EDS-Geschäftsführer Jens-Uwe Holz

"Alle Anzeichen deuten auf Wachstum"

08.04.2008 von Joachim Hackmann und Heinrich Vaske
EDS hat sich nach einer schweren Krise wieder als zuverlässiger IT-Dienstleister etabliert. Mit Jens-Uwe Holz, Vorsitzender der Geschäftsführung der EDS Deutschland GmbH in Düsseldorf, sprachen CW-Redakteure Heinrich Vaske und Joachim Hackmann.

CW: EDS hat kürzlich ein großes Outsourcing-Abkommen mit Shell über den Betrieb der Desktops in Europa, den USA und Asien abgeschlossen. Den Geschäftszweig für den Vor-Ort-Service hat EDS in Europa Ende 2006 jedoch an A&O verkauft. War die Veräußerung voreilig?

Holz: Nein. Nicht alle Services, die wir verantworten, müssen wir auch selbst betreiben. Für einzelne Aufgaben nehmen wir Sublieferanten ins Boot. Aufgabe von EDS im Rahmen des Shell-Abkommens ist das Management der dezentralen IT-Infrastruktur. Dazu zählt beispielsweise die Aktualisierung der Software, Anwenderunterstützung, die Datensicherung sowie der Schutz mobiler Informationen und die Betreuung der Messaging-Infrastruktur für 150.000 Benutzer in über 100 Ländern. EDS unterhält ein weltweites Netz an Produktionsstätten für IT-Dienstleistungen. Die Services müssen nicht dort erbracht werden, wo sie genutzt werden.

CW: Der Jahresabschluss 2007 von EDS hat die Analysten enttäuscht. Der Konzern begründete das schwache Ergebnis und den zurückhaltenden Ausblick mit einem umfangreichen Stellenabbau und der wachsenden Konkurrenz aus Niedriglohnländern. Wie stark ist Deutschland von der Restrukturierung betroffen?

Jens-Uwe Holz, Geschäftsführer EDS Deutschland: Services müssen nicht dort erbracht werden, wo sie genutzt werden.

Holz: Wir haben durch große Outsourcing-Aufträge mit Vodafone und Arcandor (Anm. der Redaktion: vormals Karstadt-Quelle) viele Mitarbeiter hinzugewonnen. Es gibt keine Pläne, Stellen zu streichen. Im Gegenteil: Wir suchen Fachkräfte in Deutschland. Richtig ist aber auch, das EDS in Niedriglohnländer investiert. Wir haben mittlerweile sehr große Dependancen in Indien und anderen Niedriglohnländern. Das ist aber nicht allein eine Frage der Lohnkostenarbitrage, sondern auch der Kapazität und vor allem der Qualität. Wir werden weiter im Rahmen unseres Bestshore-Modells dort Mitarbeiter einstellen, wo es unter wirtschaftlichen und qualitativen Aspekten am sinnvollsten ist. Die Organisation ist mehr und mehr an den Wünschen der Kunden ausgerichtet. Wir haben weltweite Kompetenzteams in vielen Branchen aufgebaut, die unabhängig von den Länderorganisationen arbeiten. Es ist heute nicht mehr wichtig, wo das Know-how beheimatet ist, sondern wo es zur Verfügung steht. In vielen Projekten arbeiten virtuelle Teams länderübergreifend zusammen.

CW: Das Bestshore-Modell lässt assoziieren, dass jeweils die passenden Ressourcen herangezogen werden. Können das auch die im weltweiten Vergleich teuren Retail-Experten von EDS Itellium sein, die Sie im Zuge des Outsourcing-Abkommens mit Arcandor übernommen haben?

Holz: Ja, und das ist auch schon gängige Praxis. Mit fortschreitender Integration werden die Kollegen immer häufiger in internationale Projekte eingebunden. Und mit der Integration meine ich nicht nur die organisatorische, sondern auch die persönliche Einbindung. Die Vernetzung der Mitarbeiter im Konzern wächst Schritt für Schritt. Die Hinzugekommenen dringen tiefer in die EDS-Organisation ein und bauen damit neben der Harmonisierung mit den EDS-Prozessen auch Schritt für Schritt ein persönliches Netzwerk auf. Wir haben mit der Itellium-Übernahme einen deutlichen Zuwachs an Prozesswissen gewonnen und können nun die "IT-Handelssprache" mit potenziellen Kunden noch besser sprechen. Sie erleben kompetente Mitarbeiter und haben dadurch Vertrauen in unsere Leistungsfähigkeit und darin, dass wir beste Qualität liefern. EDS Itellium öffnet uns Türen, auch weltweit mit marktgerechten Gehältern.

CW: Der Geschäftsverlauf von EDS Deutschland wurde zuletzt durch Großprojekte bestimmt. Dadurch ist es ruhig um das Mittelstandssegment geworden. Wie hat es sich zuletzt entwickelt?

Holz: Die EDS Midmarket Solutions wächst. Wir haben mit dieser Organisation eine gute Plattform, mit der wir den Mittelstand ansprechen. Schwerpunkte sind ERP-Lösungen und Händlersysteme für die Automobilbranche. Die Nachfrage ist so gut, dass wir auch hier ein Ressourcenproblem haben und unseren Mitarbeiterstamm ausbauen.

CW: Die Midmarket Solutions passt nicht so richtig zur EDS-Strategie, die auf Betriebsdienste für große Unternehmen ausgelegt ist. Ist das Mittelstandgeschäft strategisch?

Midmarkt Solutions

Holz: Ja. Die Midmarket Solutions passt aufgrund der konsequenten Ausrichtung auf Applikationen sehr gut in unser Portfolio. Unsere internen Abläufe sind darauf ausgerichtet, Services standardisiert und automatisiert zu betreiben. Diese EDS-Attribute sind vor allem für große Unternehmen interessant. Es gibt keine scharfe Grenze, die wir hinsichtlich der Kundengröße ziehen. Aber Anwender mit 500 bis 1000 Mitarbeitern haben eingeschränkten IT-Bedarf, den wir mit unseren Automatisierungs-Tools wegen der nötigen Skaleneffekte häufig nicht effizient genug abbilden können.

CW: Wie ist denn das Geschäft im Mittelstand im vergangenen Jahr gelaufen?

Holz: Zahlen können wir nicht nennen. Der Umsatz hat sich in ähnlicher Größenordnung wie im Großkundengeschäft entwickelt. Und der Trend hält an.

CW: Wächst EDS in Deutschland zweistellig?

Holz: Dafür müssten sich einige positive Entwicklungen einstellen.

CW: Gibt es bei EDS eine Methode zur Integration übernommener Mitarbeiter? Wie hoch war die Fluktuation in den jüngsten Deals?

Jens-Uwe Holz, Geschäftsführer EDS Deutschland: Die Midmarket Solutions passt aufgrund der konsequenten Ausrichtung auf Applikationen sehr gut in unser Portfolio.
Foto: EDS

Holz: Die Fluktuation war im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Natürlich gibt es methodische Verfahren etwa in rechtlichen und personellen Fragen. Sehr intensiv kümmern wir uns darum, den Mitarbeitern Orientierung zu geben. Es geht ja nicht nur darum, die Mitarbeiter zu halten, sondern sie dafür zu gewinnen, die Entwicklung mitzugestalten. Nach einer Übernahme gibt es viele offene Fragen. Etwa: Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? Warum sind Abläufe so, wie sie sind? Nicht alle Fragen lassen sich sofort beantworten. Deshalb sind Transparenz und ein offener Dialog wichtig.

CW: Ist die EDS-Itellium GmbH dafür die richtige Basis? Immerhin stehen die Mitarbeiter zwischen EDS und Arcandor und gehören weder zum einen noch zum anderen Unternehmen.

Holz: Das ist keine Frage des gesellschaftsrechtlichen Modells, wenn gleich wir 74,9 Prozent der Anteile an EDS Itellium haben. Wichtig ist, dass sich den Mitarbeitern neue Perspektiven eröffnen. Sie können neue Themen erschließen, etwa durch Weiterbildung und Einsatz in neuen Anwenderunternehmen und Projekten. Dadurch entsteht für jeden Einzelnen ein Mehrwert. Über die Retail-Community innerhalb von EDS haben beispielsweise EDS Itellium-Mitarbeiter einen breiten Marktzugang.

CW: In der Vergangenheit hat EDS vor allem mit Infrastrukturanbietern wie Cisco, Sun und EMC kooperiert. Jüngst wurde ein vergleichbares Abkommen mit SAP abgeschlossen. Was ist das Ziel?

Holz: Unser Prozesswissen mit der Funktionsvielfalt und der Leistungsfähigkeit der SAP-Produkte zu verknüpfen ist eine enorme Chance auch für unsere Kunden. In komplexen Projekten können Spezialisten von beiden Seiten in einem Team arbeiten, um etwa Möglichkeiten von einzelnen SAP-Modulen auszureizen. Die Partnerschaft systematisiert auch die Zusammenarbeit mit der SAP-Entwicklungsabteilung, so dass wir uns frühzeitig zu neuen Trends gemeinsam aufstellen können.

CW: Erstreckt sich die Partnerschaft auch auf SAPs geplante Business ByDesign-Suite?

Business Process Outsourcing

Holz: Wir werden uns die Lösung ganz genau ansehen. Sie ist bestimmt ein interessantes Angebot für unsere Mittelstands-Klientel.

CW: Vor nicht allzu langer Zeit hat EDS das Angebot im Business Process Outsourcing (BPO) betont. Um dieses Thema ist es sehr ruhig geworden. Gibt es keine Nachfrage?

Holz: EDS hat einige globale Deals abgeschlossen. BPO ist ein starkes Element in unserem Portfolio. In Deutschland wünsche ich mir mehr Geschäft in diesem Segment. BPO hat hier nicht die Dynamik wie in Spanien und Großbritannien. Das liegt zum einen daran, dass die Regulierung hier komplexer ist. Zum anderen sind die Anwender zurückhaltender.

CW: Das hat man vom IT-Outsourcing auch immer behauptet, trotzdem haben sich Auslagerungsprojekte etabliert.

Holz: BPO wird auch in Deutschland an Fahrt gewinnen.

CW: Vielleicht trauen die Anwender den IT-Dienstleistern nicht zu, die Geschäftsprozesse zu betreiben. Sie wenden sich eher Spezialisten in Nischenmärkten zu.

Jens-Uwe Holz, Geschäftsführer EDS Deutschland: Es gibt keine Pläne, in Deutschland Stellen zu streichen.

Holz: BPO-Projekte finden häufig in Nischenmärkten statt. Dort können sie einen erheblichen Mehrwert bieten. EDS verantwortet im Hinblick auf HR BPO beispielsweise Dokumenten-Transaktionen und Gehaltsabrechnungen.

CW: Wie wird sich das IT-Geschäft im Outsourcing, Application-Management und im Mittelstand entwickeln?

Holz: Mit dem, was wir in Deutschland aufgebaut haben, sind wir gut aufgestellt. Im Application-Management konnten wir - auch abseits der Deals mit Vodafone und Arcandor - wichtige Mitarbeiter gewinnen, so dass wir eine gute Perspektive haben. Wir wollen uns auch künftig gezielt verstärken.

CW: Suchen Sie auch Mitarbeiter im Infrastrukturbereich?

Holz: Ja. In allen Bereichen ist es zurzeit schwierig, geeignete Kräfte zu finden.

CW: Das Mitleid mit den IT-Dienstleistern angesichts des Fachkräftemangels hält sich in Grenzen. Jahrelang haben die Service- und Produktanbieter Stellen abgebaut und Mitarbeiter entlassen und damit das Vertrauen in die Zukunft der Branche zerstört. Da ist es doch logisch, dass die Zahl der Informatikabsolventen rückläufig ist.

Holz: Solche Effekte gibt es nicht nur in der IT-Branche, auch die klassischen Ingenieursfachrichtungen haben das gleiche Problem. Das ist ein immer wiederkehrender Rhythmus. In mageren Jahren bauen die Firmen ab, in guten Jahren klagen sie über Fachkräftemangel. Das ist nicht gut, ist aber so.

CW: Es gibt aber viele IT- und Technik-affine Mitarbeiter. Lassen die sich nicht weiterbilden?

Klagen über Fachkräftemangel

Holz: Die Branche hat in der Vergangenheit sicher zu wenig in die betriebliche Weiterbildung investiert. Das ist eine Möglichkeit, Fachkräfte zu finden.

CW: Bilden Sie aus?

Holz: Wir bilden auch IT-Fachkräfte für den eigenen Bedarf selbst aus. Nicht für alle Aufgaben benötigen wir Hochschulabsolventen. Ich habe in meiner beruflichen Vergangenheit gute Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht. Wichtig ist das Interesse der Mitarbeiter an dem Thema.

CW: Wie sehen Sie die Geschäftsentwicklung in Deutschland. Haben Sie große Deals in Aussicht?

Holz: Ja, aber keine, über die ich öffentlich sprechen möchte. Wir konnten bereits im Retail-Markt Projekte gewinnen. Dabei hat uns unser mit der Itellium-Übernahme gewonnenes Prozesswissen erheblich geholfen. Aber auch außerhalb des Handels sehe ich gute Möglichkeiten. Es entwickeln sich an mehreren Stellen wertvolle Kundenbeziehungen über kleine, strategische Projekte. Die lassen sich in eine langfristige Zusammenarbeit überführen. Hauptmerkmal für eine solche Langfristigkeit ist ganz klar die Qualität.

CW: Welche Art von Deals sind das?

Holz: Das Gewicht liegt eindeutig auf der Application-Management-Seite. Ich würde schätzen, das Verhältnis von Applikations- und Infrastrukturprojekten beläuft sich auf 60 zu 40.

CW: Entwickelt sich nur das Großkundengeschäft gut?

Holz: Nein. Die EDS Midmarket Solutions wächst etwa gleich schnell.

CW: Sie sind demnach zuversichtlich, dass die Konjunktur in Deutschland stabil ist. Oder kommen die Anwender zu Ihnen, wenn die Wirtschaft schwächelt, um Kosten zu sparen?

Holz: Man könnte meinen, dass die Kunden das Application-Management nachfragen, wenn die Konjunktur gut läuft, und das IT-Outsourcing, wenn es ihnen schlecht geht. So ist es aber nicht. Ich glaube an eine stabile Konjunktur. Alle Anzeichen deuten darauf hin. Profiteur des derzeit guten Exportgeschäfts ist unter anderem der Maschinenbau. Und in dem ist EDS traditionell stark verankert.