Verkäufe stagnieren

8 Gründe gegen den virtuellen Desktop

27.04.2011 von Hartmut  Wiehr
2010 sollte das "Jahr des virtuellen Desktops" sein. So wollten es zumindest Hersteller und Analysten. Doch der Absatz von virtuellen Desktops stagniert immer noch auf dem Niveau von 2009.

Laut Ian Song, Analyst bei IDC, verharren die Verkäufe von virtuellen Desktops auf dem Stand des Vorjahres. Eigentlich sollte es nach den Prognosen für 2010 ganz anders sein – Hersteller und viele Analysten waren sich einig, dass die Desktop-Virtualisierung oder VDI (Virtual Desktop Infrastructure) der neueste, unschlagbare Trend ist. Virtuelle Desktops sollten in riesigen Mengen ihre physikalischen Kollegen, sprich traditionelle PCs, ersetzen.

2010 sollte zum "Jahr des virtuellen Desktops" werden. Doch statt eines echten Trends kam es nur zu einem Flop.

1. Der klassische PC-Markt wächst wieder
Einem IDC-Report vom Juli 2010 ist zu entnehmen, dass in den ersten sechs Monaten diesen Jahres dagegen die Verkäufe traditioneller PCs weltweit im Vergleich zum Vorjahr um 22,4 Prozent zugenommen haben. Laut IDC begründet sich diese Zunahme in einem Nachholbedarf, da 2007 und 2008 krisenbedingt PC-Neuanschaffungen zurückgestellt wurden. Außerdem seien überall auf dem Globus zusätzliche PCs in den Unternehmen und in den Privathaushalten angeschaffen worden. Statt mehr virtueller Desktops also mehr physikalische Einzelrechner.

2. Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise sind weiter zu spüren

Allerdings sollte man berücksichtigen, dass in solche weltweite Zahlen Länder mit starken wirtschaftlichen Wachstumszahlen wie Brasilien, Indien oder China eingehen. Auf der anderen Seite haben sich gerade die USA und weite Teile Europas bisher noch nicht merklich von den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise erholt. Das tangiert auch negativ die mögliche Ausdehnung von virtuellen Desktops – in einem insgesamt eher zurückhaltenden oder rückläufigen Wirtschaftsklima haben neue Technologien nur wenige Chancen.

3. VDI-Einsatz nur taktisch, statt strategisch

Erst seit Mitte August weist IDC eigene Zahlen für Desktop-Virtualisierung aus. Bisher hatte man das noch nicht für erforderlich gehalten, da die Zahlen zu gering waren. Und auch die erste separate Veröffentlichung zeigt laut Song keine Indizien für eine Zunahme entsprechender Verkäufe. "VDI bleibt noch eine taktische Entscheidung“, erläutert Song. "Einkaufsentscheidungen werden meistens immer dann von den IT-Verantwortlichen getroffen, wenn es um die Lösung eines bestimmten Problems geht. Grundlegende strategische Entscheidungen für VDI werden aber erst dann kommen, wenn positive Erfahrungen und ein Return on Investment auch für jene Unternehmen zu erwarten sind, die nicht zu den Early Adopters gehören.“

4. Mangelnde Performance und zu wenig Funktionen von VDI

Refresh-Zyklen von PCs und die anstehende Migration zu Windows 7 hätten nach Einschätzung der Analysten von Forrester oder Gartner zu einem wahren Boom bei virtuellen Desktops führen sollen. Doch offenbar konnten die Features der neuen Geräte einem Vergleich mit klassischen PCs nur in wenigen Fällen standhalten. Auch die Netzwerkverbindungen zu den zentralen Servern in einem VDI-Modell machen offenbar immer noch zu schaffen. Viele Unternehmen fürchten deshalb weitere, zunächst unsichtbare Kosten nach dem Umstieg auf VDI.

5. Wirrwarr bei den VDI-Angeboten

Zur Verunsicherung der Anwender trägt auch die Vielfalt an divergierenden Technologien und Geräten im VDI-Umfeld bei. Zukunftssichere Investitionen erfordern aber einen Bestandsschutz, zumal auf dem Virtualisierungsmarkt ein starker Wettbewerb herrscht. Übernahmen sind zudem in der IT-Branche heute generell üblich geworden. Nicht immer ist sicher, was aus einem Hersteller wird, dessen Produkte und Know-how in die Hände eines stärkeren Konkurrenten gelangen.

6. Wachsendes Misstrauen in die Prognosen von Analysten

Wie der ehemalige Forrester-Analyst Merv Adrian ausführt, ist der Flop bei VDI nicht der erste in der Branche. Schon das groß angekündigte "Jahr des LAN“ ging in die Hose – die prognostizierte Steigerung der Umsätze in diesem Bereich kam ebenfalls nicht zustande. Solche nicht eintreffenden Prophezeiungen tragen nicht gerade zum guten Ruf der Analysten- und Marktforschungsinstitute bei. Und sie steigern die Unsicherheit bei den Entscheidungsträgern in den Unternehmen.

7. Zu große Versprechungen des Marketing

Anbieter von Virtualisierungsprodukten erzeugen gerne den Eindruck, dass die Zahl der Anwender schon sehr groß sei. Um so überraschender ist es dann, wenn sich zum Beispiel bei Events oder in User Groups herausstellt, dass dem nicht so ist. So fühlen sich selbst einige Early Adopters allein gelassen.

8. Migration von Thin Client teurer und aufwendiger als erwartet

Unternehmen, die bereits Thin-Client-Computing einsetzen, unterschätzen die Kosten und den Zeitaufwand einer Migration zu VDI. Es sind neben der erforderlichen Software und dem Training größere Hardware-Investitionen nötig, um den Anforderungen an I/O-Prozesse und Netzwerkverbindungen zu entsprechen, die VDI stellt. IDC-Analyst Song resümiert: "Jede Desktop-Migration kann sehr viel Zeit beanspruchen. Das gilt besonders für VDI.“

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Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.