Arbeitsrechtliche Maßnahme des Chefs

Abmahnung aus Sicht des Arbeitgebers

01.12.2011 von Bettina Dobe und Renate Oettinger
Wer einen Mitarbeiter abmahnt, muss verschiedene rechtliche Vorschriften beachten. Dr. Christian Salzbrunn stellt sie vor.

Die Abmahnung ist Ausdruck einer Missbilligung des Arbeitgebers infolge der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer. Als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung hat die Abmahnung sich zu einem eigenständigen und zugleich umstrittenen Instrument des Kündigungsrechts entwickelt. Da zum arbeitsrechtlichen Abmahnrecht keine gesetzlichen Regelungen bestehen, ist es durch eine sehr umfangreiche Rechtsprechung der Arbeitgerichte geprägt. Im vorliegenden Beitrag können daher nur die wichtigsten Hinweise aufgeführt werden.

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Die Notwendigkeit einer Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung folgt aus dem so genannten Ultima-Ratio-Prinzip. Es besagt mit einfachen Worten, dass eine arbeitsrechtliche Kündigung immer nur das letzte Reaktionsmittel eines Arbeitgebers darstellen kann. Dieser ist vielmehr gehalten, zunächst den Versuch zu unternehmen, einen Arbeitnehmer mittels einer Abmahnung zur Abkehr von einem pflichtwidrigen Verhalten zu bewegen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt darüber hinaus, dass nur erhebliche und objektiv tatsächlich vorhandene Pflichtverstöße abgemahnt werden können, Bagatellfälle dagegen nicht.

Drei Funktionen der arbeitsrechtlichen Abmahnung

Im Allgemeinen werden der arbeitsrechtlichen Abmahnung daher drei Funktionen zugesprochen. Sie hat eine Dokumentationsfunktion, da die Abmahnung den Arbeitnehmer auf seine Pflichtverletzung aufmerksam machen und den beanstandeten Vorfall festhalten soll. Im Rahmen der Beanstandungsfunktion soll die Abmahnung dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, das abgemahnte Verhalten abzustellen und durch künftiges pflichtgemäßes Verhalten eine drohende Kündigung abzuwenden. Aus der Warnfunktion folgt schließlich, dass dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung anzudrohen sind. Anderenfalls kann lediglich von einer Ermahnung gesprochen werden, welche für eine nachfolgende Kündigung nicht ausreichen würde.

Inhalt einer Abmahnung

Aus den zuvor genannten drei Funktionen ergibt sich sodann der notwendige Inhalt einer arbeitsrechtlichen Abmahnung. Zum einen muss der Sachverhalt des Pflichtverstoßes konkret, präzise und so detailliert wie möglich dargestellt werden. Es genügt nicht, wenn in der Abmahnung pauschal auf bekannte Vorkommnisse oder auf wiederholte Pflichtverletzungen verwiesen wird.

Des Weiteren muss das Verhalten des Arbeitnehmers als nicht vertragsgemäß gerügt werden. Es muss deutlich werden, dass der Arbeitgeber weitere entsprechende Pflichtverstöße von Seiten des Arbeitnehmers nicht tolerieren wird. Unerlässlich wird dadurch auch die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Wegen der Warnfunktion müssen für den Wiederholungsfall Hinweise enthalten sein, aus denen sich deutlich ergibt, dass der weitere Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Zwar muss hier nach der Rechtsprechung das Wort "Kündigung" nicht unbedingt fallen, gleichwohl empfehlen sich derart nachhaltige Formulierungen.

Alles zum Thema Abmahnung
Alles zum Thema Abmahnung
Abmahnungen haben eine große praktische Bedeutung im Arbeitsleben. Hier die Einzelheiten:
1. Begriff und praktische Bedeutung
Die Abmahnung stellt ein Mittel dar, den Vertragspartner auf die Verletzung vertraglicher Pflichten hinzuweisen. Dieser Hinweis arbeitsvertragswidrigen Fehlverhaltens erfolgt mit dem Ziel, in Zukunft weitere Vertragsverstöße zu vermeiden. Die Abmahnung ist in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich normiert.
2. Funktionen der Abmahnung
Folgende Funktionen erfüllt eine Abmahnung:<br /><br /> a) Rüge- und Dokumentationsfunktion:<br /> Der Arbeitgeber erfüllt die mit einer Abmahnung verbundene Rüge- und Dokumentationsfunktion nur dann, wenn er dem Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinreichend genau aufzeigt und darauf hinweist, welches genau bezeichnete Verhalten des Arbeitnehmers er als Pflichtverletzung wertet.<br /><br /> b) Warnfunktion:<br />Eine Abmahnung liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
3. Keine "Strafe"
Durch das Erfordernis einer vergeblich gebliebenen Abmahnung vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung soll letztlich der mögliche Einwand des Arbeitnehmers ausgeräumt werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt oder jedenfalls nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten als so schwerwiegend ansieht, dass er kündigungsrechtliche Konsequenzen ergreifen würde. Hat der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klarstellung gegenüber seinem Arbeitnehmer die Möglichkeit solcher Einwände ausgeräumt, so liegt eine ausreichende Abmahnung vor.
4. "Erziehungsgedanke" der Abmahnung
Die Abmahnung dient als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Erst wenn mit der Vertragserfüllung nicht mehr gerechnet werden kann, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
5. Abmahnungsberechtigte
Zur Abmahnung berechtigt sind nicht nur kündigungsberechtigte Personen wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG, sondern alle Vorgesetzten, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind, dem betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung verbindliche Anweisungen zu erteilen.
6. Beteiligung des Betriebsrats
Der Betriebsrat muss vor einer Abmahnung weder angehört noch unterrichtet werden. Er darf daher weder verlangen, dass ihm eine Kopie der Abmahnung ausgehändigt wird, noch kann er von sich aus die Abmahnung in der Personalakte einsehen.
7. Erklärungsfrist für den Ausspruch einer Abmahnung
Für den Ausspruch einer Abmahnung besteht keine feste Ausschlussfrist. Das Recht zum Ausspruch einer Abmahnung kann aber nach längerem Zuwarten verwirken.
8. Wirkungsdauer einer Abmahnung
Eine wirksame Abmahnung kann allein aufgrund des Zeitablaufs unwirksam werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich längere Zeit vertragskonform verhalten oder der Arbeitgeber weitere Pflichtverletzungen unbeanstandet hingenommen hat. Ob bei erneutem, identischem Fehlverhalten des Arbeitnehmers der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung gerechtfertigt ist oder aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine weitere Abmahnung erteilt werden muss, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles, insbesondere von der Dauer des reibungslosen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses, der Schwere des Verstoßes usw. ab.
9. Mehrere Abmahnungen
Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn die Kündigung jahrelang nur angedroht, letztlich aber nicht ausgesprochen wird.
10. Kündigungsverzicht
Entscheidet sich ein Arbeitgeber aufgrund eines Pflichtverstoßes eines Mitarbeiters zum Ausspruch einer Abmahnung, so ist er an diese gebunden. Diese Bindung des Arbeitgebers an die von ihm ausgesprochene Abmahnung bedeutet, dass er nicht mehr allein wegen des von ihm gerügten Verhaltens eine Kündigung aussprechen kann. Er hat vielmehr mit der Abmahnung auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Nur die vergebliche Abmahnung kann für eine Kündigung herangezogen werden. Ohne einen weiteren Vertragsverstoß nach erfolgter Abmahnung kann daher nicht verhaltensbedingt gekündigt werden.
11. Kündigungsmöglichkeit
Es gibt zwar keine feste Regel, nach der vor einer Kündigung notwendigerweise mehrere Abmahnungen erteilt werden müssten. Es kommt insoweit vielmehr im konkreten Einzelfall auf das Gewicht der Pflichtverletzung und den darin liegenden Unrechtsgehalt an, ob eine weitere Abmahnung ausgesprochen werden sollte. Der Arbeitgeber muss daher eine Interessenabwägung vornehmen. Bei leichteren Pflichtverstößen oder Nebenpflichtverletzungen ist grundsätzlich eine mehrfache Abmahnung angebracht. Dies folgt daraus, dass das gesamte Arbeitsrecht und insbesondere das Kündigungsrecht vom sogenannten Ultima-ratio-Grundsatz beherrscht wird.

Form einer Abmahnung

Eine bestimmte Form, insbesondere die Schriftform, ist für die Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich. Sie kann auch mündlich erfolgen, sofern Tarifverträge nicht etwas anderes vorschreiben. Aufgrund der Darlegungsfunktion ist für einen späteren Kündigungsrechtsstreit jedoch die Schriftform der Abmahnung dringend anzuraten.

Des Weiteren ist empfehlenswert, das Schriftstück mit der Überschrift "Abmahnung" zu versehen, um zweifelsfrei auf dessen Inhalt hinzuweisen. Zudem sollte die Übergabe des Abmahnschreibens persönlich erfolgen, wobei der Arbeitnehmer den Erhalt auf dem Schreiben quittiert. So hat der Arbeitgeber den Nachweis, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer zugegangen und darüber hinaus zu seiner Kenntnis gelangt ist. Letzteres ist eine unentbehrliche Wirksamkeitsvoraussetzung.

Fristen für eine Abmahnung

Fristen sind für den Ausspruch einer Abmahnung grundsätzlich nicht zu beachten, da nach der Rechtsprechung keine Ausschlussfrist existiert. Dennoch empfiehlt es sich, eine Pflichtverletzung möglichst zeitnah, zumindest binnen vier Wochen ab Kenntnis des Sachverhalts abzumahnen. Denn das Recht zur Abmahnung kann durchaus verwirkt werden, wenn zwischen dem Vorfall und der Abmahnung ein zu großer Zeitablauf entsteht, während dessen der Arbeitnehmer sich darauf einstellen durfte, dass der potenzielle Abmahnsachverhalt folgenlos bleiben wird.

Betriebsrat - ja oder nein?

Eine Abmahnung bedarf in der Regel weder einer Anhörung des Betriebsrates (es sei denn es ist tarifrechtlich angeordnet) noch des Arbeitnehmers. Gleichwohl empfiehlt sich in manchen Fällen gerade bei langjährigen Mitarbeitern eine vorherige Anhörung, wenn z. B. die Abmahnung auf der Grundlage einer Kundenbeschwerde erfolgen soll, zu der sich der Arbeitnehmer rechtfertigen kann. Unter Umständen stellt sich nämlich der Vorwurf anders dar oder als unberechtigt heraus, was sich im Falle eines Rechtsstreits um die Berechtigung einer Abmahnung ungünstig auswirken würde. Denn in einem gerichtlichen Verfahren trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die abgemahnten Pflichtverletzungen.

Sammelabmahnungen

Problematisch sind sogenannte Sammelabmahnungen, in denen der Arbeitgeber mehrere Abmahnsachverhalte gleichzeitig darstellt. Sofern sich auch nur einer der Vorwürfe als unbegründet erweist, muss auf Verlangen des Arbeitnehmers die gesamte Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden. Daher sollten die jeweiligen Pflichtverstöße sicherheitshalber in mehreren gesonderten Schreiben abgemahnt werden.

Tipps für Kündigung und Trennung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

Voraussetzung für die Kündigung?

Vielfach wird in der Praxis die Frage gestellt, wie oft ein Arbeitnehmer abgemahnt werden muss, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Es besteht in weiten Kreisen die Fehlvorstellung, dass erst nach drei Abmahnungen eine Kündigung wirksam wäre. Die Zahl der vor einer Kündigung auszusprechenden Abmahnungen hängt vielmehr von einer Interessenabwägung ab, bei der unter anderem die Schwere des Pflichtverstoßes, die Häufigkeit früherer, gleich gelagerter Pflichtverstöße, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und etwaige Entschuldigungsgründe abgewogen werden müssen: Je schwerwiegender und nachhaltiger der Verstoß ist, desto weniger Abmahnungen sind erforderlich.

Zu beachten ist auf Arbeitgeberseite auch, dass bei mehreren einschlägigen Abmahnungen ohne darauf folgende tatsächliche arbeitsrechtliche Konsequenzen die Warnfunktion geschwächt und darüber hinaus die Glaubwürdigkeit gemindert wird. Von daher ist es erforderlich, dass die letzte Abmahnung in Wortwahl und Tonfall besonders eindringlich gestaltet wird. Es empfiehlt sich in solchen Fällen die Überschrift "Letztmalige Abmahnung", bei der es dann als solche auch bleiben muss.

Es gibt außerdem zahlreiche Sachverhalte, bei denen eine Abmahnung entbehrlich ist. Außerhalb der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere in der Probezeit, entfällt das Abmahnerfordernis deswegen, weil es auf eine Begründung der Kündigung nicht ankommt. Auch ist zum Beispiel im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abmahnung nicht erforderlich, da eine solche allein im Einflussbereich des Arbeitgebers liegt.

Personenbedingte Kündigung

Bei einer personenbedingten Kündigung ist eine Abmahnung ebenfalls in der Regel nicht erforderlich, weil die Krankheit eines Mitarbeiters zumeist nicht aus einem vorwerfbaren Fehlverhalten resultiert. Schließlich ist eine Abmahnung bei sehr schweren Pflichtverletzungen unnötig, bei denen der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres selbst erkennen kann und bei denen die Hinnahme des Arbeitnehmerverhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist. Dies sind insbesondere Fälle, in denen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, zum Beispiel bei Eigentumsdelikten, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt oder wenn nachhaltige Beleidigungen bzw. Tätlichkeiten seitens des Arbeitnehmers vorliegen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Abmahnrecht aufgrund seiner vielschichtigen Voraussetzungen nur schwer zu durchschauen ist. Deshalb erweisen sich in gerichtlichen Verfahren Abmahnungen häufig als erhebliche Stolpersteine für wirksame Kündigungen. Von daher ist anzuraten, in Zweifelsfällen vor der Übergabe einer Abmahnung an den Arbeitnehmer einen fachlichen Ratschlag einzuholen. (oe)

Kündigungsgespräche richtig führen
Kündigungsgespräche richtig führen
Wer einem Mitarbeiter die Entlassung mitteilt, sollte darauf achten, dass es ein Gespräch auf Augenhöhe ist. Sechs Tipps zur Gesprächsführung.
Tipp 1
Achten Sie darauf, dass vor dem Gespräch mit dem Mitarbeiter keiner seiner Kollegen von der Kündigung erfährt.
Tipp 2
Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Welche Faktoren machen die Kündigung unumgänglich? Wie können Sie auf mögliche Einwände reagieren?
Tipp 3
Seien Sie ehrlich: Beschönigen Sie nicht die Situation, sondern geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein konstruktives Feedback.
Tipp 4
Berücksichtigen Sie auf jeden Fall, dass es bei einer Kündigung nicht nur um eine Fach- oder Führungskraft einer bestimmten Abteilung geht, sondern um einen Menschen mit allen seinen sozialen und gesellschaftlichen Bezügen. Das ist gerade dann wichtig, wenn man den Mitarbeiter nicht immer geschätzt hat.
Tipp 5
Geben Sie ihm genügend Zeit für seine Reaktionen wie Wut oder Tränen: Bieten Sie gegebenenfalls ein weiteres Gespräch in ein paar Tagen an, wenn der Mitarbeiter sich wieder gesammelt hat.
Tipp 6
Seien Sie auch in den nächsten Tagen stets offen für weitere Fragen des gekündigten Mitarbeiters.

Kontakt:

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de