Acer lehrt die Konkurrenz das Fürchten

03.03.2004 von Jan-Bernd Meyer
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Acer - auch so ein Unternehmen, das in Deutschland irgendwie vertreten und doch nie so recht sichtbar war. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Jetzt stehen Acer-Produkte bei den großen Massenvertreibern und das Unternehmen befindet sich in den Top-Ten.
Vorteil Notebooks: Acer hat im vierten Quartal 2003 Dell mit 206.000 verkauften Rechnern vom vierten Platz im deutschen PC-Markt verdrängt. Quelle: IDC

"Wir haben die Zahlen von Acer ein halbes Jahr lang auf Herz und Nieren geprüft, weil wir seinen Erfolg nicht nachvollziehen konnten." Meike Escherich spricht aus, was viele Beobachter über den Aufstieg Acers in die Premier League der Computeranbieter auf dem alten Kontinent und in Deutschland wohl auch gedacht haben. "Aber", so die PC-Analystin bei Dataquest Gartner in London, "es geht alles mit rechten Dingen zu. Die Stückzahlen für den deutschen und europäischen Markt sind absolut korrekt."

Bemerkenswerte Zahlen

Und diese Zahlen sind in der Tat bemerkenswert: Im vierten Quartal 2001 verkauften die Taiwaner nach Angaben von Gartner Dataquest in Deutschland 90 911 PCs. Das entsprach einem Marktanteil von 4,4 Prozent. Ein Jahr später steigerte Acer im Weihnachtsquartal die Stückzahlenverkäufe im deutschen PC-Markt auf 127 853 Systeme - ein Zuwachs von immerhin 40,9 Prozent.

Zwischen Oktober und Dezember 2003 setzte Acer seinen Wachstumskurs in Deutschland eindrücklich fort und vermehrte seine PC-Verkäufe auf 206 072 Stück. Zwar konnten Fujitsu-Siemens (18,5 Prozent plus), Hewlett-Packard (27,9 Prozent plus) und Dell (18,9 Prozent) ebenfalls mit satten Zuwachszahlen aufwarten. An Acers Steigerungsrate (61,2 Prozent) reichten sie allerdings wieder nicht heran, wobei mittlerweile das Argument von der niedrigen Stückzahlenausgangsbasis nicht mehr gelten kann. Acer überholte in Sachen Marktanteil Dell, den Senkrechtstarter früherer Jahre, und liegt in Deutschland nun auf Platz vier.

In Europa verdoppelte Acer im vierten Quartal 2003 seine verkauften Stückzahlen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres von 675 000 auf 1,19 Millionen PCs, erhöhte den Marktanteil von 4,7 auf sieben Prozent (Steigerung von 75,9 Prozent) und belegt damit in Europa im Weihnachtsquartal 2003 Platz drei.

Noch im September 2001 hatte die Meta Group geschrieben, PC-Hersteller aus dem zweiten Glied wie Acer könnten in den kommenden zwölf Monaten gegen die großen Vier im PC-Markt - also Compaq, Dell, HP und IBM - kaum konkurrieren und sollten sich auf Marktnischen oder bestimmte geografische Regionen konzentrieren.

Diese Sicht dürfte sich mittlerweile erheblich geändert haben. Denn genau zum damaligen Zeitpunkt setzte Acer zum großen Sprung an, als Firmenboss Stan Shih die Parole ausgab, sein Unternehmen müsse sich auf seine Kernkompetenz PCs und PC-Server konzentrieren.

Besonders bemerkenswert ist, dass Acer gerade auch im als konservativ geltenden hiesigen Markt so schnell reüssierte. Dell etwa hatte den deutschen Markt 1987 betreten und fast 15 Jahre benötigt, um in den Top-Ten der PC-Anbieter erstmals aufzutauchen.

Gründen für den Erfolg

Für diesen Erfolg Acers gibt es mehrere Gründe. Vordergründig am augenfälligsten ist die Marketing- und Produktoffensive, mit der die Asiaten den deutschen Markt massiv angingen. Alle paar Wochen liegen den großen Tageszeitungen Flyer mit den neuesten Angeboten bei. Die Massenwiederverkäufer Saturn-Hansa und Media-Markt vertreiben gleich mehrere Produktlinien von Acer. Die Beispiele Medion oder Gericom zeigen dabei, wie wichtig solche Reseller sind, um sich am Markt zu etablieren. Gartner bezeichnet das auch als "Aldi-Phänomen".

Der eigentliche und wesentliche Grund, warum Acer so vehement durchstarten konnte, sind aber die völlig neu gestalteten Beziehungen zu europäischen und deutschen Partnern und Wiederverkäufern. Das Unternehmen hat es verstanden, innerhalb von drei Jahren eine sehr gut funktionierende Partnerorganisation auf dem alten Kontinent und in Deutschland aufzubauen. Acer konnte alle großen sieben Distributoren in Europa für sich verpflichten. Einer dieser in mehreren europäischen Ländern agierenden Partner sagte, man habe im vierten Quartal 2003 den Absatz mit Acer-Gerätschaft gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 300 Prozent steigern können.

Wichtig: Vertriebspartner

Zu diesen großen Vertriebspartnern gehört etwa Ingram in Österreich, in Dänemark und in Schweden. Techdata liefert Acers Produktlinien ebenfalls in die Alpenrepublik, nach der Schweiz und nach Großbritannien. Actebis beliefert den dänischen und deutschen Raum, wobei Actebis Computer Deutschland und Peacock ab April 2004 als gemeinsames Unternehmen von Soest aus die Distribution in Deutschland steuern werden. Wiederverkäufer wie etwa Kingfisher decken Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien, Niederlande und Tschechien ab.

Zudem hat Acer geschickt die Verunsicherung der Partner genutzt, die mit Hewlett-Packards großem Revirement im Handelskanal einsetzte. HP reduzierte seit der Fusion mit Compaq und mit der Implementierung des "Partner-One"-Konzepts die Zahl seiner Vertriebspartner in Europa drastisch von rund 20 000 auf nunmehr etwa 200 so genannte Named Accounts sowie etwa 2500 Unnamed Accounts, also kleinere Vertriebspartner. Hier hat Acer den Hebel angesetzt und viele neue Partner an sich binden können, die von HP enttäuscht wurden.

Zudem fährt Acer eine Rabattpolitik, die ebenfalls nicht nur sehr attraktiv insbesondere für seine kleineren Partner ist, sondern auch den Gepflogenheiten im Markt widerspricht. Wegen der wirtschaftlich schwierigen Zeiten gewähren die großen Computerhersteller ihren Partnern zunehmend erst dann Preisnachlässe auf Rechner, wenn diese tatsächlich verkauft sind. Anders Acer: Die Taiwaner bieten ihren Partnern Cash-on-Hand-Konditionen, sie sagen dem Kanal also bereits vor dem Verkauf von Systemen, welche Discounts zu erwarten sind. Übrigens, so Gartner-Frau Escherich, sind diese Rabatte auch noch höher als die der anderen Computerhersteller.

Dumping-Preise

Ein Insider, der nicht genannt werden will, geht davon aus, dass Acer sich durch eine knallharte Dumping-Preis-Politik auch Marktanteile kauft, also zumindest nicht immer mit profitablen Preisen operiert. Eine Überlegung, die vor Jahren ja auch über Fujitsu-Siemens angestellt wurde.

Während übrigens HP nur an die Top-Tier-Distributoren liefert, die die kleineren Partner bedienen, beschickt Acer unterschiedslos auch diese mit seinen Systemen. So hat sich Acer nicht nur bei den großen Händlern wie Ingram, Tech Data oder Actebis in den Regalen breit gemacht, sondern auch bei den kleinen Partnern.

Partner von HP abgeholt

Genau die sind laut IDC-Analystin Stefania Lorenz in Acers Produkt- und Marketing-Strategie auch wichtig. "Acer hat sich nicht nur bei den Großdistributoren und den Massenwiederverkäufern durchgesetzt. Die Taiwaner konnten auch ihre Beziehungen zu den vielen kleinen, lokalen Distributoren festigen." Das habe, so Lorenz, der Präsenz von Acer und dem Bekanntheitsgrad der Marke in ganz Deutschland sehr geholfen.

Zudem, so Lorenz weiter, habe sich Acer zielbewusst auf ein Marktsegment konzentriert, das der billigen Notebooks mit Centrino-Prozessoren. Hier ist das Unternehmen nach Zahlen von Gartner und IDC in Deutschland ganz klar Marktführer.

Nach den Aussagen eines Insiders hat Acer zudem auch noch die Fähigkeit, Märkte hervorragend einzuschätzen. "Während Hewlett-Packard diesbezüglich immer wieder Probleme hat und entsprechend Produkte auf Halde produziert, versteht Acer die Bedürfnisse und Wünsche der Käufer sehr gut."

Schließlich wirkt sich auch die Kompetenz als Hersteller von Computerprodukten für Acer positiv aus. Während sich die meisten Konkurrenten als Produzenten verabschiedet und - wie etwa HP oder IBM - ihre Fertigungsstätten an so genannte Third-Party-Manufacturer wie Flextronics oder Sanmina-SCI veräußert haben, baut Acer immer auch noch selbst zusammen. Das erklärt nach Gartner-Analystin Escherich einen weiteren Vorteil gegenüber dem Wettbewerb: "Acer hat keine Probleme mit der Lieferung von Produkten, es gibt keine Verzögerungen und bei den Komponenten keine Engpässe." IDC-Analystin Lorenz stimmt Escherich zu. So sei Acer beispielsweise 2003 anders als andere Anbieter mit der Lieferung von LCD-Monitoren nicht in Verzug geraten.

Acer hat zudem mit der Wahl des italienischen Assemblierers Tecnodiffusione aus Scarmagno bei Ivrea einen klugen Schachzug gemacht. Das italienische Unternehmen baut die Computer der Taiwaner für den europäischen Raum zusammen. Italien subventioniert nun aber Firmen wie Tecnodiffusione, was wiederum für Auftraggeber wie Acer finanziell interessant ist, sagt Gartner-Analystin Escherich.

Bei so viel positiven Überlegungen fehlt allerdings nicht die Warnung vor zu schnellem Wachstum. Escherich: "Die einzigen Bedenken, die wir bei Gartner hegen, haben mit Acers fehlender Infrastruktur zu tun. Wer so schnell wächst wie Acer, muss irgendwann auch einmal intern expandieren. Das heißt, Acer muss in eine adäquate interne CRM- und ERP-Infrastruktur investieren. Und das kostet."