Ältere Mitarbeiter brauchen neue Aufgaben

02.05.2006 von Ina Hönicke
Noch haben ältere Computerprofis schlechte Karten, wenn es um die Suche nach einem neuen Job geht. Experten sind sich aber einig, dass einem gesunden Mix aus Alt und Jung die Zukunft gehört.

Bisher befassen sich vor allem Talkshows oder Bestseller-Autoren mit dem Thema "Deutschland altert". Die Personal-Manager der großen Unternehmen scheinen sich mit der demografischen Entwicklung und den Folgen für ihre Personalpolitik noch nicht auseinander gesetzt zu haben. Das mag auch daran liegen, dass die Unternehmen derzeit noch auf genügend Bewerber zurückgreifen können, wie das Zeitarbeitsunternehmen DIS AG in einer Studie über die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf den IT-Arbeitsmarkt festgestellt hat. Für die Zukunft prognostiziert DIS aber einen erheblichen Mangel an Fachkräften, zumal sich nach dem Niedergang der New Economy wieder wesentlich weniger Abiturienten für ein Informatikstudium erwärmen konnten. Gleichzeitig findet man laut DIS immer weniger ältere Mitarbeiter in den Unternehmen.

Hier lesen Sie...

  • was auf den IT-Arbeitsmarkt aufgrund der demografischen Entwicklung zukommt;

  • welche Rolle die älteren IT-Profis künftig spielen;

  • wie wichtig Veränderungsbereitschaft auf allen Seiten ist.

Firmen nutzen Erfahrungsschatz älterer Mitarbeiter kaum

Die OECD hat errechnet, dass hierzulande nicht einmal mehr 40 Prozent der 55- bis 64-Jährigen berufstätig sind. Zum Vergleich: In Schweden oder der Schweiz liegt die Quote deutlich über 60 Prozent. Grundsätzliche Vorurteile wie arbeitsrechtliche Vorbehalte gegenüber älteren Mitarbeitern sind für die deutsche Fehlentwicklung verantwortlich - so die Erfahrung des Zeitarbeitsunternehmens. Christina Mankus, Geschäftsbereichsleiterin der DIS IT: "Das wertvolle Potenzial älterer Beschäftigter, die in der Regel über einen großen Wissens- und Erfahrungsschatz verfügen, liegt in den Unternehmen größtenteils ungenutzt brach."

Christina Mankus, DIS: "Das Potenzial älterer Mitarbeiter liegt in Unternehmen oft ungenutzt."

Zwar sei laut Umfragen das Bewusstsein für die Probleme durchaus vorhanden, der Einsicht indes würden keine Taten folgen. Mankus: "Um hier gegensteuern zu können, müssen sowohl die jüngeren Kollegen als auch das Management ihre prinzipielle Einstellung ändern." Es sei höchste Zeit, dass gerade die IT-Branche mit ihrem vergleichsweise jugendlichen Image sich von lieb gewonnenen, aber irreführenden Leitbildern verabschiedet. Die DIS-Managerin: "Erfolgreiche Teams werden künftig altersgemischte Teams sein. Ältere Mitarbeiter profitieren vom Wissen der Hochschulabgänger, diese im Gegenzug von den Erfahrungen der so genannten DV-Oldies." Den über 40-jährigen IT-Profis empfiehlt die DIS-Managerin, sich entsprechend den Markterfordernissen permanent weiterzubilden. Wenn die Unternehmen die Kosten für die Qualifizierung nicht übernehmen würden, solle man die Kurse eben selbst bezahlen. Mankus: "Diese Investition in die eigene Zukunft kann möglicherweise den Job retten."

In der Tat sind gerade in der schnelllebigen IT-Branche kaum mehr ältere Mitarbeiter anzutreffen. Das Durchschnittsalter der Softwareentwickler liegt im Schnitt knapp über 30 Jahre. Bei Entlassungen trifft es meist jene Computerfachleute, die auf eine lange Firmenzugehörigkeit zurückblicken können. Sie werden immer früher vor die Tür gesetzt.

Kündigungen von Oldies führen zum Image-Verlust

Dieter Frey, Psychologieprofessor: "Es ist doch paradox, dass der Vorwurf, ältere Mitarbeiter seien nicht flexibel, von Managern jenseits der 50 kommt."

Über die angeblichen Gründe für das Ausgrenzen älterer IT-Profis wie Burnout-Syndrom, geistige Unbeweglichkeit oder mangelnde Lernfähigkeit kann der Münchner Sozial- und Wirtschaftspsychologe Dieter Frey nur den Kopf schütteln: "Das sind doch alles Laientheorien." Wenn Führungskräfte ältere Mitarbeiter richtig behandeln würden, seien sie ausreichend motiviert und hätten aufgrund ihrer vielen Erfahrungen zudem den Vorteil, Informationen besser sammeln, verknüpfen und nutzen zu können. Frey: "Die Kündigung von so genannten Oldies führt aber nicht nur zum Know-how-, sie führt auch zum Image-Verlust. Die Unternehmen sollen doch nicht glauben, dass die übrigbleibenden Mitarbeiter nicht sehen, wie mit den Kollegen umgegangen wird - und dass ihnen eventuell Ähnliches blüht." Die Folge sei in vielen Fällen Dienst nach Vorschrift. Über einen Punkt wundert sich der Wirtschaftspsychologe: "Es ist doch paradox, dass der Vorwurf, ältere Beschäftigte seien überfordert oder nicht flexibel genug, fast immer von Topmanagern kommt, die selbst die 50 schon längst überschritten haben. Frey plädiert für gesunde Mischung von Jung und Alt am Arbeitsplatz.

Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Branchenverband Bitkom in Berlin, sieht das Verjüngungsproblem nicht nur in der IT-Welt, sondern auch in anderen Branchen. Diejenigen Profis, die von Anfang an auf höchster Programmierebene entwickeln, seien oft in der Tat früher ausgepowert als ihre Kollegen in der Kundenbetreuung. Pfisterer: "In der Forschung und Entwicklung über Jahre hinweg Topleistungen zu bringen, das schaffen nur sehr kreative Leute."

Finanzielle Abstriche für Ältere?

Stephan Pfisterer, Bitkom: "Ältere Kollegen können das Produkt beim Kunden glaubwürdiger vertreten als jüngere."
Foto: Stephan Pfisterer

Diese Unterscheidung erkennen seiner Meinung nach auch die Unternehmen zunehmend. Dementsprechend würden sie versuchen, erfahrene Mitarbeiter mit Kunden- und Führungsqualitäten zu halten. Der Bitkom-Vertreter: "Ältere IT-Profis können die Produkte beim Kunden glaubwürdiger vertreten als viele ihrer jungen Kollegen." Andererseits würden sich für "DV-Oldies" im Unternehmen selbst neue Möglichkeiten bieten. Sie könnten ihr Wissen beispielsweise als Teamleiter, Coach oder Mentor weitergeben. Pfisterer: "Je nach veränderter Funktion wäre es möglicherweise angebracht, die finanziellen Anforderungen zu überdenken." Von gehaltlichen Abstrichen profitieren seiner Ansicht nach alle: die Unternehmen, weil sie Kosten sparen und interne Kompetenz behalten, die arbeitswilligen älteren Computerfachleute, weil sie länger im Unternehmen bleiben. Pfisterer ist überzeugt, dass viele IT-Profis ab einem gewissen Alter nicht mehr unbedingt im harten Technologiebereich, sondern lieber im Management oder Coaching tätig sein möchten.

Softlab: Jobmodell zeigt Alternativen auf

Zu den Unternehmen, in denen Personalentwicklung schon immer eine große Rolle gespielt hat, gehört das Münchner IT-Dienstleistungsunternehmen Softlab. "Mitarbeiter transportieren das Image unseres Unternehmens", erklärt Michael Schraft, Bereichsleiter Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung. Nach seiner Meinung führt das Älterwerden der Beschäftigten zu keinen großen Problemen, wenn deren Fähigkeiten und Potenzialen während des gesamten Arbeitslebens Rechnung getragen wird. Softlab hat dafür im vergangenen Jahr ein so genanntes Jobmodell installiert: Jeder Mitarbeiter hat bestimmte berufliche Entwicklungsziele, die er im Laufe der Jahre erreichen möchte. Alle Einstellungen, Versetzungen und Beförderungen finden auf Basis dieses Modells statt. Schraft: "Darum sind unseren Kollegen berufliche Alternativszenarien nicht fremd - was für Leute über 45 Jahre von großem Vorteil ist."

Dass die Leistungsspitzen bei den älteren Kollegen anders als bei den jüngeren aussehen, liegt laut Schraft auf der Hand. Um über veränderte Aufgaben zu sprechen und flexibel vorzugehen, müssen Mitarbeiter wie Unternehmen bereit sein, sich zu verändern. Der Münchner Personal-Manager: "Abgesehen vom menschlichen Aspekt ist es auch ein betriebswirtschaftliches Muss, die Älteren produktiv im Unternehmen zu halten. Wir brauchen die heute 50-jährigen Kollegen, um die nächsten zehn Jahre zu überstehen." Schließlich werde der Personalmarkt bei weitem nicht genügend erfahrene und qualifizierte IT-Profis bereitstellen. Schraft: "Quantität ist eben nicht gleich Qualität. Die Topleute in unserer Branche sind nicht so leicht zu einem Wechsel zu bewegen. Risikofreude ist in Zeiten wie diesen nicht angesagt."

Aufgaben verändern sich mit dem Alter

Wie sich die Aufgaben bei Softlab im Alter ändern, erklärt Volker Hermann aus eigener Erfahrung. Der 60-jährige Berater hat mittlerweile eine Reihe seiner bisherigen Aufgaben, darunter auch die Personalverantwortung, abgegeben. Hermann: "Dafür bin ich jetzt, anders als noch vor ein paar Jahren, mehr im direkten Kundengeschäft tätig." Dazu kämen verstärkt interne Sonderaufgaben, für die ein Mitarbeiter mit viel Erfahrung und Unternehmenswissen benötigt werde. Bei der Verlagerung seiner Aufgaben, so Hermann, habe es sich um einen bewussten Prozess gehandelt, der mit den Vorgesetzten diskutiert worden sei. Der Softwareexperte empfiehlt, Mitarbeiter nicht einfach aufs Altenteil abzuschieben, sondern ihren Erfahrungsschatz differenziert zu nutzen. Den Weg, den er und seine nicht mehr so jungen Kollegen bei Softlab gehen, beschreibt Hermann mit einem Wort: "Unspektakulär."