innerhalb der erforderlichen Zeit die gewünschten Informationen auf ihren mobilen Endgeräten zu finden. Im Gegensatz dazu beträgt der Durchschnittswert bei den Followern nur 77 Prozent.

Durchbruch dank Tablets

"Mobile BI ist ein Hype-Thema", meint Matthias Klocke, Senior Consultant beim IT-Beratungsunternehmen Lynx. Seit dem Siegeszug der Tablets im Business seien die Anforderungen auf Management-Ebene gewachsen, unterwegs Zahlen bereitzustellen, die nicht nur hübsch aufbereitet sind, sondern auch eine gute Grundlage für wichtige Entscheidungen darstellen. Das Thema beschränkt sich Klocke zufolge aber nicht ausschließlich auf Tablets. Auch mit einem Smartphone ist es bei guter Aufbereitung möglich, über die Navigation bis an die Kundeninformationen zu gelangen.

Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Centers (Barc), bestätigt, dass Mobile BI als absolut relevantes Thema auf der Agenda vieler Anwenderunternehmen steht. Ihm zufolge enthielten in den vergangenen zwölf Monaten mehr als die Hälfte aller neuen BI-Projekte eine Mobile-Komponente. Damit nicht genug, hätten im vergangenen BI Survey von Barc 20 Prozent der befragten Anwenderfirmen - insgesamt immerhin 2500 Unternehmen - erklärt, dass sie Mobile BI bereits einsetzten.

"Mobile BI steht als absolut wichtiges Thema auf der Agenda vieler Unternehmen." Carsten Bange, Barc
Foto: BARC

Auch wenn das Interesse an Mobile BI inzwischen spürbar ist, hat es relativ lang bis zum Durchbruch gedauert. Die erste Welle an mobilen Lösungen sei bereits vor zirka fünf Jahren gestartet, erinnert sich Bange. Im Gegensatz zu heute seien die BI-Hersteller aber damals noch nicht sehr weit gewesen. Das sei allerdings auch kein Beinbruch gewesen, so der Barc-Chef, da die Nachfrage nach den Produkten ebenfalls nicht sonderlich stark gewesen sei. Letztendlich habe erst die Verbreitung von Tablets, insbesondere des Apple iPad, ganz entscheidend zum Durchbruch von Mobile BI beigetragen.

Wer sich heute nach einer Lösung umsieht, um Reports und Analyseergebnisse auf mobile Endgeräte zu bringen, findet ein stattliches Angebot vor. Wie Lynx-Mann Klocke ausführt, wächst der Markt nach wie vor. Dabei gibt es verschiedene Anbieter mit jeweils individuellen Ansätzen, wie auf Daten zugegriffen wird - etwa via spezieller Middleware oder die direkte Anbindung über Konnektoren zu den Business-Software-Suites. Auch auf der Client-Seite ist Mobile BI ein Thema mit Variationen - hier finden sich native Anwendungen, etwa für Android und Apple, hybride Apps mit einem HTML-5-Container sowie Web-Apps, die im Browser aufgerufen werden.

Lösungen mit hohem Reifegrad

Der Reifegrad sei inzwischen recht hoch, viele Lösungen seien einsetzbar und würden auch von Kunden genutzt, befindet Lynx-Manager Klocke: "Hier hat gegenüber früher ein deutlicher Wandel stattgefunden. Noch vor wenigen Jahren war Mobile BI häufig nur ein zusätzliches Feature im Angebots-portfolio der BI-Hersteller, um zu demonstrieren: Ja, das können wir auch!"

Dennoch ist es auch heute richtig, schon bei der Planung einer BI-Lösung eine Mobile-Komponente zu berücksichtigen. Dabei sollten idealerweise Details wie die unterstützten Betriebssysteme oder die Content-Aufbereitung insgesamt feststehen. So weist Bange darauf hin, dass die Hoffnung, mit HTML5 in einem Zug viele Geräteformen und Plattformen bedienen zu können, leider noch nicht voll erfüllt werde. "Native Apps haben ein besseres User Interface, gerade bei Apple. Die Angebote sind besser als bei HTML5Clients", lautet sein Urteil. Gerade im Vergleich zu Lösungen, die über den Browser aufgerufen werden, stellten solche maßgeschneiderten Anwendungen einen großen Schritt dar. "Das kann man nicht vergleichen, das ist ein Unterschied zwischen Tag und Nacht", befindet der Barc-Geschäftsführer. Wenn es zum Schwur beziehungsweise zur Ausschreibung komme, gewännen daher meistens die Anbieter mit einer nativen App den Zuschlag. Hinzu komme, dass auch HTML-5-Apps angepasst werden müssten.

Kleine Anbieter als Alternative

Auch wenn heute praktisch alle BI-Anbieter vorbereitet sind, ist es nicht automatisch der Fall, dass ein Unternehmen die zum installierten BI-System passende mobile Komponente dazukauft. Gründe dafür gibt es viele. So agierten große Softwareanbieter generell eher langsam, was etwa die Unterstützung von iPad-Alternativen wie der Android-Plattform angeht, erklärt Bange. Bestimmte Funktionen fehlten mobil, und auch sonst gebe es gewisse Defizite.

Einer der kleineren Anbieter, der es vortrefflich versteht, aus den Schwächen der Großen im Mobile-BI-Umfeld Kapital zu schlagen, ist MeLLmo, besser bekannt unter dem Produktnamen Roambi (Analytics). Mit der Lösung können Unternehmen Business-Reports und andere Geschäftsinformationen in Dashboards für mobile Endgeräte integrieren, um sie Mitarbeitern, Partnern und Kunden dann unterwegs bereitzustellen. Als wichtiger Erfolgsfaktor legt das 2008 gegründete Unternehmen dabei besonderen Wert auf die mobil aufbereitete Darstellung der Informationen, die Performance und die intuitive Nutzung der App - zu diesem Zweck stammt rund ein Drittel der über 100 Entwickler bei MeLLmo aus der Spieleindustrie, ein weiteres Drittel kommt von Mobile-Firmen wie Apple oder RIM und der Rest von klassischen IT-Unternehmen wie Microsoft, SAP oder Oracle.

Datenagnostische Lösung

"Noch vor wenigen Jahren war Mobile-BI häufig nur ein weiteres Feature in der Liste der Anbieter." Matthias Klocke, Lynx Consulting
Foto: Lynx Consulting

Nicht weniger wichtig ist der Umstand, dass Roambi über einen eigenen Server als Middleware auf praktisch alle gängigen Backend-Applikationen zugreifen kann, etwa SAP Crystal Reports, SAP Business Objects Webi, IBM Cognos, SPSS, SAS, Microsoft Reporting Services, Microsoft Analysis Services, Microsoft SharePoint, Oracle Essbase, Oracle Hyperion und Salesforce. Roambi beschränkt sich dabei auf die Präsentationsebene und überlässt die Datenhaltung den klassischen BI-, Datenbank- und CRM-Herstellern. "Lösungen wie Roambi können Content von vielen BI-Anbietern lesen - dies ist bei vielen Anwendern ein brennendes Thema, gerade in großen Unternehmen", bestätigt Barc-Chef Bange. Viele Firmen beschäftigten sich mit der Fragestellung, wie sie Daten aus verschiedenen BI-Systemen einbauen. Er verweist auf einen Fall, wo ein Unternehmen zwölf bis 18 Monate nach der Einführung einer neuen Mobile-BI-Lösung Roambi gekauft hatte, da die Anwender vom Standard enttäuscht waren. "Ein Alternativ-Investment in ein paralleles Mobile-BI-System ist normalerweise strategischer Wahnsinn", erklärt der BI-Experte. Der Fall demonstriere aber, wie stark das Thema dränge.

Roambi Visualizer
Foto: MeLLmo

Wegen der Anforderungen der Anwender im Mobile-Bereich beziehungsweise der Defizite der BI-Platzhirsche auf diesem Gebiet schlagen sich Roambi/MeLLmo und eine Reihe anderer kleiner Anbieter, beispielsweise Arcplan, Cubeware, Arcplan, Microstrategy, Tableau Software oder QlikView, aktuell sehr erfolgreich im Markt. Bange ist daher zuversichtlich, dass es selbst im Falle einer Konjunkturflaute kaum zu einer Konsolidierung im Mobile-BI-Sektor kommen wird. Zunächst, so der Marktexperte, gebe es gar nicht so viele Spezialanbieter. Diese seien außerdem durch die großen Player nur wenig bedroht - eher im Gegenteil: Ausgehend von ihrer starken Position im boomenden Mobile-Bereich könnten sie sich relativ schnell breiter aufstellen und so zu direkten Wettbewerbern werden.

Clients werden intelligenter

Was die generelle technische Weiterentwicklung im Mobile-BI-Umfeld betrifft, erwartet der Marktexperte unter anderem, dass in Zukunft auch intelligente Mobile-BI-Lösungen entstehen. So könnte man etwa die Konfiguration des Dashboards auf den mobilen Client legen. Denkbar ist auch, dass die Analysefunktion verstärkt wird - statt einer reinen Wiedergabe können Anwender dann auch direkt via Anfrage Analysen initiieren.

Damit verbunden, werden allerdings die Performance-Anforderungen höher als bisher - dies gilt nicht nur für das als mobiler Client genutzte Smartphone oder Tablet, sondern auch für das Backend. In diesem Zusammenhang verweist Bange auf das Projekt eines nicht näher bezeichneten Dax-Konzerns. Dieser habe die Infrastruktur seines Data Warehouse extra angepasst, um den Anforderungen der eingesetzen Mobile-BI-Lösung hinsichtlich der Bandbreite gerecht zu werden. Die Unternehmen müssen darauf achten, dass die Performance von BI-Lösungen weniger ein Thema wird, erklärt Bange.

Chance für die IT-Abteilung

Auch aus einem anderen Grund sollte die IT-Abteilung das Thema im Auge behalten und nicht den Fachabteilungen überlassen, greift der Barc-Chef eine aktuelle Diskussion in der Anwenderlandschaft auf: Mobile BI und BI überhaupt seien eine große Chance für die IT-Abteilung - sie können sich mit einem neuen innovativen Thema einbringen, ihre Reputation wiedergewinnen und die IT weg von den Fachbereichen wieder ins eigene Feld bringen.