Der Markt für Business-Service-Management

Administrator regelt Datenverkehr

24.09.2008 von Stefan Ueberhorst
Der Markt für die Systemadministration floriert ungebrochen. Die derzeitigen Treiber sind das Business-Service-Management, die Configuration Management Database und in der Folge die Automatisierung von IT-Serviceprozessen.
Foto: Computerwoche

"Wir haben in den vergangenen drei Jahren unser Budget für den IT-Betrieb um 25 Prozent reduziert, ohne Abstriche an den Service-Levels hinzunehmen, allein durch konsequente Standardisierung und Automatisierung", zitiert Forrester Research den IT-Manager eines europäischen Industriebetriebs. Von solchem Erfolg dürften viele Firmen noch träumen, doch auch ihnen bleibt dieser Weg über kurz oder lang nicht erspart.

Das bringt neuen Aufschwung in den Markt für "IT Management Software", wie ihn Forrester nennt, oder für Produkte des "IT Operations Managements", so die Gartner-Bezeichnung. Die Unternehmen stehen nach wie vor unter dem Druck, ihre Kosten für die operative IT zu reduzieren, gleichzeitig erwartet man von der Administration eine hohe Servicequalität. Doch mit herkömmlichen Mitteln sind diese Ziele nicht mehr zu erreichen. Viel versprachen sich Anwender deshalb von den seit einigen Jahren hochgehaltenen Disziplinen IT-Change- und Business-Service-Management (BSM), deren Prozessorientierung und Automatisierungspotenzial den steigenden Anforderungen an den IT-Betrieb gerecht werden sollten.

Die Zahlen geben die Forrester-Berechnungen für Lizenz- und Wartungsumsätze wieder. Die deutliche Steigerung bei HP ist auf die Mercury-Übernahme zurückzuführen.

Hersteller

Umsatz 2006

(in Millionen Dollar)

Marktanteil 2006

(in Prozent)

Umsatz 2007

(in Millionen Dollar)

Marktanteil 2007

(in Prozent)

CA

2011

14

2140

14

BMC Software

1489

11

1615

10

IBM Tivoli

1409

10

1533

10

HP Software

899

6

1402

9

Quest Software

535

4

600

4

Symantec

520

4

569

4

EMC

435

3

516

3

Microsoft

443

3

511

3

ASG

181

1

236

2

Compuware

191

1

201

1

Andere

5920

42

6358

41

Ernüchterung in der Praxis

Mit den Projekten kam allerdings auch die Ernüchterung, weiß Ralf Horstmann vom Aachener Beratungshaus ComConsult zu berichten. Das oft im Helpdesk angesiedelte IT-Change-Management arbeitete mit Ticket-basierenden Systemen, deren Datenstruktur sich nicht für Werkzeuge zur IT-Automation eignen. Das einige Zeit später propagierte Business-Service-Management dient der Visualisierung und Überwachung von IT-Assets im Kontext von Geschäftsprozessen, was letztlich dazu führen sollte, die geschäftskritische Bedeutung einer Komponente zu erkennen, um besser Risiken kalkulieren und Investitionen steuern zu können. Doch solange ein im BSM-Werkzeug dokumentierter Service nicht automatisiert gepflegt werden kann, weil den Change-Informationen die dafür benötigten Formate fehlen, hat man wenig erreicht.

Dieser Ausschnitt aus Gartners Hypecycle for IT-Operations lässt erkennen, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis Business-Service-Management und IT-Automatisierung produktiv eingesetzt werden.
Foto: Gartner

Bislang scheint sich an dieser Situation nicht viel geändert zu haben. Der jüngst von Gartner veröffentlichte "Hype Cycle for IT Operations Management, 2008" positioniert Tools für das Business-Service-Management noch im Bereich des "Gipfels zu hoher Erwartungen", während Produkte für IT-Change-Management auf der Kurve bereits im "Tal der Desillusionierung" gelandet sind. Für beide Gattungen beziffern die Analysten einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, bis sie zur gängigen Praxis des IT-Betriebs gehören.

Katalysator dieser Entwicklung ist die IT Infrastructure Library (Itil), deren Spezifikationen Kernprozesse wie das Configuration- und Change-Management behandeln. Itil fordert eine Configuration Management Database (CMDB) als zentrales Repository, das alle IT-Komponenten, deren umfassende Beschreibungen, Zusammenhänge beziehungsweise Abhängigkeiten auf Basis einheitlicher Datenmodelle erfasst. Die Bedeutung einer CMDB für die BSM-Einführung unterstreicht Forrester-Analyst Peter O´Neill in seiner Prognose: Demnach bewirkt das Repository, dass die Gestaltung von IT-Services, die im Jahr 2005 noch überwiegend "chaotisch" erfolgte, bis 2010 nach und nach die Zustände "reaktiv", "stabil", "proaktiv" bis schließlich "vorausschauend" (predictive) durchläuft.

Mit von der Partie: die CMDB

Der Markt hat bereits reagiert: BMC, Computer Associates, Hewlett-Packard und IBM - die Big Four der System-Management-Branche - führen inzwischen eine CMDB im Portfolio. Das Repository avanciert bei allen zur Datendrehscheibe für ein reichhaltiges Lösungsspektrum, das früher im Rahmen eines Framework-Ansatzes verkauft, dann im Sinn von Stand-alone-Produkten modularisiert wurde und nun wieder bevorzugt als Komplettofferte beworben wird. Letzteres gibt Sinn, da über die CMDB eine Integrationstiefe erreicht werden kann, die viel Platz für Mehrwertanwendungen zulässt.

Forrester hat den Markt für IT-Management-Software analysiert und den Umsatzanteil der einzelnen Produktkategorien am Gesamtvolumen bewertet.
Foto: Forrester Research

Damit ist der Weg frei für den nächsten logischen Schritt: die Einführung von Automationstechniken, sprich Business-Service-Automation oder IT-Industrialisierung. Prominente Beispiele dieser Marschrichtung sind die mit 1,6 Milliarden Dollar nicht gerade billige Opsware-Übernahme durch Hewlett-Packard und die Einkaufstour von BMC, der die Selbständigkeit von Realops und Bladelogic zum Opfer fiel. Doch es geht um mehr als um klassisches "Run Book Automation", für das die Namen der akquirierten Spezialisten stehen. Die Automatisierung von Low-Level-Prozessen ist zwar wichtig, heißt es bei Forrester, viele Unternehmen suchen jedoch nach einem Weg, über den sich der Wildwuchs der vielen, mittlerweile eher kontraproduktiv nebeneinanderstehenden IT-Management-Produkte in den Griff bekommen lässt. Im weitesten Sinn sei IT-Process-Automation als eine Lösung zu verstehen, die Produkte intelligent miteinander verbindet, Daten aggregiert, um dem Benutzer dann automatisch die von ihm benötigten Informationen zu schicken. Was klassische Automation nicht oder nur rudimentär leistet und was Business-Service-Automation bringen soll, fasst Ralf Horstmann von ComConsult so zusammen: Ressourcenverfügbarkeiten und die Zustände paralleler Prozesse sollte eine BSA-Lösung berücksichtigen können, ebenso sollte sie Prozesse in die Lage versetzen, sich gegenseitig zu beeinflussen, wenn dies aus Effizienzgründen notwendig ist.

Trendthemen wie Business-Service-Management und Business-Service-Automation sowie der anhaltende Druck auf den IT-Betrieb, Kosten zu senken, werden das Einkaufsverhalten der Anwender verändern. Auch wenn viele Unternehmen derzeit noch Produkte als schnelle Reaktion auf ein akutes Problem einführen, in Zukunft fällt den IT-Management-Tools eine deutlich strategischere Rolle zu. Dies hat Einfluss auf den Markt, der laut Forrester-Berechnungen in diesem Jahr ein weltweites Gesamtvolumen (Lizenz- und Wartungsumsätze) von 18 Milliarden Dollar aufweisen wird.

Hersteller in drei Lager geteilt

In Bezug auf das derzeitige Herstellerspektrum unterscheiden die Analysten drei Lager. Auf der einen Seite steht das bereits angesprochene Quartett BMC, CA, HP und IBM, das sich im vergangenen Jahr 43 Prozent des Marktes für IT-Management-Software teilte. Jeder der vier verfügt über ein Portfolio, das alle zwölf Disziplinen, die Forrester für den Bereich IT-Management definiert hat, abdeckt. Dem gegenüber gibt es eine Vielzahl kleinerer Anbieter, die sich auf Monitoring-Funktionen etwa für das Netz- oder Server-Management spezialisiert haben. Indem sie auf Open-Source-Technik aufbauen, können sie Lösungen zu einem Bruchteil der Kosten proprietärer Werkzeuge anbieten, was vor allem im Mittelstand, zunehmend aber auch bei Großunternehmen gut ankommt. Gefährlich wird die Situation für diejenigen Anbieter, die sich zwischen diesen beiden Fronten bewegen. Hier handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Firmen, die zum Beispiel aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen ihrer IT-Management-Lösungen oder über eine Nischenorientierung bislang erfolgreich agieren konnten. Die große Herausforderung für diese Hersteller liegt nun darin, sich angesichts der zunehmenden Konkurrenz der beiden anderen Lager auch künftig erfolgreich zu positionieren.

Den weiterhin stark wachsenden Markt für IT-Management-Software werden Forrester zufolge vier Herstellerkategorien prägen. Eine davon sind nach wie vor die als "Megavendors" bezeichneten Big Four, die mit Punktlösungen ebenso wie mit Angeboten für strategisches IT-Management erfolgreich auftreten. Sie zeichnen sich nicht direkt durch Innovationen aus, aber sie bestimmen die Richtung, die der Markt nehmen soll, wie es im Fall von Business-Service-Management zu beobachten war.

Die zweite Gruppe, "Challengers" genannt, nutzt ihre Kernkompetenzen, um darauf ein Portfolio für IT-Management aufzubauen. Hierzu zählen Forrester ASG, Compuware, EMC, Microsoft, Oracle, Quest Software und Symantec. Vor allem die besser gestellten unter ihnen haben genügend Geld und Ressourcen, um dem vorgegebenen Weg der Megavendors zu folgen. Eine andere Kunst besteht darin, Markttrends noch vor den großen Vier zu erkennen.

Als typische Übernahmekandidaten gelten die "Innovators". Sie haben sich intensiv mit IT-Management-Prozessen auseinandergesetzt und kommen mit interessanten Lösungen zu deren Verbesserung zum Kunden. Deshalb stehen sie auch unter ständiger Beobachtung der beiden zuvor genannten Gruppen, die über Akquisitionen die eine oder andere Lücke ihres Portfolios schließen wollen.

Die vierte Kategorie bilden die "Specialists", die den Konkurrenzkampf über den Preis, die Wertigkeit und die Qualität ihrer Produkte bestehen. Zu ihnen zählt Forrester die Firmen NetQos, Nimsoft und Solarwinds. Eine schnell gewachsene und zugleich sehr innovative Firma in dieser Gruppe ist auch Managed Objects. Normalerweise haben Spezialisten eine Nische gewählt, für die sich ein Engagement der größeren Anbieter nicht lohnt. Potenzielle Kunden sind darüber hinaus auch Unternehmen, die sich bewusst nicht in die ausschließliche Abhängigkeit eines einzelnen großen Herstellers begeben wollen und deshalb nach ausgereiften offenen Lösungen kleinerer Anbieter suchen. Doch vor einer Übernahme sind auch die Spezialisten nicht geschützt, denn ab einer gewissen Größe zählt nicht mehr nur das Produkt, sondern auch die mit der Akquisition gewonnene Kundenbasis.

Aus Big Four wird zweimal Big Two

Seit der Übernahme von EDS durch HP ist man beim Aachener Beratungshaus Comconsult der Meinung, dass das bislang als "Big Four" bezeichnete Führungs-Quartett im Markt für IT-Management-Software differenzierter betrachtet werden muss. Genau genommen würden sich die vier Anbieter in zwei Gruppen einteilen lassen: die Mega-Service-Provider IBM und HP sowie die Mega-Solution-Provider BMC und CA. Das hat Auswirkungen für die Anwender, denn bei der Entscheidung für einen der Hersteller müssen sie künftig berücksichtigen, dass HP und IBM verstärkt Outsourcing-Projekte platzieren wollen. Dies ist bei CA und BMC nicht der Fall, da sie keine vergleichbaren Servicebereiche besitzen und auf die Individualität und Eigenständigkeit des Kunden setzen.

Dementsprechend werden sich auch die IT-Management-Lösungen der jeweiligen Hersteller entwickeln. Von IBM und HP erwartet Comconsult Lösungen, die ihr Outsourcing-Geschäft erleichtern, von BMC und CA dagegen Produkte, die den IT-Betrieb beim Kunden stärken. Welchem Hersteller ein Anwender den Vorzug gibt, ist daher keine Frage der Werkzeugfunktionalität, sondern der strategischen Ausrichtung der kommenden Jahre. Gemeinsam geben die großen Vier eine gewisse Richtung vor, jedoch unter jeweils anderen Vorraussetzungen: "Automation zur Erleicherung des Outsourcing-Geschäfts" und "Automation zur Kostenreduktion und Bewahrung der Eigenständigkeit".

Marktanteil der Big Four

Hersteller

Umsatz 2006

(in Millionen Dollar)

Marktanteil 2006

(in Prozent)

Umsatz 2007 (in Millionen Dollar)

Marktanteil 2007

(in Prozent)

Big Four der Hersteller

5807

41

6690

43

Top 10 der Hersteller

8112

58

9324

59

Gesamtmarkt

14032

100

15682

100