Weiterbildung

Lernen via Zoom ist keine Digitalisierung

10.09.2020
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Corona hat dem Thema Weiterbildung einen ordentlichen Weckruf verpasst – mit dem klassischen Präsenzunterricht ist es vorbei. Mit alten Schulungsunterlagen via Zoom zu lernen ist allerdings auch keine Lösung.
Alte Unterlagen plus Videokonferenzlösung gleich Digitalisierung? Weit gefehlt. E-Learning- und Weiterbildungskonzepte müssen neu gedacht werden.
Alte Unterlagen plus Videokonferenzlösung gleich Digitalisierung? Weit gefehlt. E-Learning- und Weiterbildungskonzepte müssen neu gedacht werden.
Foto: Girts Ragelis - shutterstock.com

"In der Krise wird zuerst die Weiterbildung zusammengestrichen und dann die Innovation", lautet die nüchterne Beobachtung von Hans Jörg Stotz, Vorstandsmitglied bei Festo Didactic, anlässlich einer Online-Konferenz zum Thema Arbeit 4.0. Stotz' Bilanz fällt durchwachsen aus, wenn es um das Thema Bildung heute geht. "Corona hat uns vor Augen geführt, in welchem Zustand wir sind." Präsenzunterricht oder stundenlange E-Learning-Einheiten, die dann mit ein paar Fragen zum Inhalt abschließen, seien nicht mehr zeitgemäß, das gleiche gelte für die didaktischen Konzepte. Nach wie vor sei der Unterricht - unabhängig davon, ob er an Schulen, Hochschulen oder im Betrieb stattfindet, viel zu stark Lehrer-/Dozenten-zentriert. Die Interaktion und der Austausch, die so wichtig geworden sind, finden kaum statt.

Immerhin gebe es ein Aufwachen und er beobachtet, dass einige Konzepte jetzt stärker umgesetzt werden. Darunter videobasierte Kurse mit kleinen Lerneinheiten, die über mobile Endgeräte abrufbar sind, projektorientiertes Lernen oder an Computerspiele angelehnte Wissensvermittlung - sogenannte Gamification. In der beruflichen Ausbildung überarbeite man konsequent die Berufsprofile, an den Hochschulen wünscht sich Stotz allerdings ein stärkeres fächerübergreifendes Lehren und Lernen. Auf jeden Fall werde das Trainingsgeschäft nicht mehr in den "normalen", früheren Zustand zurückkehren. Hybride Kurse ersetzen Präsenzveranstaltungen, die entfallenen Reisezeiten können für die Wissensvermittlung genutzt werden.

Lernen ist keine Konserve

Wenn der Festo-Manager von Bildung 4.0 spricht, dann meint er Echtzeitlernen und über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Das basiere auf Neugierde und Experimentierfreude und bedeute "permanent mit anderen Technologien und Situationen klarzukommen". Aus der Softwareentwicklung weiß Stotz, dass sich Innovationsprozesse exponentiell beschleunigen, sodass die Beteiligten ständig mit neuen Themen konfrontiert sind. Heißt weiter, dass Lernen "nicht wie eine Konserve zu betrachten ist, die ewig hält", sondern, dass Arbeitgeber die Weiterbildung entlang der Innovationsprozesse organisieren müssen. Nach Stotz Credo lassen sich "Innovation und Lernen nicht getrennt voneinander betrachten". Lernen 4.0 bedeutet für ihn einen anderen Blick auf die Weiterbildung als Teil des Innovationsprozesses.

Hans Jörg Stotz, festo Vorstandsmitglied, zieht eine erste Bilanz der Krise in Sachen Weiterbildung und Lernen: "Corona hat uns vor Augen geführt, in welchem Zustand wir sind. Lernen ist keine Konserve, die ewig hält."
Hans Jörg Stotz, festo Vorstandsmitglied, zieht eine erste Bilanz der Krise in Sachen Weiterbildung und Lernen: "Corona hat uns vor Augen geführt, in welchem Zustand wir sind. Lernen ist keine Konserve, die ewig hält."
Foto: © Festo Didactic SE, all rights reserved.

So bleibt jetzt die immer wiederkehrende Frage, in wessen Verantwortung das Lernen fällt. Auf der einen Seite sind die Mitarbeiter (auf)gefordert, sich mit den neuen Themen und veränderten Anforderungen im Job aktiv auseinanderzusetzen. Umgekehrt ist es Aufgabe des Arbeitgebers eine Lernkultur und -infrastruktur zu schaffen, die "Lernen als normales Investment" sieht.

Das Management müsse dem Lernen eine sehr hohe Priorität einräumen und nicht "ständig zwischen Weiterbildung und Produktivität abwägen." Die Chefs sollten wissen, wohin die Firma hinwolle, danach die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter analysieren, um sie richtig weiterzubilden und einzusetzen. Lernkultur bedeutet für den Festo-Bildungsprofi auch, den Mitarbeitern zu erlauben, sich in einer Kaffeeecke eine halbe Stunde vor Feierabend über Technologietrends auszutauschen. "Und warum nicht das Ganze mit einer Pizza und einem Kasten Bier zu sponsern?"

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Am 23. September stellt Marco Henn, Hauptgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse, eine Studie vor, die sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesundheit der Mitarbeiter beschäftigt. Dies sei vorweg gesagt: Henn fordert von den Arbeitgebern, dass sie sich stärker um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter kümmern sollten, dies sei Ausdruck von Wertschätzung und Anerkennung.