Cisco-Chef im Interview

"Agilen Arbeitsformen gehört die Zukunft"

02.11.2020 von Hans Königes
Eine aktuelle Studie von Cisco zeigt, was sich Arbeitnehmer in der von Corona geprägten Arbeitswelt wünschen. Cisco-Deutschland-Chef Uwe Peter erläutert die Ergebnisse.
Uwe Peter, Chef von Cisco Deutschland, erläutert im CW-Interview, wie es den Arbeitnehmern während der Covid-19-Pandemie geht und an welchen Stellen Unternehmen investieren sollten.
Foto: Cisco

Corona verändert die Arbeitswelt. Die Reaktionen reichen vom kompletten Umzug ins Homeoffice bis zur vollständigen Rückkehr ins Büro. Eine Studie von Cisco zeigt nun, dass keines der Extreme optimal ist. Was sich Arbeitnehmer stattdessen wünschen, interpretiert Cisco-Deutschland-Chef Uwe Peter im COMPUTERWOCHE-Interview.

"Entscheidend ist unternehmerischer Mut"

Das Infektionsgeschehen bleibt sehr dynamisch und auch die Maßnahmen zur Eindämmung werden kontinuierlich angepasst. Wie sollen Unternehmen damit umgehen?

Uwe Peter: Heute müssen Unternehmen trotz allem Wunsch nach Planbarkeit flexibel bleiben und sich jederzeit an veränderte Situationen anpassen können. Sie sollten sich darauf einstellen, dass die Politik auch in Zukunft immer neue Wellen von Einschränkungen oder Lockerungen beschließt. In diesen volatilen Zeiten müssen Arbeitgeber Wege finden, um ihre Geschäftstätigkeiten dauerhaft aufrecht zu halten, wobei IT eine zentrale Rolle spielt.

Was bedeutet das für den Arbeitsplatz - also Homeoffice oder Büro?

Peter: Die letzten Monate haben gezeigt, dass es keine "One-Size-Fits-All"-Lösung gibt. Nur Heimarbeitsplatz oder alle im Büro wird keiner Situation gerecht. Unternehmen sollten beide Optionen anbieten und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen innerhalb von klugen Leitlinien die Entscheidung überlassen, wo sie an welchem Tag arbeiten wollen. Um das zu ermöglichen, müssen sie natürlich auch die notwendigen Technologien bereit stellen, denn es darf in einem Meeting keine Zweiklassengesellschaft geben. Die Nutzer der Heimarbeitsplätze müssen in der gleichen Qualität wie die Nutzer im Büro an der Konferenz teilnehmen.

Tools für Videokonferenzen gab es auch schon vor Corona. Was sind Weiterentwicklungen?

Peter: Gerade wenn der Großteil der Besprechungen über Video stattfindet, spürt man schnell Ermüdungserscheinungen, sofern diese nur über einen kleinen PC laufen. 71 Prozent der Befragten unserer Studie 'Workforce of the Future' erwarten, dass ihnen ihr Arbeitgeber im Homeoffice eine ähnliche Technologie zur Verfügung stellt wie am Arbeitsplatz. Es ist darum wichtig, dass Unternehmen - dort wo möglich - in großformatige HD Video-Geräte investieren. Wichtig ist die aktive Reduktion von Hintergrundgeräuschen, um auch die akustische Belastung zu reduzieren. Solche Leistungsmerkmale, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor der Ermüdung schützen, machen einen echten Unterschied aus.

Kommt so viel mögliche Autonomie denn auch den Wünschen der Mitarbeiter entgegen?

Peter: Laut unserer Studie wünschen sich in Deutschland 86 Prozent der Beschäftigten mehr Eigenverantwortung bei der Entscheidung, wie und wann sie arbeiten. 64 Prozent der Befragten sagen sogar, dass sie als CEO ihres Unternehmens als erstes eine Homeoffice-Richtlinie erlassen würden. Zudem sehen rund 60 Prozent jeweils deutliche Vorteile in der Möglichkeit zur Arbeit in verteilten Teams, größerer Autonomie sowie schnelleren Entscheidungen.

Arbeitsminister Heil hat kürzlich angekündigt, ein Recht auf Homeoffice zu etablieren. Sind Sie dafür?

Peter: Während der ersten Zeit der Corona-Pandemie haben wir im Schnellgang gelernt, dass Digitalisierung die Resilienz der Wirtschaft massiv stärkt. Mobilem Arbeiten und agilen Arbeitsformen gehört die Zukunft. Entscheidend für den notwendigen Kulturwandel ist jedoch in erster Linie unternehmerischer Mut, um etablierte Arbeitsweisen umzubauen und die eigene Belegschaft mitzunehmen.

"Im Zentrum stehen immer die Mitarbeiter"

Welche Erfahrungen haben Arbeitnehmer laut Ihrer Studie im Homeoffice gemacht, verbessert sich die Work-Life-Balance oder machen sie mehr Überstunden?

Peter: Gemäß der Studie haben seit dem verstärkten Aufkommen von Homeoffice 55 Prozent der Befragten Arbeit und Privatleben besser im Griff. Gleichzeitig sind knapp 60 Prozent wesentlich produktiver. Wir sehen also eine gute Entwicklung und Balance. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass sich immerhin für 45 Prozent der Befragten die Balance von Arbeit und Privatleben nicht verbessert oder sogar verschlechtert hat. Flexibilität in den Arbeitszeiten kann hier natürlich nicht die einzige Lösung sein, aber doch einige Herausforderungen entschärfen.

Wie sieht es im europäischen Vergleich aus, wo stehen die Deutschen?

Peter: In Europa möchten mit 35 Prozent nur etwas mehr Menschen ausschließlich im Homeoffice arbeiten als die 32 Prozent in Deutschland. Ansonsten gibt es keine großen Unterschiede: Europaweit wollen 87 Prozent mehr Eigenverantwortung, 54 Prozent berichten von besserer Work-Life-Balance und 58 Prozent sind im Homeoffice produktiver.

Wollten die Arbeitnehmer schon immer zu Hause arbeiten oder hat erst die Pandemie zu einem Umdenken geführt?

Peter: Wahrscheinlich letzteres. Vor der Krise durfte ein Viertel der Deutschen grundsätzlich zu Hause arbeiten, hat dieses Angebot aber nicht genutzt. Nur sechs Prozent der Befragten arbeiteten damals die meiste Zeit vom Heimarbeitsplatz. Durch den Sprung ins kalte Wasser haben vielen Menschen nun die positiven Aspekte kennen gelernt und vor allem Berührungsängste mit der Technologie abgebaut. Mittlerweile sehen 60 Prozent der Befragten keine größeren Herausforderungen für eine zukünftige hybride Arbeitswelt, da sie sich bereits gut an das neue Arbeiten gewöhnt haben.

Welche Erfahrungen hat Ihr Unternehmen mit der Krise gemacht?

Peter: Tatsächlich fiel uns die Umstellung relativ leicht, da wir schon vor der Pandemie flexible Heimarbeitsplatz-Möglichkeiten bereitgestellt und unseren Mitarbeitern die freie Wahl des Arbeitsplatzes gelassen haben. Wir waren also technisch und kulturell vergleichsweise gut vorbereitet. Das wurde uns auch extern gespiegelt - unter anderem als wir 2019 die Auszeichnung von 'Great Place to Work' als bester Arbeitgeber in Deutschland erhalten haben. Die zugehörige Befragung hat gezeigt, dass unsere Mitarbeiter besonders die große Flexibilität der Arbeitszeit geschätzt hatten.

Wie wird die Arbeitswelt nach Corona aussehen?

Peter: Es wird eine hybride Arbeitswelt werden, bei der Technologie eine immer größere Rolle spielt. Sowohl die Produktivität als auch die Gesundheit der Mitarbeiter wird davon abhängen, wie gut die Heimarbeitsinfrastruktur ausgerüstet ist. Damit wird der Unternehmenserfolg entscheidend von der IT-Ausstattung der Arbeitnehmer abhängen. Um ihnen ein paar Beispiele zu geben: Meetings können bald mit KI aufgesetzt werden. Gesprächsprotokolle, sogar mit automatischer Übersetzung, werden automatisch erzeugt. In unseren HD-Videosystemen für zu Hause und das Büro sind bereits CO2-Sensoren integriert, die Alarm schlagen können, wenn die Luft im Raum einen Grenzwert überschreitet, der zu Müdigkeit führen könnte. Mit Hilfe von Bewegungserkennung lassen sich schon jetzt Warnungen beim Überschreiten von Raumkapazitäten oder beim Abstandhalten einblenden. Wir müssen leider davon ausgehen, dass uns COVID-19 noch eine Weile beschäftigen wird, darum sind solche Technologien ein echter Mehrwert. Aber egal wie wir in Zukunft zusammenarbeiten werden, im Zentrum stehen immer die Mitarbeiter.

Fraunhofer-IAO-Studie: Arbeiten in der Corona-Pandemie

Die "Entgrenzung der Arbeit" findet statt, aber nur im kleinen Rahmen. Die meisten Menschen arbeiten so wie immer.

Viele skeptische Führungskräfte haben ihre Meinung im Laufe der Krise revidiert. Allerdings müssen sie noch an ihrem Führungsverhalten arbeiten.

Die Betreuungssituation daheim hat einige Mitarbeiter stark beansprucht.

Lehren aus Corona: Das Misstrauen gegenüber dem Homeoffice ist gesunken. Außerdem wollen Unternehmen ihre Dienstreisen reduzieren.

Laptops, VPN-Zugänge, Videokommunikation – die in der Corona-Krise unentbehrlich gewordene technische Ausstattung war meistens schon vorhanden.

Arbeitgeber vertrauen ihren Mitarbeitern

"Workforce of the Future" ist eine von Cisco in Auftrag gegebene Studie unter 10.095 Teilnehmern in zwölf Ländern in Europa, dem Nahen Osten und Russland. Aus Deutschland kamen 1001 Teilnehmer. Befragt wurden Angestellte im Büro nach ihren Erfahrungen der letzten Monate und Erwartungen an Arbeitgeber ab 2021. Demnach durfte vor der Krise ein Viertel der Deutschen grundsätzlich von zu Hause arbeiten, ohne dieses Angebot zu nutzen.

Auch wenn nur sechs Prozent der Befragten die meiste Zeit von zu Hause aus arbeiteten, hofft nun eine klare Mehrheit (58 Prozent) auf die Beibehaltung dieser Möglichkeit. Dabei wünschen sich 86 Prozent mehr Eigenverantwortung bei der Festlegung, wie und wann sie die Büroräume nutzen. Im Laufe der letzten sechs Monate haben 61 Prozent der deutschen Arbeitnehmer die Vorteile und Herausforderungen bei der Arbeit von zu Hause aus besser kennengelernt. Die größten Vorteile sehen sie in der Möglichkeit zur Arbeit in verteilten Teams (61 Prozent), größerer Autonomie (60 Prozent) sowie schnelleren Entscheidungen (58 Prozent). Nur acht Prozent der Befragten fühlten sich nach dem Wechsel ins Homeoffice stärker kontrolliert. Rückblickend sagen 81 Prozent, ihr Arbeitgeber vertraut ihnen seit Beginn der Heimarbeit mehr oder gleichbleibend, dass sie auch dort ihren Job gut machen.

Für eine effektive Kommunikation und Kollaboration im Homeoffice sind 71 Prozent der Mitarbeiter der Ansicht, dass das Unternehmen ihnen zu Hause eine ähnliche Technologie wie im Büro zur Verfügung stellen sollte. 65 Prozent der Befragten glauben nun, dass sich Mitarbeiter nicht im selben Raum aufhalten müssen, um effektiv zusammenzuarbeiten. So sollen Unternehmen 2021 in Technologien investieren, die zur Arbeit an entfernten Standorten erforderlich sind und das Büro aus gesundheitlicher Sicht sicherer machen. Zudem sind 69 Prozent der Meinung, dass mehr Wissen über Technologie und digitale Fertigkeiten für den Geschäftserfolg im Jahr 2021 grundlegend sein werden.